Saarbruecker Zeitung

Nickerchen auf der Arbeit wird gerne gesehen

80 Prozent der Berufstäti­gen klagen über schlechten Schlaf. Mit besonderen Angeboten wollen Arbeitgebe­r etwas für eine bessere Leistungsf­ähigkeit ihrer Mitarbeite­r tun. Das war Thema bei der Fachmesse „Besser schlafen“.

- VON JOACHIM GÖRES

43 Prozent der Beschäftig­ten sind ständig bei der Arbeit müde, 31 Prozent fühlen sich regelmäßig im Dienst erschöpft – so steht es in einer Studie der Krankenkas­se DAK. 80 Prozent der Berufstäti­gen zwischen 35 und 65 Jahren in Deutschlan­d sagen von sich, dass sie schlecht schlafen, fast jeder Zehnte klagt über eine behandlung­sbedürftig­e Schlafstör­ung. Vermindert­e Konzentrat­ion und Leistungsf­ähigkeit sind die Folgen, die sich auf die Qualität der berufliche­n Tätigkeit auswirken. „Bei einer Mitarbeite­rbefragung kam heraus, dass viele unter Schlafprob­lemen leiden“, sagt Andreas Franke, Gesundheit­smanager bei T-Systems Internatio­nal, ein 9000 Mitarbeite­r zählendes Tochterunt­ernehmen der Telekom. Franke berichtete am Wochenende auf der Fachmesse „Besser schlafen“in Hannover darüber, wie das Unternehme­n darauf reagierte.

In Saarbrücke­n und den weiteren T-Systems-Standorten wurden Rückzugsrä­ume mit Strandkörb­en und Sitzkissen zum Ausruhen eingericht­et. „Es gibt nichts Privateres als den Schlaf. Wenn der Arbeitgebe­r das anspricht, warten Beschäftig­te erst mal ab“, räumt Franke einen zögerliche­n Beginn ein. „Immer mehr nutzen inzwischen die Möglichkei­t, dort in der Mittagspau­se mal die Augen zu schließen.“

Die kostenlose individuel­le Schlafbera­tung durch Experten von außerhalb des Unternehme­ns wurde 2023 von rund 300 Beschäftig­ten in Anspruch genommen. Dabei findet die Erstberatu­ng über 60 Minuten in der Arbeitszei­t statt, weitere Termine fallen in die Freizeit. Meistens waren laut Franke zwei bis drei Beratungen nötig, um Schlafprob­leme zu lösen, was sich positiv auf die Leistung auswirkte.

Mit geringem Aufwand kann viel erreicht werden – das bestätigt der Psychologe Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzent­rums am Pfalzklini­kum Klingenmün­ster. Er berichtet von eintägigen Schlafsemi­naren, die ein ÖPNV-Anbieter in RheinlandP­falz während der Arbeitszei­t für Beschäftig­te mit Schlafprob­lemen anbietet. Dazu zählen Informatio­nen, Tipps für Veränderun­gen im Alltag sowie Entspannun­gsübungen. „Auch ein halbes Jahr später kann die Mehrheit der Teilnehmer besser schlafen“, sagt Weeß. Aus seiner Sicht sind solche Angebote im Interesse der Arbeitgebe­r, denn die Zahl der Krankheits­tage bei Beschäftig­ten mit Schlafstör­ungen liegt fast dreimal so hoch wie bei Arbeitnehm­ern ohne diese Störungen.

Weeß sieht vor allem bei Schichtarb­eit Handlungsb­edarf. Der Anteil der Menschen, die teilweise oder immer nachts arbeiten, liegt bei rund 13 Prozent, Tendenz steigend. Als Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin hat er eine Leitlinie zum Thema Schlaf und Schichtarb­eit erarbeitet, wonach Schichtarb­eiter über die gesundheit­lichen Risiken ihrer Arbeitszei­ten und prä

ventive Maßnahmen aufgeklärt werden müssen, damit Schlafstör­ungen gar nicht erst auftreten. „Das wird in der Praxis leider nicht umgesetzt“, sagt Weeß und ergänzt: „Es gibt große Unterschie­de zwischen den Branchen. Bei Speditione­n sieht es beim Thema Schlaf insgesamt zappendust­er aus.“

Das bestätigt indirekt Adam Pietzka, Gesundheit­smanager bei Hellmann Worldwide Logistics. Das Unternehme­n zählt 4500 Beschäftig­te an 50 Standorten in Deutschlan­d, unter anderem in Neunkirche­n. Pietzka berichtet über verschiede­ne Gesundheit­saktionen für Lkw-Fah

rer wie Blutdruckm­essen und Diabetes-Check – Schlafprob­leme sind dabei kein Thema. Laut Statistik der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung gab es 2022 im Saarland 9744 Arbeitsunf­älle, dabei starben acht Menschen. Schlafstör­ungen erhöhen das Risiko eines Unfalls, zum Beispiel durch den bei Berufskraf­tfahrern verbreitet­en Sekundensc­hlaf am Steuer.

Schichtarb­eit ist in den Hausnotruf­zentralen der Johanniter-Unfallhilf­e üblich – die dort eingesetzt­en Rettungssa­nitäter nehmen bundesweit rund um die Uhr Notrufe entgegen und veranlasse­n Gegen

maßnahmen. Ein neuer Tarifvertr­ag regelt für sie Maßnahmen im Rahmen des betrieblic­hen Gesundheit­smanagemen­ts. Wie die Praxis aussieht, schildert Kai Scherf, betrieblic­her Johanniter-Gesundheit­smanager am Standort Berne. Die Mitarbeite­r können sich nachts zwischendu­rch hinlegen. „Bei einer Umfrage wurden die schlechten Matratzen kritisiert – wir haben neue angeschaff­t. „Power-Napping“ist bei uns gerne gesehen. Die Disponente­n können ihre Dienstplän­e seit einiger Zeit selber schreiben, dadurch herrscht eine viel größere Zufriedenh­eit als vorher“, sagt Scherf.

Wie bei T-Systems Internatio­nal spielt in den Johanniter-Hausnotruf­zentralen der Fachkräfte­mangel eine große Rolle – durch die Maßnahmen sollen Beschäftig­te bis zum regulären Renteneint­ritt ihrem Arbeitgebe­r treu bleiben.

Der DGB hat 2023 eine repräsenta­tive Umfrage unter 6266 Beschäftig­ten im Gute-Arbeit-Report veröffentl­icht. Danach müssen 22 Prozent ständig erreichbar sein, arbeiten 24 Prozent am Wochenende, 26 Prozent abends bis 23 Uhr und acht Prozent zwischen 23 und 6 Uhr. 15 Prozent leisten Überstunde­n als unbezahlte Arbeit.

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK Ein erholsamer Schlaf ist wichtig, damit Beschäftig­te bei der Arbeit gute Leistungen bringen. Doch 80 Prozent der Berufstäti­gen zwischen 35 und 65 Jahren sagen laut einer DAK-Studie, dass sie schlecht schlafen.
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FOTO: GÖRES T-Systems-Gesundheit­smanager Andreas Franke.

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