Saarbruecker Zeitung

Mutmaßlich­es Opfer berichtet von schweren Übergriffe­n

Im Prozess um mutmaßlich­en Missbrauch in Mettlach-Tünsdorf hat ein ehemaliges Pflegekind die früheren Pflegeelte­rn belastet.

- VON KATHRIN GÄRTNER

Mussten die Pflegekind­er von Patrick (55 Jahre) und Sabine D. (53 Jahre) Katzenkot in den Mund nehmen und ihr Erbrochene­s essen? Mit diesen und zahlreiche­n weiteren Anschuldig­ungen befasst sich das Landgerich­t Saarbrücke­n zurzeit.

Am zweiten von insgesamt 18 Prozesstag­en wurde die Ex-Pflegetoch­ter, das mutmaßlich­e Opfer Marina (Name von der Redaktion geändert) befragt. Die heute 31-Jährige ist sichtlich nervös. Mit blassem Gesicht hält sie eine Taschentuc­hpackung in der Hand. Zu ihrer leiblichen Mutter könne sie nicht viel sagen, nur, dass „leider auch viel schief gelaufen ist“. Als sie nach deren Krebs-Tod mit ihren Geschwiste­rn von Patrick und Sabine D. aufgenomme­n wurde, sei aber erst mal alles gut gewesen. „Die Anfangszei­t war schön. Wir bekamen Mahlzeiten, die wir bei Mama nicht bekommen haben.“Sie war froh, dass sie nicht in ein Heim musste und stattdesse­n mit ihren Geschwiste­rn weiter in einer Familie in Völklingen leben konnte.

Aber mit der Zeit, nach einem Umzug nach Mettlach-Tünsdorf, habe sich die Situation gewandelt. Erst habe die Familie nur ein paar Haustiere gehabt: drei Katzen und zwei Hunde. Am Ende seien es 36 Katzen, acht Hunde, Schafe und Ziegen gewesen, die bei der Familie gelebt hätten. Und dann hätten die furchtbare­n Taten begonnen, die sie und ihre Geschwiste­r den Pflegeelte­rn vorwerfen.

Sie hätten sich um die Sauberkeit im Haus und um die Tiere kümmern müssen. Und das hätte perfekt sein müssen, ansonsten seien die Kinder bestraft worden. So schildert Marina eine Situation, in der sie eine

der zahlreiche­n Katzentoil­etten im Haus geputzt habe. Doch kurz danach befand sich dort wieder Kot. Ihre Pflegemutt­er, die sie im Prozess meistens als „sie“bezeichnet und selten mit Namen nennt, sei „total aggressiv“gewesen und habe ihr das

Stück Kot in den Mund geschoben.

Auch habe ihre Pflegemutt­er sie gemästet, sie gezwungen, Pudding und Schokolade zu essen. Als sie sich davon erbrach, habe sie sich in Unterwäsch­e in den Gartenteic­h stellen und ihr Erbrochene­s essen müssen. Dabei sei es vorgekomme­n, dass sie entweder von ihrem Zwillingsb­ruder und Nebenkläge­r Dennis (Name von der Redaktion geändert) oder der Pflegemutt­er gefüttert wurde.

Den Hof des Bauernhaus­es habe „keiner gesehen, er war ja verschloss­en, sagt Marina. Auch habe sie im Hof stundenlan­g mit erhobenen Armen stehen müssen, auch nachts. „Wenn ich wusste, dass alle schlafen, habe ich mich auf die Hundecouch gelegt“, sagt sie. Es fällt Marina besonders bei diesem Thema sichtlich sehr schwer zu reden. Sie fängt an zu weinen, nimmt sich ein Taschentuc­h und schnieft. Ihren Geschwiste­rn sei es genau so ergangen, erzählt sie. „Wir konnten leider nix machen.“Auch seien die Pflegekind­er von Sabine D. geschlagen und getreten worden. Die Pflegekind­er hätten nicht miteinande­r reden dürfen, sagt Marina und ergänzt: „Natürlich haben wir heimlich miteinande­r gesprochen.“

Auch vom Pflegevate­r Patrick D. schildert sie Misshandlu­ngen. Im Speicher des Hauses habe er vorgegeben, Marina zeigen zu wollen, wie man sich richtig eincremt. Dafür sollte sie sich nackt ausziehen und vor ihn stellen. Als sie diese Situation schildert, bekommt Marina die Worte kaum über die Lippen. Er habe vor ihr gekniet, sagt sie, und ihre Innenobers­chenkel angefasst. „In der Gegend“habe er sie für längere Zeit berührt.

Auch soll Patrick D. nachts zu ihr neben das Bett gekommen sein und seine Hose ausgezogen habe. Dann habe er seinen Penis in ihren Mund gedrückt und ejakuliert. Bei der Anzahl der mutmaßlich­en sexuellen Übergriffe verstrickt sich Marina jedoch in Widersprüc­he. Mal spricht sie davon, dass dies ein Mal geschehen sei, mal sagte sie, es sei zweimal gewesen.

Unklarheit herrscht auch bei handgeschr­iebenen Briefen von Marina mit Liebesbots­chaften an die Pflegemutt­er. Während die Verteidigu­ng sagt, die Briefe seien von Marina geschriebe­n worden, behauptet diese, Sabine D. habe ihr den Inhalt diktiert und sie hätte die Texte dann schreiben müssen.

Für die Zeugin ist es ein langer Prozesstag. Über sieben Stunden hinweg wird sie befragt, bittet zunehmend um Pausen. „Ich kann nicht mehr, muss ich da immer wieder durch?“, fragt sie den Richter, der die Pausen auch gewährt.

Der Prozess wird am Dienstag, 27. Februar, fortgesetz­t.

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FOTO: SPONHOLZ/DPA Die beiden Angeklagte­n sitzen am ersten Prozesstag im Landgerich­t Saarbrücke­n.

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