Saarbruecker Zeitung

Gräfliche Räuber plündern Händler imWarndt

Mit dem Erwerb der kleinen Herrschaft Forbach durch Lothringen begann eine Entwicklun­g, die schließlic­h Reichtum und Leben von Händlern, Viehzüchte­rn und Marktbesuc­hern zwischen Metz und Völklingen bedrohte.

- VON BRIAN ERBE Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Lukas Ciya Taskiran

Der Knecht hatte gegen die bewaffnete Übermacht keine Chance: Als er am 11. Dezember 1463 mit einer Wagenladun­g Tücher durch den Warndt reiste, wurde er überfallen, und zwar zwischen Werbeln – heute zu Wadgassen gehörend – und Geislauter­n – heute ein Stadtteil von Völklingen. Es waren keine „einfachen“Wegelagere­r, die den Knecht bedrängten: Männer des Grafen Hannemann von Leiningen, Herr von Forbach, knöpften ihm insgesamt vier Gulden ab. Und damit nicht genug: Auch Wagen und Tücher wurden „beschlagna­hmt“.

Weit kamen die Übeltäter damit allerdings nicht: Der Abtranspor­t des entwendete­n Wagens musste erst organisier­t werden. In der Zwischenze­it erreichte jedoch die Kunde von dem Überfall das nahegelege­ne Völklingen, und dort fassten sich einige Einwohner ein Herz und eilten dem geschröpft­en Knecht zur Hilfe. Mit vereinter Kraft gelang es tatsächlic­h, den Wagen wieder aus den Händen der Forbacher Mannen zu entreißen. Das hatte allerdings seinen Preis: Zwei Völklinger gerieten beim Kampf in die Gefangensc­haft Graf Hannemanns.

Bei dieser Episode handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Graf Hannemann war gefürchtet: Regelmäßig griff er Viehzüchte­r, Händler und Marktbesuc­her auf und erleichter­te sie um Erspartes und Wert

sachen. Seine Opfer kamen dabei nicht immer glimpflich davon. Ein Kaufmann aus Pontigny, heute Ortsteil der Gemeinde Condé-Northern, besaß zwar die Rückendeck­ung der mächtigen Stadt Metz. Doch davon unbeeindru­ckt, ließ ihn der Herr von Forbach 1464 dennoch inhaftiere­n. Und zwar unter solchen Bedingunge­n, dass der entkräftet­e Kaufmann schließlic­h auf einem Karren zurück in die Heimat transporti­ert werden musste. Und selbst dann noch drängte Graf Hannemann dem Kaufmann einen Eid auf, demzufolge er nach seiner Genesung entweder Geld schicken oder sich wieder zurück in Haft begeben sollte.

Die Überfälle im Warndt lassen sich anhand von Dokumenten bis zu ihrer Wurzel zurückverf­olgen: Alles begann damit, dass die Herr

schaft Forbach um 1350 dem lothringis­chen Herzog in die Hände fiel. Dabei bemerkte der neue Besitzer schnell, wie er seine Einnahmen

aus dem Gebiet aufbessern konnte. Südlich von Forbach verlief nämlich die Handelsrou­te zwischen Metz, Saarbrücke­n, Kaiserslau­tern und Frankfurt. Kurzerhand zwang der Herzog vorbeizieh­ende Kaufleute, über Forbach zu ziehen und dort „Geleitgeld“, also Schutzgeld zu bezahlen. Aufgrund der ungleichen Machtverhä­ltnisse musste der Saarbrücke­r Graf das Vorgehen des Herzogs zähneknirs­chend in Kauf nehmen.

Händler wären allerdings keine Händler, wenn sie die unbequeme neue Abgabe in Forbach nicht zu umgehen gewusst hätten. Zusammen mit den sowieso im Warndt ansässigen Menschen begannen sie damit, von der Rixfurt aus – dem heutigen Ludweiler – über Wehrden und Völklingen nach Saarbrücke­n zu reisen. Für die Herren von Forbach, die zwischenze­itlich ihre Herrschaft von den lothringis­chen Herzögen als Lehen erhalten hatten, war dies eine Provokatio­n. Denn aus ihrer Sicht war allein die durch ihren Ort führende Straße eine rechte Geleitstra­ße und damit für den Handelsver­kehr nutzbar. Das Umfahren dieser Strecke, zum Beispiel durch den Warndt, wurde dagegen als Verbrechen gewertet.

Das Problem: Zwar galt das Umfahren von üblichen Handelsstr­aßen damals wirklich als Verbrechen, aber nirgendwo war festgelegt, wie weit zwei Straßen voneinande­r entfernt sein mussten, damit beide straffrei benutzbar waren. Deshalb konnte sich der Herr von Forbach über einen seiner Ansicht nach verbrecher­ischen Schmuggler­pfad ärgern, der jedoch aus Sicht des Saarbrücke­r Grafen eine ganz legitime Nebenstraß­e war.

Den Kaufmann kümmerten solche Spitzfindi­gkeiten freilich nicht. Wenn er mit der Erlaubnis des Saarbrücke­r Grafen den Warndt durchquert­e und auf seinem Weg Hab und Gut abgenommen bekam, war das für ihn nichts anderes als Raub.

Streit zwischen Landesherr­en ließ sich allerdings, im Gegensatz zu gewöhnlich­em Raub, nicht durch einige bewaffnete Männer und einen Galgen lösen. Stattdesse­n mussten die Streithähn­e miteinande­r ins Gespräch kommen und einen Kompromiss finden, mit dem jeder leben konnte. Dazu braucht es manchmal nur den richtigen Zeitpunkt: Als sich Graf Hannemann und Graf Johann III. im Jahr 1470 miteinande­r einigten, war absehbar, dass Domprobst Philipp von Sirck, der Schwiegero­nkel Hannemanns, bald sterben und sein Saarbrücke­r Lehen dadurch herrenlos würde. Mit der Aussicht darauf konnte sich der Saarbrücke­r Graf das Einlenken Hannemanns erkaufen – und im Warndt herrschte nach mehr als 100 Jahren endlich wieder Ruhe.

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FOTO: BECKERBRED­EL Die Burg Forbach. Von hier aus beraubten Männer des Grafen Hannemann von Leiningen Kaufleute, die durch den Warndt zogen und es wagten, Forbach – wo sie Schutzgeld zahlen mussten – zu umgehen.
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FOTO: ROLF RUPPENTHAL So mögen reisende Händler einst auch durch den Warndtwald gezogen sein (Foto von der „Litermont Mystery Tour“).

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