Wirtschaftsweiser verteidigt hohe Subventionen für Saar-Industrie
Eine halbe Milliarde für Wolfspeed, 2,6 Milliarden Euro für grünen Stahl – ist das gerechtfertigt? Das wird derzeit unter Ökonomen diskutiert.
Die massive staatliche Subventionierung der Wolfspeed-Ansiedlung in Ensdorf und der Umstellung auf grünen Stahl in Völklingen und Dillingen ist nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Achim Truger richtig. „Gerade für das Saarland, das im Strukturwandel steht, ist klar, dass man in solche zukunftsfähigen und strategisch wichtigen Branchen investiert“, sagte Truger in einem SZ-Interview. „Dem Niedergang zuzusehen, ist doch keine Alternative!“
Der US-Konzern Wolfspeed erhält für den Bau einer Halbleiter-Fabrik im Saarland von Bund und Land Subventionen in Höhe von 517 Millionen Euro. Eine weitere Förderung will das Unternehmen, das zuletzt hohe Verluste vermeldete, auf EUEbene beantragen; dies könnte weitere Zahlungen des Saarlandes auslösen. Die saarländische Stahlindustrie hat für die klimaneutrale Umstellung ihrer Produktion eine Förderzusage von Bund und Land über 2,6 Milliarden Euro erhalten.
„Wenn Ansiedlungen für strategisch wichtig gehalten werden, müssen sie auch in einer entsprechenden Größe getätigt werden. Dann kommt man eben auf solche Summen“, sagte der Ökonom Truger, der Professor an der Universität Duisburg-Essen und seit 2019 Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist.
Überall auf der Welt werde Industriepolitik betrieben. „Wir können die Entscheidung, ob in bestimmten Branchen investiert wird oder nicht, nicht dem Markt überlassen“, sagte er. Wenn die Stahlproduktion aus Deutschland und Europa verschwinde, sei das angesichts der geostrategischen Lage hochgefährlich. „Hier muss die Politik aus übergeordneten vitalen gesellschaftlichen Interessen Entscheidungen für bestimmte Branchen, Standorte und Unternehmen treffen“, sagte Truger.
Er widersprach damit auch dem Vorstand der Denkfabrik „Stiftung
Marktwirtschaft“, Michael Eilfort, der sich tags zuvor in der SZ äußerst skeptisch zu hohen staatlichen Subventionen gezeigt hatte. „In der Mehrheit dieser Fälle aber gibt es zu Beginn große Versprechungen und ein hübsches Strohfeuer, aber langfristig bleibt relativ wenig Gutes. Der Staat weiß eben nicht besser, worin Zukunft liegt“, sagte Eilfort.
Die Unternehmen, die sich irgendwo ansiedeln wollten, wüssten ganz genau, „dass sie erstmal die Hand aufhalten und beim Verhandeln möglichst viel abgreifen, indem sie alle gegeneinander ausspielen“. Bezogen auf den Stahl sagte Eilfort, das Risiko sei „extrem hoch, dass wir mit dann eher dauerhaften Hilfen etwas erhalten wollen, was in Deutschland womöglich nicht wirtschaftlich nachhaltig funktionieren kann“.
„Dem Niedergang zuzusehen, ist doch keine Alternative!“Achim Truger Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft