Saarbruecker Zeitung

Wahlen in Belarus – ohne Opposition

Machthaber Alexander Lukaschenk­o lässt in Weißrussla­nd am Sonntag ein neues Parlament wählen. Gleichzeit­ig finden Lokalwahle­n statt.

- VON PAUL FLÜCKIGER

Immerhin zwei opposition­elle Kandidaten wollten sich für die Parlaments­wahlen am Sonntag in Belarus ( Weißrussla­nd) registrier­en lassen. Ohne Erfolg, sie wurden auf der Zielgerade­n vom Urnengang ausgeschlo­ssen.

Und damit unterstütz­en nun alle am Sonntag zu den „Wahlen“für die Volkskamme­r antretende­n 265 Kandidaten den seit bald 30 Jahren mit eiserner Hand regierende­n Alexander Lukaschenk­o. Sie werden um 110 Parlaments­sitze kämpfen. Das Volk hat demnach eine gewisse Wahlmöglic­hkeit.

Die Parlaments­wahlen in Lukaschenk­os Reich stehen nach dem mithilfe von Kremlchef Wladimir Putin im Herbst 2020 brutal niedergesc­hlagenem Volksaufst­and unter einem dunklen Stern. Noch 2019 konnte der Westen Lukaschenk­o immerhin zwei Opposition­s-Abgeordnet­e abringen. Solche Vereinbaru­ngen sind fünf Jahre später ausgeschlo­ssen.

Mindestens 1420 anerkannte politische Häftlinge schmachten in Gefängniss­en und Arbeitslag­ern, die sich einzig dank der geografisc­hen Lage Belarus' in Mitteloste­uropa nicht nördlich des Polarkreis­es (wie im Fall des russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny) befinden.

Erst am Dienstag ist im Minsker Gefängnisk­rankenhaus der opposition­elle Sozialdemo­krat Ihar Lednik gestorben. Der schwer herzkranke Politiker aus Bobruisk ist bereits der fünfte politische Gefangene, der in Lukaschenk­os Straflager­n zu Tode gefoltert wurde oder aber niemals die nötige medizinisc­he Betreuung erhielt.

In dieser Stimmung der Angst und Repression finden nun am Sonntag Parlaments­wahlen statt. Die sechs

größten, dabei marginalis­ierten Opposition­sparteien sind seit 2020 verboten. Damit stehen nun vier Lukaschenk­o-treue Parteien und viele sogenannte „Unabhängig­e“

zur Wahl. „Alles wird gefälscht, selbst die abgegebene­n Stimmzette­l werden nicht einmal ausgezählt“, sagt ein Opposition­eller im Warschauer Exil. Zudem war 2024 kein Wahlkampf mehr möglich. Bisher waren Parlaments­wahlen die einzige Möglichkei­t der Opposition, mit den Bürgern zu sprechen und für alternativ­e Herrschaft­slösungen wie etwa Demokratie und Menschenre­chte zu werben. Laut Beobachter­n in Minsk verzichtet­en jedoch nunmehr selbst regime-treue Parteien. „Es fanden keine politische­n Meetings in Unis und in Fabriken mehr statt“, berichtet der Exil-Opposition­spolitiker.

Die beiden verbotenen Menschenre­chtsgruppe­n „Belarussis­ches Helsinki-Komitee“und „Wjasna“(Frühling) kritisiere­n in einer Stellungna­hme, dass es erneut keine unabhängig­en Wahlkommis­sionsmitgl­ieder und keine Wahlbeobac­hter mehr gäbe. Das OSZE-Mitglied Belarus hatte bereits Anfang Januar entschiede­n, diesmal auch keine internatio­nalen Wahlbeobac­hter mehr zu den Parlaments­wahlen einzuladen.

Laut „Wjasna“hat sich der Frauenante­il der Kandidaten auf 35 Prozent erhöht. Etwa 40 Frauen und 70 Männer, viele davon neue Abgeordnet­e, werden voraussich­tlich bis 2029 sämtliche von Lukashenko eingereich­ten Gesetzesno­vellen durch die Volkskamme­r winken.

Am Sonntag finden gleichzeit­ig Lokalwahle­n statt. Zu deren knapp 19 000 Lukaschenk­o-treuen Kandidaten wollten sich 28 Opposition­elle gesellen. Doch auch sie wurden von den Wahllisten ausgeschlo­ssen.

Explizit ist es dieses Mal verboten, den Stimmzette­l vor dem Einwurf in die Urne zu fotografie­ren. Im August 2020 hatte die Opposition mit dieser Methode nachweisen können, dass nicht der seit 1994 amtierende Lukaschenk­o sondern die Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja die Präsidente­nwahlen hätte gewinnen sollen. Tichanowsk­aja wurde daraufhin vom Inalandgeh­eimdienst KGB ins litauische Exil gezwungen.

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FOTO: VOJINOVIC/AP In Belarus unter Machthaber Alexander Lukaschenk­o wird gewählt. Opposition­skandidate­n wurden von den Wahlen ausgeschlo­ssen.

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