„Tag X“im Fall Assange rückt immer näher
Seit Jahren schon dauert das juristische Tauziehen um die von der US-Justiz geforderte Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange aus Großbritannien an. Eine Anhörung soll darüber entscheiden, ob er nun schnell abgeschoben werden kann.
LONDONWährend am Dienstag noch ein Meer von Plakaten zu sehen war, hielten Assanges Unterstützer am Mittwochmorgen wegen des anhaltenden Regens in London vor allem Regenschirme in den Händen. Die Forderungen der Demonstranten blieben jedoch dieselben: „Lasst Julian Assange frei“und „Keine Auslieferung“riefen sie vor dem historischen Gerichtsgebäude im Zentrum der Metropole.
Es war eine Anhörung von elementarer Bedeutung, die am Dienstag vor dem Londoner „High Court“begann und auf zwei Tage angesetzt war. Aktivisten, die sich für den WikileaksGründer einsetzen, sprachen vom „Tag X“und vom „Anfang vom Ende“des Falls.
Das Gericht soll darüber befinden, ob der Wikileaks-Gründer Julian Assange in Großbritannien weitere Rechtsmittel gegen eine Auslieferung an die USA einlegen kann. Dabei kamen sowohl Assanges Anwälte als auch die US-Staatsanwälte zu Wort. Assange war nicht bei Gericht vor Ort. Er blieb stattdessen in dem Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß.
Sollte es seinem Team nicht gelingen, die Richter zu überzeugen, könnte der 52-Jährige innerhalb von 28 Tagen an die USA ausgeliefert werden, wo ihm wegen Spionage und Computermissbrauchs bis zu 175 Jahre Haft drohen. Der frühere Leiter der für Auslieferungen zuständigen Abteilung des „Crown
Prosecution Service“, Nick Vamos, sagte, US-Marshals könnten innerhalb weniger Tage in London eintreffen, wenn der Oberste Gerichtshof den Fall abweist.
Dann bliebe Assange nur der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort werde sein Team sofort eine einstweilige Verfügung beantragen, versicherte seine Frau Stella Assange vergangene Woche auf einer Pressekonferenz. Allerdings sei zu befürchten, dass die britische Regierung diese ignorieren werde. Dazu müsste Großbritannien jedoch gegen internationales Recht und seine Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, hieß es.
Die Anhörung, die über Assanges Schicksal entscheidet, fand in einem angesichts des weltweiten Interesses viel zu kleinen Gerichtssaal statt. Überdies gab es bei der Videoübertragung in weitere Räume an beiden Tagen technische Probleme. Am Mittwoch mussten die Richter Victoria Sharp und Jeremy Johnson die US-Staatsanwältin Clair Dobbin deshalb sogar unterbrechen.
Assange habe gegen Gesetze verstoßen, indem er sich gemeinsam mit der amerikanischen Whistleblowerin Chelsea Manning durch Hacking Zugang zu geheimen Informationen über Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan verschafft und diese dann veröffentlicht habe, legte sie dar. Überdies habe er durch den Leak „wahllos und wissentlich die Namen von Personen veröffentlicht, die als Informanten für die USA fungierten“und diese damit in große Gefahr gebracht.
Dessen Verteidiger Ed Fitzgerald hatte am Dienstag seine Argumente gegen eine Strafverfolgung von Assange dargelegt. Demnach habe der 52-Jährige schwere Verbrechen aufgedeckt und werde wegen der üblichen journalistischen Praxis angeklagt, geheime Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen, „die sowohl wahr als auch von offensichtlichem und erheblichem öffentlichen Interesse sind“.
Um einer Auslieferung an die USA zu entgehen, hält sich Assange seit 2012 in Großbritannien auf. Seit fast fünf Jahren sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt.