Ovtcharovs WM – von Diebstahl bis Kopfkino
An diesem Mittwoch will das deutsche Team bei der Tischtennis-WM die Olympia- Quali perfekt machen.
(dpa) Seinen Humor hat Dimitrij Ovtcharov noch nicht verloren. „Bei so viel Pech“, sagte der deutsche Tischtennis-Star bei der Team-Weltmeisterschaft in Südkorea, „können wir eigentlich nur noch Weltmeister werden. Oder Olympiasieger.“Oder beides.
Mit so viel Pech meinte die frühere Nummer eins der Weltrangliste die Folgen einer turbulenten WM-Vorbereitung, wie selbst er sie mit seinen 35 Jahren noch nicht erlebt hat. Ovtcharov wurden im Zug auf dem Weg zum Flughafen seine Tischtennis-Schläger, Geld, Laptop und Reisepass gestohlen. Während er aber wenigstens mit einem Tag Verspätung noch nach Busan nachreisen konnte, blieb sein Freund und Teamkollege Timo Boll ganz zu Hause. Den bekanntesten deutschen Spieler erwischte mitten im Formhoch eine Entzündung im Auge.
Rein von den Ergebnissen her betrachtet, hat die deutsche Mannschaft das bislang gut weggesteckt bei diesem Turnier. Die amtierenden WM-, EM- und Olympia-Zweiten gewannen alle vier VorrundenSpiele und freuen sich nun darauf, an diesem Mittwoch mit einem Sieg im ersten K.o.-Runden-Spiel gegen Singapur oder den Iran (spielen am Mittwochmorgen gegeneinander) das WM-Viertelfinale und damit auch die Qualifikation für den Team-Wettbewerb der Olympischen Spiele in Paris erreichen zu können.
Aber Ovtcharov sagte in Busan auch sehr deutlich, dass er „noch viel mit der Situation beschäftigt ist, die mir vor dem Turnier widerfahren ist“. Ein Nicht-Profisportler kann sich nur schwer vorstellen, was es für einen Weltklasse-Tischtennisspieler bedeutet, zwei Tage vor einem wichtigen Turnier den Schläger wechseln zu müssen. Vergleichbar ist das vielleicht mit einem Fußballspieler, dessen Schuhe nicht richtig passen: Aufs Tor schießen geht noch. Aber Gefühl und Vertrauen sind erst einmal weg.
Er habe seit dem Beginn der WM permanent am Griff seiner Ersatzschläger herumgeschliffen, „damit der sich wieder so anfühlt, wie es soll“, sagte Ovtcharov: „Zu seinem Holz hat man eine besondere Beziehung.“Beim 3:2 gegen Kasachstan hatte diese gelitten. Er verlor gegen den Bundesliga-Profi Kirill Gerassimenko von Werder Bremen und sagte hinterher: „Ich war im Kopf sehr schnell sehr negativ. Wenn man mal zwei Bälle nicht trifft, dann läuft ein bisschen Kopfkino. Und man fängt an, noch schlechter zu spielen.“
Dennoch ist Ovtcharovs bisherige WM-Bilanz mit vier Siegen in fünf Matches ordentlich. Dazu besteht die deutsche WM-Mannschaft auch ohne Rekord-Europameister Boll noch immer aus dem akutellen Einzel-Europameister Dang Qiu (Borussia Düsseldorf ), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken), Benedikt Duda ( TTC Schwalbe Bergneustadt) und eben Ovtcharov. „Mit einer Truppe, die um so viele Medaillen und große Ziele gespielt hat, ist es klar, dass wir bei dieser WM eine Medaille holen wollen“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf.
Die Frage ist nur, ob das auch reicht, um eine der größten Herausforderungen zu meistern, die es im Weltsport gibt: die Tischtennis-Übermacht China zu schlagen. Sechs WM- und zwei Olympia-Finals verloren die Deutschen allein seit dem Jahr 2000 gegen diesen Gegner. Und die fünf Spieler, die die Chinesen bei dieser WM in ihrer Mannschaft haben, stehen in der Weltrangliste auf den Plätzen eins bis fünf. Um die zu besiegen, muss alles passen. Wirklich alles.
Nicht wie 2018, als Ovtcharov angeschlagen war. Oder 2022, als er, Franziska und Boll alle auf einmal fehlten. So gesehen steht die WM 2024 bereits jetzt wieder in der Tradition ihrer vorangegangenen Turniere. Aber Ovtcharov sagte auch: „Die Chinesen haben ein Wahnsinns-Team. Es wird nicht leichter. Aber natürlich träumen wir davon, es einmal zu packen. Mit diesem Glauben lebe ich seit Jahren. Und wenn wir wieder im Finale stehen sollten, dann werden wir uns den Arsch aufreißen.“