Steigende Nachfrage, aber kein Sterbetourismus
Im Großherzogtum steigt die Zahl der Menschen, die selbstbestimmt ihrem Leben ein Ende setzen wollen. 34 Mal ist 2022 die Tötung auf Verlangen erfolgt.
Als drittes Land weltweit hat Luxemburg vor 15 Jahren aktive Sterbehilfe straffrei gestellt und im Gesetz zur Euthanasie und zur Beihilfe zum Suizid festgeschrieben. Ein Projekt, das das kleine Land in eine Krise stürzte, im Parlament nur knapp durchkam und zur Verfassungsänderung führte. Denn das Staatsoberhaupt, Großherzog Henri, wollte damals aus Gewissensgründen das neue Gesetz nicht unterschreiben. Doch der von vielen in Gesellschaft, Kirche und Politik gefürchtete Missbrauch ist ausgeblieben, einen „Sterbetourismus“wie in die
Schweiz gibt es in Luxemburg nicht: von fünf Fällen in den ersten beiden Jahren bis zuletzt 34 Menschen im Jahr 2022, die auf Verlangen getötet wurden. Die meisten leiden an unheilbarem Krebs oder neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson.
„Wir sehen ein größeres Bewusstsein für die Existenz des Euthanasie-Gesetzes in der Bevölkerung“, sagt Jean-Jacques Schonckert, Präsident der Luxemburger Vereinigung „Mäi Wëlle, Mäi Wee“(Mein Wille, mein Weg, Vereinigung für das Recht auf Sterben in Würde). Der 1000 Mitglieder starke Verein unterstützt mit fünf Hauptamtlichen Sterbewillige auf dem administrativen Weg durch den oft Jahre dauernden Sterbeprozess, sie gehen auf Wunsch mit zum Arzt, halten Kontakt zu den Familien. Bis Oktober 2023 gab es rund 1300 Anfragen bei dem Verein. Ein Anstieg um rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Viele Ärzte, aber auch das Pflegepersonal wissen über das Gesetz zur Euthanasie noch nicht Bescheid. Wir klären auf, beraten und bilden auch aus. Es ist wichtig, wie man auf die Welt kommt. Aber auch, wie man wieder von dieser geht. Und so geht es auch darum, als Mensch entscheiden zu dürfen und ernst genommen zu werden.“
So sei die Akzeptanz der Sterbehilfe in der Öffentlichkeit in der Zwischenzeit gestiegen. 85 Prozent der Luxemburger befürworten die aktive Sterbehilfe, aber nur ein Drittel fühlt sich ausreichend informiert. „Dahinter steckt oft der Wunsch, in Würde zu sterben“, sagt er und verweist auf das verbriefte Recht, um aktive Sterbehilfe zu bitten. Gewährt werden muss sie jedoch nicht. Dabei hat Luxemburg ganz klar geregelt, wer wie zum festgelegten Termin sterben darf: Es bedarf einer unheilbaren Krankheit und dem Leidensdruck. Dies muss ein Arzt diagnostizieren. Ein weiterer muss die Diagnose bestätigen, ehe es zum assistierten Suizid oder der Injektion durch den Arzt kommt. Und die Entscheidung muss mehrfach freiwillig und ohne Druck von außen geäußert werden. Die Nationalität spielt keine Rolle, auch Grenzgänger melden sich laut Schonckert in jüngster Zeit häufiger in der Beratung: „Sofern Sie eine Bestimmung über ihr Lebensende beim Gesundheitsministerium hinterlegt haben und einen behandelnden Arzt in Luxemburg haben, ist das möglich.“
Allerdings gibt es keine offizielle Ärzteliste zur aktiven Sterbehilfe. Das Vertrauensverhältnis zum Patienten soll darüber entscheiden.
In Deutschland gab es zuletzt im Sommer zwei neue Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid. Aktive Sterbehilfe wie in Luxemburg ist verboten. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Februar 2020 entschieden, dass Sterbehilfe in Deutschland neu geregelt werden muss, um das gesetzlich verankerte Recht auf selbstbestimmtes Sterben festzulegen.
In Luxemburg ist man diesbezüglich klarer aufgestellt, Angehörige erhalten sogar Sonderurlaub zur Sterbebegleitung. Die aktive Sterbehilfe ist zudem als natürliche Todesursache deklariert, was auch gegenüber Versicherungen und Erbschaften für Klarheit sorgt. Aber Schonkert bedauert, dass es in Luxemburg zu wenige Ärzte gibt, die die Tötung auf Verlangen durchführen – nicht als Ersatz zur Palliativmedizin, sondern ergänzend.