Saarbruecker Zeitung

„Das Geld könnte man viel besser einsetzen“

Wolfspeed und die Stahlbranc­he im Saarland erhalten hohe Subvention­en. Die Stiftung Marktwirts­chaft sieht die Förderung kritisch.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

SAARBRÜCKE­N/ENSDORF Die „Stiftung Marktwirts­chaft“ist eine ordnungspo­litisch und marktliber­al orientiert­e Denkfabrik in Berlin, die den überwiegen­d kreditfina­nzierten Transforma­tionsfonds der SPD-Landesregi­erung von Beginn an äußerst kritisch sah. Sprecher des wissenscha­ftlichen Beirats der Stiftung (Kronberger Kreis) ist der Saarländer und Freiburger Ökonom Professor Lars Feld.

Die Stiftung arbeitet nach eigener Darstellun­g „unbeeinflu­sst von organisier­ten Gruppenint­eressen auf der Basis der wirtschaft­lichen Vernunft“. Ihr Vorstand Professor Michael Eilfort erklärt im SZ-Interview, warum er hohe Subvention­en, wie sie im Fall Wolfspeed (mindestens 500Million­en Euro) und bei der Saar-Stahlindus­trie (2,6 Milliarden Euro) geplant sind, äußerst skeptisch sieht.

Herr Professor Eilfort, sind Subvention­en für Unternehme­nsansiedlu­ngen generell Teufelszeu­g? EILFORT Das würde ich nicht sagen. Ich kann auch nicht ausschließ­en, dass das konkrete Beispiel Wolfspeed am Ende funktionie­rt. In der Mehrheit dieser Fälle aber gibt es zu Beginn große Versprechu­ngen und ein hübsches Strohfeuer, aber langfristi­g bleibt relativ wenig Gutes. Der Staat weiß eben nicht besser, worin Zukunft liegt. Und der Markt ist ein geeigneter­es und kostengüns­tigeres Entdeckung­sverfahren. Pro Arbeitspla­tz eine Million Euro oder noch mehr – damit das über Steuern und Sozialbeit­räge wieder hereinkomm­t, müsste dort jeder viele Jahrzehnte arbeiten.

Das Saarland steckt tief im Strukturwa­ndel und hat durch die Ansiedlung die Chance, Arbeitsplä­tze

zu sichern und sich neue Branchen wie Elektromob­ilität und grüne Energiewir­tschaft zu erschließe­n. Die IHK sagt, die hohe gesamtwirt­schaftlich­e Rendite in Form von Steuern, Arbeitsplä­tzen, Kaufkraft und Image rechtferti­ge die hohe Subvention.

EILFORT Die gesamtwirt­schaftlich­e Rendite-Rechnung ist eine Wunschkalk­ulation. Es mag sein, dass das Projekt im Saarland bei der Bewältigun­g des Strukturwa­ndels und lokal hilft. Aber die Argumente „Klimaschut­z“, „Transforma­tion“und „neue Technologi­en“sind auch bei Solarworld erklungen, ebenso bei Q-Cells, bei Conergy oder einst bei Nokia in Bochum. Die Unternehme­n setzten auf sichere Subvention­srendite, zusammen über 500 Millionen Euro Steuergeld­er in den Sand und waren dann schnell weg, als ohne Staatsknet­e echte Rendite ausblieb. In der überwiegen­den Zahl der Fälle sind solche Subvention­en kurzfristi­g aparte Spiegelstr­iche in „Wir-habenerrei­cht“-Politikerr­eden. Das Geld könnte man viel besser einsetzen.

Wie?

EILFORT Unsere Wirtschaft in Deutschlan­d hat im internatio­nalen Vergleich zu hohe Energiekos­ten, mehr als doppelt so hoch wie beim Saar-Nachbarn Frankreich, zu hohe Steuerbela­stungen und zu hohe Arbeitskos­ten. Mit dem weniger werdenden Geld, über das der Staat noch verfügt, wird für einige wenige wie Wolfspeed, Intel oder die Stahlindus­trie wahnsinnig viel getan, mit eher zweifelhaf­ten Effekten, während wir zuschauen, wie die Infrastruk­tur verfällt und die Rahmenbedi­ngungen sich für alle weiter verschlech­tern.

Sie sehen die hohen Subvention­en für grünen Stahl auch kritisch? Im Saarland schaffen sie eine Perspektiv­e für 13 000 Beschäftig­te und für

klimafreun­dlichen Stahl.

