Entsetzen nach tödlichem Messerangriff
Die Opfer suchten Schutz vor dem Krieg, die mutmaßlichen Täter sind fast noch Kinder: Nach einem tödlichen Messerangriff in Oberhausen steht die Mordkommission vor vielen ungelösten Fragen.
(dpa) Je mehr Details bekannt werden, desto größer wird das Entsetzen über einen tödlichen Messerangriff in Oberhausen. Die mutmaßlichen Täter sind fast noch Kinder, 14 und 15 Jahre alt. Jetzt sitzen sie als mutmaßliche Doppelmörder in U-Haft.
Die beiden 17 und 18 Jahre alten Opfer waren angehende Profi-Basketballer aus der Ukraine, die sich vor dem Krieg in Sicherheit bringen wollten. Laut Mordkommission haben sie wohl alles versucht, um der Konfrontation am Oberhausener Hauptbahnhof aus dem Weg zu gehen. Wie konnte die Situation dennoch so eskalieren?
Die beiden Gruppen waren am 10. Februar, an einem frühen Samstagabend, in einem Bus der Linie SB 91 auf dem Weg zum Oberhausener Hauptbahnhof aufeinandergetroffen. „Die ukrainische Gruppe ist provoziert und angegriffen worden“, sagt ein Polizeisprecher. Der Grund dafür ist den Ermittlern noch unklar. Sicher sei inzwischen: Die Provokation ging einseitig von den Angreifern aus, die Ukrainer hätten indes immer wieder versucht, „sich dem zu entziehen“.
Am Hauptbahnhof stiegen gegen 20.10 Uhr alle aus. Dann eskalierte die Situation: Der 15-jährige mutmaßliche Haupttäter soll mit einem Messer auf die beiden 17- und 18-Jährigen eingestochen haben. Der 17-Jährige starb unmittelbar nach der Tat im Krankenhaus. Der 18-Jährige wurde auf der Intensivstation behandelt und starb dort laut Polizei am Dienstag, zehn Tage nach dem Angriff.
Das Vorgehen der mutmaßlichen jungen Täter macht selbst Ermittler fassungslos. Man gehe davon aus, dass die Verdächtigen die Tat im Vorfeld abgesprochen und „arbeitsteilig begangen“hätten, sagt der Polizeisprecher. Der 15-Jährige aus Gelsenkirchen soll mit dem Messer zugestochen haben.
Welche Rolle die anderen drei – ein 14-Jähriger aus Herne sowie ein 14- und ein 15-Jähriger aus Gelsenkirchen – bei der Tat gespielt haben sollen, sagt die Polizei mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Es gebe „eine Vielzahl von Zeugen“. Außerdem seien Videoaufnahmen sichergestellt worden.
Einige der Verdächtigen sind laut Polizei zuvor „erheblich kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten“. Es gebe Anhaltspunkte, dass die Gruppe „in der Art und
Weise“nicht zum ersten Mal vorgegangen sei, sondern derart etwa auch bei Körperverletzungen und Raubüberfällen. Noch nie aber sei dabei eines der Opfer ums Leben gekommen.
Von den mutmaßlichen Tätern hätten sich einige bislang in den Vernehmungen geäußert – weitere schwiegen aber komplett, berichtet der Sprecher.
Bei den Mannschaftskameraden der jungen Basketballer herrscht derweil Fassungslosigkeit über die Tat. Die beiden Ukrainer spielten nach ihrer Flucht vor dem Krieg zuletzt bei den Art Giants Düsseldorf in der U19Bundesliga. Sie seien gute Freunde gewesen und hätten allen gezeigt,
„wie bedeutsam menschliche Verbundenheit und ein gemeinschaftliches Miteinander in unserem Leben sind“, teilte der Verein in einem Schreiben mit.
Am Wochenende hatte die Profimannschaft der Art Giants bei ihrem Heimspiel auf die Eintrittsgelder verzichtet und die Besucher stattdessen zu Spenden für die Opfer aufgerufen. Zum Aufwärmen liefen alle Spieler mit der Rückennummer 33 auf – der Nummer des getöteten 17-Jährigen. Da hofften alle noch, der 18-Jährige würde überleben.
In ukrainischen Medien war nach der Tat zunächst offensiv über einen mutmaßlich rassistischen
Hintergrund des Angriffs berichtet worden. Dafür gebe es keine Hinweise, betonen die Ermittler immer wieder. „Das ‚Warum' ist für uns eine ganz wesentliche Frage bei der Aufarbeitung“, unterstreicht der Polizeisprecher.
Der Fall wird auch in der Ukraine aufmerksam verfolgt. Man sei in ständigem Kontakt mit den Eltern der Getöteten, sagte am Mittwoch die Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf, Iryna Shum. Sie sprach von einer „riesigen Tragödie“. Man warte jetzt gespannt die weiteren Ermittlungsergebnisse ab.
Die U19-Mannschaft der Art Giants will das Andenken ihrer Mannschaftskameraden bewahren. „Wir werden euch für immer in Erinnerung behalten und weiter in unseren Herzen tragen“, teilte der Verein schriftlich mit. „Ruhet in Frieden!“
Einige der Verdächtigen sind laut Polizei zuvor „erheblich kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten“.