Mutmaßliches Opfer berichtet von schweren Übergriffen
Im Prozess um mutmaßlichen Missbrauch in Mettlach-Tünsdorf hat ein ehemaliges Pflegekind die früheren Pflegeeltern belastet.
Mussten die Pflegekinder von Patrick (55 Jahre) und Sabine D. (53 Jahre) Katzenkot in den Mund nehmen und ihr Erbrochenes essen? Mit diesen und zahlreichen weiteren Anschuldigungen befasst sich das Landgericht Saarbrücken zurzeit.
Am zweiten von insgesamt 18 Prozesstagen wurde die Ex-Pflegetochter, das mutmaßliche Opfer Marina (Name von der Redaktion geändert) befragt. Die heute 31-Jährige ist sichtlich nervös. Mit blassem Gesicht hält sie eine Taschentuchpackung in der Hand. Zu ihrer leiblichen Mutter könne sie nicht viel sagen, nur, dass „leider auch viel schief gelaufen ist“. Als sie nach deren Krebs-Tod mit ihren Geschwistern von Patrick und Sabine D. aufgenommen wurde, sei aber erst mal alles gut gewesen. „Die Anfangszeit war schön. Wir bekamen Mahlzeiten, die wir bei Mama nicht bekommen haben.“Sie war froh, dass sie nicht in ein Heim musste und stattdessen mit ihren Geschwistern weiter in einer Familie in Völklingen leben konnte.
Aber mit der Zeit, nach einem Umzug nach Mettlach-Tünsdorf, habe sich die Situation gewandelt. Erst habe die Familie nur ein paar Haustiere gehabt: drei Katzen und zwei Hunde. Am Ende seien es 36 Katzen, acht Hunde, Schafe und Ziegen gewesen, die bei der Familie gelebt hätten. Und dann hätten die furchtbaren Taten begonnen, die sie und ihre Geschwister den Pflegeeltern vorwerfen.
Sie hätten sich um die Sauberkeit im Haus und um die Tiere kümmern müssen. Und das hätte perfekt sein müssen, ansonsten seien die Kinder bestraft worden. So schildert Marina eine Situation, in der sie eine
der zahlreichen Katzentoiletten im Haus geputzt habe. Doch kurz danach befand sich dort wieder Kot. Ihre Pflegemutter, die sie im Prozess meistens als „sie“bezeichnet und selten mit Namen nennt, sei „total aggressiv“gewesen und habe ihr das
Stück Kot in den Mund geschoben.
Auch habe ihre Pflegemutter sie gemästet, sie gezwungen, Pudding und Schokolade zu essen. Als sie sich davon erbrach, habe sie sich in Unterwäsche in den Gartenteich stellen und ihr Erbrochenes essen müssen. Dabei sei es vorgekommen, dass sie entweder von ihrem Zwillingsbruder und Nebenkläger Dennis (Name von der Redaktion geändert) oder der Pflegemutter gefüttert wurde.
Den Hof des Bauernhauses habe „keiner gesehen, er war ja verschlossen, sagt Marina. Auch habe sie im Hof stundenlang mit erhobenen Armen stehen müssen, auch nachts. „Wenn ich wusste, dass alle schlafen, habe ich mich auf die Hundecouch gelegt“, sagt sie. Es fällt Marina besonders bei diesem Thema sichtlich sehr schwer zu reden. Sie fängt an zu weinen, nimmt sich ein Taschentuch und schnieft. Ihren Geschwistern sei es genau so ergangen, erzählt sie. „Wir konnten leider nix machen.“Auch seien die Pflegekinder von Sabine D. geschlagen und getreten worden. Die Pflegekinder hätten nicht miteinander reden dürfen, sagt Marina und ergänzt: „Natürlich haben wir heimlich miteinander gesprochen.“
Auch vom Pflegevater Patrick D. schildert sie Misshandlungen. Im Speicher des Hauses habe er vorgegeben, Marina zeigen zu wollen, wie man sich richtig eincremt. Dafür sollte sie sich nackt ausziehen und vor ihn stellen. Als sie diese Situation schildert, bekommt Marina die Worte kaum über die Lippen. Er habe vor ihr gekniet, sagt sie, und ihre Innenoberschenkel angefasst. „In der Gegend“habe er sie für längere Zeit berührt.
Auch soll Patrick D. nachts zu ihr neben das Bett gekommen sein und seine Hose ausgezogen habe. Dann habe er seinen Penis in ihren Mund gedrückt und ejakuliert. Bei der Anzahl der mutmaßlichen sexuellen Übergriffe verstrickt sich Marina jedoch in Widersprüche. Mal spricht sie davon, dass dies ein Mal geschehen sei, mal sagte sie, es sei zweimal gewesen.
Unklarheit herrscht auch bei handgeschriebenen Briefen von Marina mit Liebesbotschaften an die Pflegemutter. Während die Verteidigung sagt, die Briefe seien von Marina geschrieben worden, behauptet diese, Sabine D. habe ihr den Inhalt diktiert und sie hätte die Texte dann schreiben müssen.
Für die Zeugin ist es ein langer Prozesstag. Über sieben Stunden hinweg wird sie befragt, bittet zunehmend um Pausen. „Ich kann nicht mehr, muss ich da immer wieder durch?“, fragt sie den Richter, der die Pausen auch gewährt.
Der Prozess wird am Dienstag, 27. Februar, fortgesetzt.