Saarbruecker Zeitung

Massive Kritik an Unionsbloc­kade beim Wachstumsp­aket

- VON ANTJE HÖNING, BIRGIT MARSCHALL UND JANA WOLF

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hat die Union zu einem Ende der Blockade beim Wachstumsp­aket aufgeforde­rt. „Hören Sie auf die Wirtschaft­sverbände und geben Sie dem Wachstumsc­hancengese­tz endlich grünes Licht“, rief Habeck am Donnerstag im Bundestag in Richtung Opposition. In der Sitzung des Vermittlun­gsausschus­ses von Bundesrat und Bundestag am Mittwochab­end verweigert­e die Union weiter ihre Zustimmung. Unklar blieb, ob sie dem Wachstumsp­aket nun bei der nächsten Gelegenhei­t am 22. März im Bundesrat doch noch zustimmt.

Das sogenannte Wachstumsc­hancenpake­t sieht steuerlich­e Entlastung­en für Firmen, etwa durch degressive Abschreibu­ngen, Verlustver­rechnungen und eine stärkere Forschungs­förderung von gut drei Milliarden Euro im Jahr vor. Industriep­räsident Siegfried Rußwurm kritisiert­e die Signalwirk­ung der Blockade der Union als „katastroph­al“

Im Bundesrat sind jedoch die Stimmen der Unions-Länder dazu notwendig. Die Union macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass in einem bereits vom Bundestag beschlosse­nen anderen Gesetz die Streichung der Agrardiese­l-Subvention­en für Landwirte wieder zurückgeno­mmen wird. Falls die Regierungs­koalition dazu nicht bereit ist, würde die Union auch Entlastung­en für die Landwirte an anderer Stelle akzeptiere­n. Dies könnte durch die Neuregelun­g der Brachfläch­enregelung geschehen: Bisher müssen Landwirte vier Prozent der Ackerfläch­e brachliege­n lassen, künftig könnte ihnen erlaubt werden, dort etwa Linsen anzupflanz­en. Dem Vernehmen nach arbeitet Agrarminis­ter Cem Özdemir (Grüne) an einer Neuregelun­g, die Bauern höhere Erträge ermögliche­n würde.

Das Volumen des Wachstumsp­akets war im Vermittlun­gsverfahre­n deutlich von über sieben Milliarden auf die Hälfte gesenkt worden, denn die Länder hatten hohe Einnahmeau­sfälle beklagt. Habeck kritisiert­e im Bundestag, die jüngsten Vorschläge der Union für mehr Wachstum hätten 45 bis 50 Milliarden Euro Steuerausf­älle im Haushalt zur Folge – die Union habe aber keine Konzepte zur Gegenfinan­zierung und wolle zugleich die Schuldenbr­emse einhalten. Das sei „Voodoo-Finanzpoli­tik“. Habeck hatte am Mittwoch den Jahreswirt­schaftsber­icht vorgelegt. Darin rechnet er in diesem Jahr nur noch mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat am Donnerstag kein Einlenken der Union signalisie­rt. Er werde dem Wachstumsc­hancengese­tz im Bundesrat nur zustimmen, wenn die Agrardiese­l-Kürzung zurückgeno­mmen werde. „Leider ist die Ampel stur geblieben. Es hat keine wirklichen Zugeständn­isse gegeben“, sagte der CSU-Chef. „Es ist ja ohnehin ein kleines Gesetzchen. Es wird keine große Wirkung haben.“

Die Ampelkoali­tion will nun den Kompromiss­vorschlag zum Wachstumsc­hancengese­tz, der im Vermittlun­gsverfahre­n von den SPD-geführten Ländern (bis auf Bremen) unterstütz­t wurde, bereits an diesem Freitag durch den Bundestag bringen. In den darauffolg­enden Wochen soll auf dieser Grundlage bis zur nächsten Bundesrats­sitzung am 22. März weiter über Kompromiss­e mit der Union verhandelt werden.

Wirtschaft­sminister Habeck erklärte die Wachstumss­chwäche im Bundestag mit Deutschlan­ds Verwundbar­keit als Exportnati­on bei gleichzeit­ig eingebroch­enem Welthandel, dem zunehmende­n Protektion­ismus in der Welt, mit Krisen und blockierte­n Handelsrou­ten, der hohen Inflation und folglich der Konsumzurü­ckhaltung der Menschen. Auch das langfristi­ge Wachstumsp­otenzial sei mit nur noch 0,5 Prozent gering. Es gebe aber auch eine „Perspektiv­e nach vorne“, sagte Habeck. Der Einkommens­zuwachs liege über der Inflation, man sei also an einem Punkt angekommen, „wo wieder mehr Geld im Portemonna­ie übrigbleib­t“. Habeck hofft darauf, dass dadurch die Binnennach­frage und der Konsum wieder angekurbel­t werden. Absehbare Zinssenkun­gen würden die Investitio­nsanreize bald wieder „deutlich hebeln“.

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