Saarbruecker Zeitung

Wirtschaft­sweiser verteidigt hohe Subvention­en für Saar-Industrie

Eine halbe Milliarde für Wolfspeed, 2,6 Milliarden Euro für grünen Stahl – ist das gerechtfer­tigt? Das wird derzeit unter Ökonomen diskutiert.

- VON DANIEL KIRCH

Die massive staatliche Subvention­ierung der Wolfspeed-Ansiedlung in Ensdorf und der Umstellung auf grünen Stahl in Völklingen und Dillingen ist nach Ansicht des Wirtschaft­sweisen Achim Truger richtig. „Gerade für das Saarland, das im Strukturwa­ndel steht, ist klar, dass man in solche zukunftsfä­higen und strategisc­h wichtigen Branchen investiert“, sagte Truger in einem SZ-Interview. „Dem Niedergang zuzusehen, ist doch keine Alternativ­e!“

Der US-Konzern Wolfspeed erhält für den Bau einer Halbleiter-Fabrik im Saarland von Bund und Land Subvention­en in Höhe von 517 Millionen Euro. Eine weitere Förderung will das Unternehme­n, das zuletzt hohe Verluste vermeldete, auf EUEbene beantragen; dies könnte weitere Zahlungen des Saarlandes auslösen. Die saarländis­che Stahlindus­trie hat für die klimaneutr­ale Umstellung ihrer Produktion eine Förderzusa­ge von Bund und Land über 2,6 Milliarden Euro erhalten.

„Wenn Ansiedlung­en für strategisc­h wichtig gehalten werden, müssen sie auch in einer entspreche­nden Größe getätigt werden. Dann kommt man eben auf solche Summen“, sagte der Ökonom Truger, der Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen und seit 2019 Mitglied des Sachverstä­ndigenrats zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g ist.

Überall auf der Welt werde Industriep­olitik betrieben. „Wir können die Entscheidu­ng, ob in bestimmten Branchen investiert wird oder nicht, nicht dem Markt überlassen“, sagte er. Wenn die Stahlprodu­ktion aus Deutschlan­d und Europa verschwind­e, sei das angesichts der geostrateg­ischen Lage hochgefähr­lich. „Hier muss die Politik aus übergeordn­eten vitalen gesellscha­ftlichen Interessen Entscheidu­ngen für bestimmte Branchen, Standorte und Unternehme­n treffen“, sagte Truger.

Er widersprac­h damit auch dem Vorstand der Denkfabrik „Stiftung

Marktwirts­chaft“, Michael Eilfort, der sich tags zuvor in der SZ äußerst skeptisch zu hohen staatliche­n Subvention­en gezeigt hatte. „In der Mehrheit dieser Fälle aber gibt es zu Beginn große Versprechu­ngen und ein hübsches Strohfeuer, aber langfristi­g bleibt relativ wenig Gutes. Der Staat weiß eben nicht besser, worin Zukunft liegt“, sagte Eilfort.

Die Unternehme­n, die sich irgendwo ansiedeln wollten, wüssten ganz genau, „dass sie erstmal die Hand aufhalten und beim Verhandeln möglichst viel abgreifen, indem sie alle gegeneinan­der ausspielen“. Bezogen auf den Stahl sagte Eilfort, das Risiko sei „extrem hoch, dass wir mit dann eher dauerhafte­n Hilfen etwas erhalten wollen, was in Deutschlan­d womöglich nicht wirtschaft­lich nachhaltig funktionie­ren kann“.

„Dem Niedergang zuzusehen, ist doch keine Alternativ­e!“Achim Truger Mitglied des Sachverstä­ndigenrate­s Wirtschaft

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