Saarbruecker Zeitung

Entsetzen nach tödlichem Messerangr­iff

Die Opfer suchten Schutz vor dem Krieg, die mutmaßlich­en Täter sind fast noch Kinder: Nach einem tödlichen Messerangr­iff in Oberhausen steht die Mordkommis­sion vor vielen ungelösten Fragen.

- VON MARC HERWIG Produktion dieser Seite: Markus Renz Martin Wittenmeie­r FOTO OBEN: IMAGO IMAGES

(dpa) Je mehr Details bekannt werden, desto größer wird das Entsetzen über einen tödlichen Messerangr­iff in Oberhausen. Die mutmaßlich­en Täter sind fast noch Kinder, 14 und 15 Jahre alt. Jetzt sitzen sie als mutmaßlich­e Doppelmörd­er in U-Haft.

Die beiden 17 und 18 Jahre alten Opfer waren angehende Profi-Basketball­er aus der Ukraine, die sich vor dem Krieg in Sicherheit bringen wollten. Laut Mordkommis­sion haben sie wohl alles versucht, um der Konfrontat­ion am Oberhausen­er Hauptbahnh­of aus dem Weg zu gehen. Wie konnte die Situation dennoch so eskalieren?

Die beiden Gruppen waren am 10. Februar, an einem frühen Samstagabe­nd, in einem Bus der Linie SB 91 auf dem Weg zum Oberhausen­er Hauptbahnh­of aufeinande­rgetroffen. „Die ukrainisch­e Gruppe ist provoziert und angegriffe­n worden“, sagt ein Polizeispr­echer. Der Grund dafür ist den Ermittlern noch unklar. Sicher sei inzwischen: Die Provokatio­n ging einseitig von den Angreifern aus, die Ukrainer hätten indes immer wieder versucht, „sich dem zu entziehen“.

Am Hauptbahnh­of stiegen gegen 20.10 Uhr alle aus. Dann eskalierte die Situation: Der 15-jährige mutmaßlich­e Haupttäter soll mit einem Messer auf die beiden 17- und 18-Jährigen eingestoch­en haben. Der 17-Jährige starb unmittelba­r nach der Tat im Krankenhau­s. Der 18-Jährige wurde auf der Intensivst­ation behandelt und starb dort laut Polizei am Dienstag, zehn Tage nach dem Angriff.

Das Vorgehen der mutmaßlich­en jungen Täter macht selbst Ermittler fassungslo­s. Man gehe davon aus, dass die Verdächtig­en die Tat im Vorfeld abgesproch­en und „arbeitstei­lig begangen“hätten, sagt der Polizeispr­echer. Der 15-Jährige aus Gelsenkirc­hen soll mit dem Messer zugestoche­n haben.

Welche Rolle die anderen drei – ein 14-Jähriger aus Herne sowie ein 14- und ein 15-Jähriger aus Gelsenkirc­hen – bei der Tat gespielt haben sollen, sagt die Polizei mit Verweis auf die laufenden Ermittlung­en nicht. Es gebe „eine Vielzahl von Zeugen“. Außerdem seien Videoaufna­hmen sichergest­ellt worden.

Einige der Verdächtig­en sind laut Polizei zuvor „erheblich kriminalpo­lizeilich in Erscheinun­g getreten“. Es gebe Anhaltspun­kte, dass die Gruppe „in der Art und

Weise“nicht zum ersten Mal vorgegange­n sei, sondern derart etwa auch bei Körperverl­etzungen und Raubüberfä­llen. Noch nie aber sei dabei eines der Opfer ums Leben gekommen.

Von den mutmaßlich­en Tätern hätten sich einige bislang in den Vernehmung­en geäußert – weitere schwiegen aber komplett, berichtet der Sprecher.

Bei den Mannschaft­skameraden der jungen Basketball­er herrscht derweil Fassungslo­sigkeit über die Tat. Die beiden Ukrainer spielten nach ihrer Flucht vor dem Krieg zuletzt bei den Art Giants Düsseldorf in der U19Bundesl­iga. Sie seien gute Freunde gewesen und hätten allen gezeigt,

„wie bedeutsam menschlich­e Verbundenh­eit und ein gemeinscha­ftliches Miteinande­r in unserem Leben sind“, teilte der Verein in einem Schreiben mit.

Am Wochenende hatte die Profimanns­chaft der Art Giants bei ihrem Heimspiel auf die Eintrittsg­elder verzichtet und die Besucher stattdesse­n zu Spenden für die Opfer aufgerufen. Zum Aufwärmen liefen alle Spieler mit der Rückennumm­er 33 auf – der Nummer des getöteten 17-Jährigen. Da hofften alle noch, der 18-Jährige würde überleben.

In ukrainisch­en Medien war nach der Tat zunächst offensiv über einen mutmaßlich rassistisc­hen

Hintergrun­d des Angriffs berichtet worden. Dafür gebe es keine Hinweise, betonen die Ermittler immer wieder. „Das ‚Warum' ist für uns eine ganz wesentlich­e Frage bei der Aufarbeitu­ng“, unterstrei­cht der Polizeispr­echer.

Der Fall wird auch in der Ukraine aufmerksam verfolgt. Man sei in ständigem Kontakt mit den Eltern der Getöteten, sagte am Mittwoch die Generalkon­sulin der Ukraine in Düsseldorf, Iryna Shum. Sie sprach von einer „riesigen Tragödie“. Man warte jetzt gespannt die weiteren Ermittlung­sergebniss­e ab.

Die U19-Mannschaft der Art Giants will das Andenken ihrer Mannschaft­skameraden bewahren. „Wir werden euch für immer in Erinnerung behalten und weiter in unseren Herzen tragen“, teilte der Verein schriftlic­h mit. „Ruhet in Frieden!“

Einige der Verdächtig­en sind laut Polizei zuvor „erheblich kriminalpo­lizeilich in Erscheinun­g getreten“.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA ?? Nach der Messeratta­cke am Oberhausen­er Hauptbahnh­of auf zwei Profi-Basketball­er aus der Ukraine durch die mutmaßlich­en Haupttäter im Alter von 14 und 15 Jahren herrscht bei Ermittlern Fassungslo­sigkeit – auch über das Tatvorgehe­n. Es wird davon ausgegange­n, dass die Verdächtig­en die Tat im Vorfeld abgesproch­en haben.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA Nach der Messeratta­cke am Oberhausen­er Hauptbahnh­of auf zwei Profi-Basketball­er aus der Ukraine durch die mutmaßlich­en Haupttäter im Alter von 14 und 15 Jahren herrscht bei Ermittlern Fassungslo­sigkeit – auch über das Tatvorgehe­n. Es wird davon ausgegange­n, dass die Verdächtig­en die Tat im Vorfeld abgesproch­en haben.

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