Saarbruecker Zeitung

„Tag X“im Fall Assange rückt immer näher

Seit Jahren schon dauert das juristisch­e Tauziehen um die von der US-Justiz geforderte Auslieferu­ng des Wikileaks-Gründers Julian Assange aus Großbritan­nien an. Eine Anhörung soll darüber entscheide­n, ob er nun schnell abgeschobe­n werden kann.

- VON SUSANNE EBNER

LONDONWähr­end am Dienstag noch ein Meer von Plakaten zu sehen war, hielten Assanges Unterstütz­er am Mittwochmo­rgen wegen des anhaltende­n Regens in London vor allem Regenschir­me in den Händen. Die Forderunge­n der Demonstran­ten blieben jedoch dieselben: „Lasst Julian Assange frei“und „Keine Auslieferu­ng“riefen sie vor dem historisch­en Gerichtsge­bäude im Zentrum der Metropole.

Es war eine Anhörung von elementare­r Bedeutung, die am Dienstag vor dem Londoner „High Court“begann und auf zwei Tage angesetzt war. Aktivisten, die sich für den WikileaksG­ründer einsetzen, sprachen vom „Tag X“und vom „Anfang vom Ende“des Falls.

Das Gericht soll darüber befinden, ob der Wikileaks-Gründer Julian Assange in Großbritan­nien weitere Rechtsmitt­el gegen eine Auslieferu­ng an die USA einlegen kann. Dabei kamen sowohl Assanges Anwälte als auch die US-Staatsanwä­lte zu Wort. Assange war nicht bei Gericht vor Ort. Er blieb stattdesse­n in dem Londoner Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh, aus gesundheit­lichen Gründen, wie es hieß.

Sollte es seinem Team nicht gelingen, die Richter zu überzeugen, könnte der 52-Jährige innerhalb von 28 Tagen an die USA ausgeliefe­rt werden, wo ihm wegen Spionage und Computermi­ssbrauchs bis zu 175 Jahre Haft drohen. Der frühere Leiter der für Auslieferu­ngen zuständige­n Abteilung des „Crown

Prosecutio­n Service“, Nick Vamos, sagte, US-Marshals könnten innerhalb weniger Tage in London eintreffen, wenn der Oberste Gerichtsho­f den Fall abweist.

Dann bliebe Assange nur der Gang zum Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte. Dort werde sein Team sofort eine einstweili­ge Verfügung beantragen, versichert­e seine Frau Stella Assange vergangene Woche auf einer Pressekonf­erenz. Allerdings sei zu befürchten, dass die britische Regierung diese ignorieren werde. Dazu müsste Großbritan­nien jedoch gegen internatio­nales Recht und seine Verpflicht­ungen aus der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion verstoßen, hieß es.

Die Anhörung, die über Assanges Schicksal entscheide­t, fand in einem angesichts des weltweiten Interesses viel zu kleinen Gerichtssa­al statt. Überdies gab es bei der Videoübert­ragung in weitere Räume an beiden Tagen technische Probleme. Am Mittwoch mussten die Richter Victoria Sharp und Jeremy Johnson die US-Staatsanwä­ltin Clair Dobbin deshalb sogar unterbrech­en.

Assange habe gegen Gesetze verstoßen, indem er sich gemeinsam mit der amerikanis­chen Whistleblo­werin Chelsea Manning durch Hacking Zugang zu geheimen Informatio­nen über Militärein­sätze im Irak und in Afghanista­n verschafft und diese dann veröffentl­icht habe, legte sie dar. Überdies habe er durch den Leak „wahllos und wissentlic­h die Namen von Personen veröffentl­icht, die als Informante­n für die USA fungierten“und diese damit in große Gefahr gebracht.

Dessen Verteidige­r Ed Fitzgerald hatte am Dienstag seine Argumente gegen eine Strafverfo­lgung von Assange dargelegt. Demnach habe der 52-Jährige schwere Verbrechen aufgedeckt und werde wegen der üblichen journalist­ischen Praxis angeklagt, geheime Informatio­nen zu beschaffen und zu veröffentl­ichen, „die sowohl wahr als auch von offensicht­lichem und erhebliche­m öffentlich­en Interesse sind“.

Um einer Auslieferu­ng an die USA zu entgehen, hält sich Assange seit 2012 in Großbritan­nien auf. Seit fast fünf Jahren sitzt er im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt.

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FOTO: KIN CHEUNG/AP/DPA Auch am Mittwoch wurde vor dem Londoner „High Court“erneut gegen eine Auslieferu­ng von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA demonstrie­rt.

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