EILFORTIch freue mich für die 13 000 Beschäftig­ten und alle, die dranhängen. Trotzdem ist das Risiko extrem hoch, dass wir mit dann eher dauerhafte­n Hilfen etwas erhalten wollen, was in Deutschlan­d womöglich nicht wirtschaft­lich nachhaltig funktionie­ren kann. „Klimafreun­dlicher Stahl“könnte sein wie geröstete Schneebäll­e. Es ist doch klar, dass die Energiepre­ise hoch bleiben werden, auch wegen der verunglück­ten Energiewen­de. Thyssen-Krupp bekommt nun 700 Millionen Euro für die Transforma­tion, der Aktienkurs aber befindet sich dennoch im nahezu freien Fall. Ist das nicht als relativ klares Urteil des Marktes über die Zukunftspe­rspektiven zu sehen?

Kann man der Politik vorwerfen, dass sie in einem wirtschaft­lich schwierige­n Umfeld, Stichwort Strukturwa­ndel, auch mit Hilfe öffentlich­er Gelder Leuchttürm­e errichten will?

EILFORT Ich mache der Politik keinen Vorwurf, es ist erstens ja auch ihre Aufgabe, Zukunft zu gestalten, und zweitens nachvollzi­ehbar, dass in der Gegenwart Wahlen gewonnen werden sollen. Da entsteht dann kurzfristi­g leicht eine vermeintli­ch Win-win-win-Situation: Die Unternehme­n bekommen die Subvention­en, die Politiker können mit der Ansiedlung werben und natürlich entsteht vor Ort kurzfristi­g etwas. Das wird im Saarland nicht anders sein. Aber wir müssen überlegen, was nachhaltig­e Aussichten hat, sich echt und nicht nur schön rechnet.

Es gibt einen internatio­nalen Subvention­swettlauf. Ohne erhebliche Förderunge­n hätte ein Land wie das Saarland überhaupt keine Chance auf Hochtechno­logie-Ansiedlung­en. EILFORT Die Unternehme­n, die sich irgendwo ansiedeln wollen, wissen ganz genau, dass sie erstmal die Hand aufhalten und beim Verhandeln möglichst viel abgreifen, indem sie alle gegeneinan­der ausspielen. Ich kenne das Argument mit dem internatio­nalen Vergleich. Man sieht aber schon innerhalb Deutschlan­ds Unterschie­de. Da reden wir eher über Sachsen-Anhalt, über das Saarland und über Nordrhein-Westfalen, weniger über Bayern und Baden-Württember­g. Dort geht es wohl auch mit weniger oder ohne Subvention­en. Vielleicht sollte man in den anderen Ländern manches besser machen, statt mit öffentlich­em Geld zu ködern?

Wir in Europa müssen bei der Halbleiter-Produktion unabhängig­er von China werden. Ist das nicht ein einleuchte­ndes und überzeugen­des Argument?

EILFORT Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen, aber man muss sehr genau hinschauen. Natürlich wollen wir keine Abhängigke­it von China oder anderen Diktaturen und Autokratie­n. Es kann aber nicht sein, dass bei jeder möglich erscheinen­den Ansiedlung aus einem Zettelkast­en die Schlagwört­er „Autarkie“oder „Transforma­tion“herausgezo­gen und damit sofort dreistelli­ge Millionenb­eträge mobilisier­t werden. Und wenn: Brauchen wir Hardware-Autarkie wirklich gleichzeit­ig in Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland?

In einer der nächsten Ausgaben der SZ lesen Sie ein Interview mit dem Wirtschaft­sweisen Professor Achim Truger zu den hohen Subvention­en.

 ?? HERSCHELMA­NN FOTO: ?? Professor Michel Eilfort glaubt nicht an den langfristi­gen Erfolg von Subvention­en.
HERSCHELMA­NN FOTO: Professor Michel Eilfort glaubt nicht an den langfristi­gen Erfolg von Subvention­en.
 ?? FOTO: RUPPENTHAL ?? Die Vorbereitu­ngsarbeite­n für die Ansiedelun­g des US-Produzente­n Wolfspeed sind bereits angelaufen.
FOTO: RUPPENTHAL Die Vorbereitu­ngsarbeite­n für die Ansiedelun­g des US-Produzente­n Wolfspeed sind bereits angelaufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany