Behindertenbeirat fordert Mitbestimmung
Der Streit um die Bestellung eines neuen Landesbehindertenbeauftragten ist noch nicht beigelegt. Der Landesbehindertenbeirat übte auf seiner Sitzung am Dienstag mit großer Mehrheit harsche Kritik an dem „respektlosen“Vorgehen von Landesregierung und Landt
Der Landesbehindertenbeirat als Interessenvertretung der rund 200 000 Behinderten im Saarland hat den Landtag mit scharfer Kritik aufgefordert, zu dem umstrittenen Verfahren der Neubesetzung des Landesbehindertenbeauftragten Stellung zu nehmen. In einer von den 30 Mitgliedsorganisationen mit großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommenen Entschließung beanstandete der Landesbehindertenbeirat am Dienstag auf seiner Sitzung in Saarbrücken, dass er entgegen der gesetzlichen Vorschrift vor der Wahl des neuen Landesbehindertenbeauftragten nicht gehört worden sei. Zugleich forderte der Beirat in der Resolution künftig ein höheres Maß an Mitbestimmung und Gewichtung im Saarländischen Behindertengleichstellungsgesetz (SBGG).
Beirats-Mitglied Traudel Hell vom Verein Miteinander Leben Lernen (MLL) warf Landesregierung und Verwaltung in der Debatte einen „respektlosen unmöglichen Umgang mit dem Landesbehindertenbeirat“vor. Annette Baumstümmler, für die IHK des Saarlandes im Beirat, beanstandete, „dass nicht alles so gelaufen ist wie gesetzlich vorgegeben“. Zu klären sei auch, warum man seitens des Landes offenbar unbedingt vermeiden wollte, dass sich die acht Kandidaten für das Amt zunächst vor dem Beirat vorstellten. „Das geht so nicht, es geht nicht um die Person“, es gehe um die Vorgehensweise, hieß es auch seitens der kommunalen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Überschattet von dem Streit am Verfahren stellte sich der kürzlich vom Saar-Landtag fast einstimmig gewählte neue Landesbehindertenbeauftragte Michael Schmaus am Dienstag selbst im Landesbehindertenbeirat vor und bot dem Gremium seine konstruktive Zusammen
arbeit an. Der 56-jährige Schmaus, SPD-Mitglied und seit rund zwei Jahrzehnten Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland sowie selbst seit langem Mitglied im Landesbehindertenbeirat, wird am 1. März die Nachfolge des bisherigen Behindertenbeauftragten Prof. Daniel Bieber (67) übernehmen.
Bieber hatte vergeblich gegen die Nicht-Verlängerung seiner Amtszeit nach dem Erreichen der Pensionierungsgrenze vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Ihm dankte die Staatssekretärin im Sozialministerium, Bettina Altesleben (SPD), vor dem Beirat für seine „mit Herzblut und Begeisterung geleistete langjährige Arbeit“. Zugleich kündigten Altesleben und ihr Abteilungsleiter Stephan Kolling für die Landesregierung an, noch in diesem Jahr eine mit bis zu neun Mitarbeitern besetzte neue Landesfachstelle Barrierefreiheit zu schaffen, die Hilfe bei Fragen des behindertengerech
ten Bauens und der Digitalisierung samt einfacher Sprache bieten soll.
Zudem, sagte Altesleben, habe die Landesregierung beim Kölner Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Kooperation mit der Universität Kassel eine unabhängige Evaluation des Saar
ländischen Behindertengleichstellungsgesetzes in Auftrag gegeben. Bis Anfang 2025 sollen dem Landtag des Saarlandes Ergebnisse mit möglichen Handlungsempfehlungen zur besseren Gleichstellung Behinderter vorliegen, hieß es dazu.
„Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft mit einer Stimme sprechen und die Behindertenpolitik in diesem Land nach vorne bringen“, betonte der künftige Landesbehindertenbeauftragte Schmaus. Insbesondere mehr rollstuhlgerechte Zugänge und barrierefreie Sprache im Digitalisierungszeitalter für die Behinderten sowie auch die Bewerbung des Saarlandes als Austragungsort für die Special Olympics im Sommer 2026 lägen ihm am Herzen, kündigte Schmaus an.
An diesem Freitag, so Sportminister Reinhold Jost (SPD), soll dazu die Entscheidung fallen, ob sich das Saarland mit der angebotenen Ausrichtung der grenzüberschreitenden Special Olympics samt geförderter barrierefreier Infrastruktur gegen
den Mitbewerber Nürnberg durchsetzt. Gelinge dies, werde es in zwei Jahren mit 5000 Athleten und 8000 Begleitern das „größte Sportevent, das das Saarland je hatte“, betonte Jost vor dem Landesbehindertenbeirat.
Der Behindertenbeirat hat laut Gesetz die Aufgabe, den Landtag und die Landesregierung in allen grundsätzlichen Fragen der Politik von Menschen mit Behinderungen zu beraten und kann dazu Empfehlungen aussprechen. In einer mehrseitigen Stellungnahme des Koordinierungsausschusses des Landesbehindertenbeirats, dem das Gremium am Dienstag mehrheitlich zustimmte, heißt es: „Leider war es offensichtlich nicht im Sinne der Landesregierung, des Parlaments bzw. des Sozialausschusses oder der Landtagsverwaltung, den Landesbeirat in der wichtigen Frage der Besetzung des Amtes des Landesbehindertenbeauftragten vertrauensvoll auf Augenhöhe, also respektvoll und transparent einzubeziehen.“