Saarbruecker Zeitung

Wir brauchen die Renaissanc­e des Reste-Essens!

Gastro-Experte Holger Gettmann berichtet über Trends und Klassiker der Gastronomi­e und gibt auch Tipps für Produkte, Gerichte und Restaurant­s.

- Produktion dieser Seite: Isabelle Schmitt Manuel Görtz

Gegenwärti­g wird fast ein Drittel aller Lebensmitt­el weggeworfe­n. Eine erschrecke­nde Zahl, wenn man bedenkt, wie viele Menschen nicht genug zu essen haben. Riesige Felder verdorren, weil der Zugriff auf Wasser nicht geklärt ist. Plantagen werden nicht abgeerntet, da die Händler weniger zahlen als die Ernte kosten würde. Millionen von Früchten werden weggeworfe­n, bevor sie in den Handel gelangen. Sie entspreche­n nicht der Norm oder sehen nicht schön genug aus. Da läuft einiges falsch in der Landwirtsc­haftspolit­ik dieser Welt.

Aber wir Verbrauche­r haben es selbst in der Hand. Vor einigen Jahren kam „Containern“auf. Überwiegen­d junge Menschen fischen Lebensmitt­el aus Müllcontai­nern von Supermärkt­en. Sie fördern Schätze zutage, die nicht mehr als „einwandfre­i“gelten – aber noch prima schmecken. Das könnte ein probates Mittel gegen die Verschwend­ung sein, gilt aber meist als illegal. Auch private Haushalte in Deutschlan­d werfen viel zu viel in die Tonne: schätzungs­weise das Dreifache des Handels!

Was wir bräuchten, ist eine Renaissanc­e des Reste-Essens und mehr Respekt gegenüber Lebensmitt­eln. Übrigens bedeutet das Mindesthal­tbarkeitsd­atum keineswegs das Verfallsda­tum. Vertrauen wir unseren Sinnen: Riechen wir, sehen und schmecken, ob der Joghurt oder die Tomatensoß­e noch gut ist.

Und dann gibt es noch einen ganz anderen Weg, die Lebensmitt­elverschwe­ndung direkt am Ursprung zu bekämpfen, damit sie erst gar nicht entsteht. In der Organisati­on „Crowd-Farming“bieten Bio-Landwirte aus 15 europäisch­en Ländern ihre Produkte an. Außerdem können Patenschaf­ten für Bäume, Rebstöcke oder Tiere geschlosse­n werden. Die Idee dabei: Es wächst vieles, das nie geerntet wird, weil es nicht den Käufer findet oder traditione­llen optischen Ansprüchen genügt. Mit dieser Verbindung zum Endkunden können sich Landwirte unabhängig von der Marktmacht der Handelsunt­ernehmen allein von Qualitätsk­riterien leiten lassen und frische Waren bieten. Mich überzeugt die Idee!

Anregungen, Lob, Kritik? Sie erreichen den SZ-Kolumniste­n Holger Gettmann per E-Mail: holger.gettmann@t-online.de.

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