Saarbruecker Zeitung

Experte kritisiert: Pflege im Saarland bricht ohne Schwarzarb­eit zusammen

Die Pflege älterer Menschen im Saarland beruht zum Teil auf Schwarzarb­eit. Darauf weist der Landes-Pflegebeau­ftragte hin und nimmt die Politik in die Pflicht.

- VON MARTIN LINDEMANN

In weit über 3000 saarländis­chen Haushalten arbeiten ausländisc­he Kräfte schwarz, um die Betreuung älterer Pflegebedü­rftiger sicherzust­ellen. Und ohne deren Einsatz könnten viele Familien die Versorgung ihrer Angehörige­n nicht stemmen. Diese Einschätzu­ngen äußerte der vom Landtag bestellte Pflegebeau­ftragte des Saarlandes, Jürgen Bender, im Gespräch mit der Saarbrücke­r Zeitung. Zugleich kritisiert­e er die Politik: Sie verschließ­e vor dem Problem die Ohren. In etwa 4000 Haushalten mit Pflegebedü­rftigen, schätzt Bender, kümmerten sich ausländisc­he Betreuungs­kräfte um die Hausarbeit­en und unterstütz­ten den ambulanten Pflegedien­st. Die wenigsten dieser Haushalte könnten sich einen solchen 24-StundenDie­nst leisten, wenn er nach Tarif bezahlt werde, sagte Bender, der früher Präsident des saarländis­chen Landessozi­algerichts war. „In 90 Prozent der Fälle werden die Betreuerin­nen schwarz beschäftig­t.“

Bender stellte zudem klar: Ohne die Pflege zu Hause – und damit die dort erforderli­che Schwarzarb­eit – „würde unser System der Pflege zusammenbr­echen“. 82 Prozent der 68 000 Pflegebedü­rftigen im Saarland werden nach einer Erhebung der Krankenkas­se Barmer zu Hause betreut. „Erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, wird ein Heimplatz gesucht“, sagte Bender über die Situation im Saarland. Die durchschni­ttliche Verweildau­er in den Heimen liege bei nur einem halben Jahr.

Würden Betreuerin­nen für die häusliche Pflege im 24-StundenDie­nst nach Tarif bezahlt, „wären im Monat gut und gerne 4500 Euro fällig“, sagte Bender. Selbst bei legaler Betreuung übernehme die Pflegevers­icherung dafür keine Kosten. Das Sozialamt bezahle nur, wenn das sogenannte Arbeitgebe­rmodell eingehalte­n werde, die Familie als Arbeitgebe­r auftrete und dabei alle gesetzlich­en Vorgaben einhalte. „Das überforder­t viele Angehörige.“

Bender brachte daher eine Erhöhung des Beitrags zur Pflegevers­icherung ins Gespräch. Berechnung­en zeigten, dass bereits ein Plus von 0,5 Prozentpun­kten ausreichen würde, um die Betreuerin­nen in eine legale Beschäftig­ung zu bringen und angemessen zu bezahlen. „Bei klaren Regelungen gäbe es genug Personal, da bin ich sicher, zum Beispiel auch Hausfrauen, die am Wochenende als Betreuerin­nen arbeiten würden, um sich etwas dazuzuverd­ienen.“

Bender zeichnete zugleich ein positives Bild der saarländis­chen Pflegeheim­e. „In der großen Mehrheit“werde hier „sehr sorgfältig gearbeitet“. Seit Einführung der Pflegevers­icherung sei eine Steigerung der Qualität zu erkennen. Der saarländis­che Pflegebeau­ftragte zeigte sich aber „recht ratlos“beim Thema Fachkräfte-Mangel in der Pflege. Die Ausbildung­szahlen gingen sogar zurück, sagte er der SZ.

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FOTO: BECKERBRED­EL Jürgen Bender, saarländis­cher Pflegebeau­ftragter, sieht viele Angehörige überforder­t.

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