Gräfliche Räuber plündern Händler imWarndt
Mit dem Erwerb der kleinen Herrschaft Forbach durch Lothringen begann eine Entwicklung, die schließlich Reichtum und Leben von Händlern, Viehzüchtern und Marktbesuchern zwischen Metz und Völklingen bedrohte.
Der Knecht hatte gegen die bewaffnete Übermacht keine Chance: Als er am 11. Dezember 1463 mit einer Wagenladung Tücher durch den Warndt reiste, wurde er überfallen, und zwar zwischen Werbeln – heute zu Wadgassen gehörend – und Geislautern – heute ein Stadtteil von Völklingen. Es waren keine „einfachen“Wegelagerer, die den Knecht bedrängten: Männer des Grafen Hannemann von Leiningen, Herr von Forbach, knöpften ihm insgesamt vier Gulden ab. Und damit nicht genug: Auch Wagen und Tücher wurden „beschlagnahmt“.
Weit kamen die Übeltäter damit allerdings nicht: Der Abtransport des entwendeten Wagens musste erst organisiert werden. In der Zwischenzeit erreichte jedoch die Kunde von dem Überfall das nahegelegene Völklingen, und dort fassten sich einige Einwohner ein Herz und eilten dem geschröpften Knecht zur Hilfe. Mit vereinter Kraft gelang es tatsächlich, den Wagen wieder aus den Händen der Forbacher Mannen zu entreißen. Das hatte allerdings seinen Preis: Zwei Völklinger gerieten beim Kampf in die Gefangenschaft Graf Hannemanns.
Bei dieser Episode handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Graf Hannemann war gefürchtet: Regelmäßig griff er Viehzüchter, Händler und Marktbesucher auf und erleichterte sie um Erspartes und Wert
sachen. Seine Opfer kamen dabei nicht immer glimpflich davon. Ein Kaufmann aus Pontigny, heute Ortsteil der Gemeinde Condé-Northern, besaß zwar die Rückendeckung der mächtigen Stadt Metz. Doch davon unbeeindruckt, ließ ihn der Herr von Forbach 1464 dennoch inhaftieren. Und zwar unter solchen Bedingungen, dass der entkräftete Kaufmann schließlich auf einem Karren zurück in die Heimat transportiert werden musste. Und selbst dann noch drängte Graf Hannemann dem Kaufmann einen Eid auf, demzufolge er nach seiner Genesung entweder Geld schicken oder sich wieder zurück in Haft begeben sollte.
Die Überfälle im Warndt lassen sich anhand von Dokumenten bis zu ihrer Wurzel zurückverfolgen: Alles begann damit, dass die Herr
schaft Forbach um 1350 dem lothringischen Herzog in die Hände fiel. Dabei bemerkte der neue Besitzer schnell, wie er seine Einnahmen
aus dem Gebiet aufbessern konnte. Südlich von Forbach verlief nämlich die Handelsroute zwischen Metz, Saarbrücken, Kaiserslautern und Frankfurt. Kurzerhand zwang der Herzog vorbeiziehende Kaufleute, über Forbach zu ziehen und dort „Geleitgeld“, also Schutzgeld zu bezahlen. Aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse musste der Saarbrücker Graf das Vorgehen des Herzogs zähneknirschend in Kauf nehmen.
Händler wären allerdings keine Händler, wenn sie die unbequeme neue Abgabe in Forbach nicht zu umgehen gewusst hätten. Zusammen mit den sowieso im Warndt ansässigen Menschen begannen sie damit, von der Rixfurt aus – dem heutigen Ludweiler – über Wehrden und Völklingen nach Saarbrücken zu reisen. Für die Herren von Forbach, die zwischenzeitlich ihre Herrschaft von den lothringischen Herzögen als Lehen erhalten hatten, war dies eine Provokation. Denn aus ihrer Sicht war allein die durch ihren Ort führende Straße eine rechte Geleitstraße und damit für den Handelsverkehr nutzbar. Das Umfahren dieser Strecke, zum Beispiel durch den Warndt, wurde dagegen als Verbrechen gewertet.
Das Problem: Zwar galt das Umfahren von üblichen Handelsstraßen damals wirklich als Verbrechen, aber nirgendwo war festgelegt, wie weit zwei Straßen voneinander entfernt sein mussten, damit beide straffrei benutzbar waren. Deshalb konnte sich der Herr von Forbach über einen seiner Ansicht nach verbrecherischen Schmugglerpfad ärgern, der jedoch aus Sicht des Saarbrücker Grafen eine ganz legitime Nebenstraße war.
Den Kaufmann kümmerten solche Spitzfindigkeiten freilich nicht. Wenn er mit der Erlaubnis des Saarbrücker Grafen den Warndt durchquerte und auf seinem Weg Hab und Gut abgenommen bekam, war das für ihn nichts anderes als Raub.
Streit zwischen Landesherren ließ sich allerdings, im Gegensatz zu gewöhnlichem Raub, nicht durch einige bewaffnete Männer und einen Galgen lösen. Stattdessen mussten die Streithähne miteinander ins Gespräch kommen und einen Kompromiss finden, mit dem jeder leben konnte. Dazu braucht es manchmal nur den richtigen Zeitpunkt: Als sich Graf Hannemann und Graf Johann III. im Jahr 1470 miteinander einigten, war absehbar, dass Domprobst Philipp von Sirck, der Schwiegeronkel Hannemanns, bald sterben und sein Saarbrücker Lehen dadurch herrenlos würde. Mit der Aussicht darauf konnte sich der Saarbrücker Graf das Einlenken Hannemanns erkaufen – und im Warndt herrschte nach mehr als 100 Jahren endlich wieder Ruhe.