Sulzbach-Umfrage: Heimatstolz und harte Worte
Die SZ fragte Bewohner auf dem Ravanusa-Platz, ob sie gern in ihrer Stadt wohnen. Leerstände und Busverbindungen nerven.
Rund 16 300 Menschen leben in den sechs Stadtteilen von Sulzbach. Seit Langem ist die einst prägende Kohleförderung passé. Auf dem ehemaligen Kohlesturzplatz der Grube Mellin wird Solarenergie gewonnen. Die Stadt hat sich weiterentwickelt. Wie beurteilen die Bürger ihre Kommune? Theresia Detemple ist stolz auf ihre Heimat: „Ich wohne seit 50 Jahren in Hühnerfeld und würde nie wegziehen. Die Größe, der Zusammenhalt – das gefällt mir alles sehr gut.“Die Dorfgemeinschaft liegt auch Monika Heckmann aus Altenwald am Herzen. „Seit 60 Jahren lebe ich schon hier. Und gern. Zum Einkaufen fahre ich aber nach St. Ingbert oder Dudweiler, nicht nach Sulzbach.“Das liege an den vielen Leerständen in der Stadt. Im Stadtkern trinke sie aber gern in der Eisdiele einen Kaffee und erledige Arztbesuche.
„Die hervorragende Gesundheitsversorgung ist gewährleistet durch die Knappschaftsklinik und viele niedergelassene Ärzte, Fachärzte, Apotheken, Therapeuten und Pfle
geeinrichtungen, die ortsnah und gut erreichbar sind“, lobt Bürgermeister Michael Adam (CDU) das medizinische Angebot. Er ist seit 2010 im Amt. „Ich lebe seit meinem dritten Lebensjahr in Sulzbach und fühle mich hier tief verwurzelt. Es ist eine Stadt mit großem sozialen, ökonomischen und ökologischen Potenzial. Was ich persönlich besonders schätze, ist das große Engagement, das die Menschen hier mit viel Herzblut zeigen“, sagt Adam. In der Kommune sind 128 Vereine und Gruppierungen aktiv. Unter den
Menschen am Ravanusa-Platz findet sich aber auch deutliche Kritik. „Ich bin wirklich froh, dass ich nur in Sulzbach arbeite und hier weggezogen bin“, sagt eine Frau, die anonym bleiben will. „Die Kernstadt ist quasi tot. Sie kriegen hier nicht mal einen Becher Milch, es gibt keine Geschäfte für den täglichen Bedarf mehr. Es ist nicht mehr das Sulzbach, das es mal war.“Ihre Kollegin nickt.
Sie schaut ungeduldig auf die Uhr, ehe sie sich eine Zigarette ansteckt. „Als Frau traut man sich hier nach 17 Uhr nicht mehr auf die Straße.
Hier gibt es mittlerweile mehrere Bordelle. Ab 10 Uhr räkeln sich leicht bekleidete Frauen in der Hauptstraße am Fenster“, behauptet sie und schnippt ihre Kippe nachdenklich in den Ascher. „Die Leerstände sind auch schrecklich, kein Lebensmittelgeschäft, nichts mehr. Es gibt nur noch diese Automaten: Red Bull und Cannabis bekommen Sie in Sulzbach immer, aber nach 15 Uhr nicht mal ein Weckchen.“Die Leerstände bemängeln auch Monika Fischer und Winfried Steffens aus Neuweiler: „Wir sind zugezogen aus Rohrbach. Dort war die ganze Infrastruktur vorhanden, hier ist man auf das Auto angewiesen. Es gibt kaum Geschäfte, daher fahren wir meistens nach St. Ingbert.
„Ich lebe gerne in Neuweiler“, sagt Hans-Jürgen Kleinbauer. „Wir haben dort ein Haus und die Gemeinschaft unter den Leuten ist wirklich toll.“Das findet auch Juliane Müller (Name von der Redaktion geändert). Ihren richtigen Namen will sie wegen einer beruflichen Veränderung nicht nennen. „Ich wohne seit vier Jahren in Neuweiler. Für mich ist es dort total angenehm, es passt einfach, auch mit den Menschen. Toll ist auch, wie innenstadtnah und ländlich man hier wohnt. Die Verkehrsanbindung ist allerdings extrem schlecht, was das Wohnen gerade auch für junge Menschen sehr unattraktiv macht“, erzählt sie.
Man sei zwar in 13 bis 14 Minuten mit dem Auto in der Innenstadt, gerade aber spätabends sei es nicht möglich, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bis nach Neuweiler zu kommen. Die erwachsenen Kinder müsse man daher am Sulzbacher Bahnhof oder in Saarbrücken mit dem Auto abholen. „Ich bin aber bereit, das zu tun, um so schön wohnen zu können“, sagt Müller. Dafür sei das Auto für sie allerdings unverzichtbar. „Mir fehlt auch die Nahversorgung. In Neuweiler haben wir nur eine Tankstelle, und auch in Sulzbach stehen extrem viele Geschäfte in der Kernstadt leer“, moniert Müller. „Das ist allerdings ein Kompromiss, den man eben eingehen muss.“