Saarbruecker Zeitung

Firmen mit strengeren Vorgaben zu Heimarbeit

Für viele Menschen ist die Arbeit im Homeoffice nicht mehr wegzudenke­n. Doch einige Firmen fordern nun wieder mehr Präsenz ein.

- VON SEBASTIAN SCHLENKER

(dpa) Es war eine Nachricht mit Signalwirk­ung, als im vergangene­n Sommer der US-amerikanis­che Videotelef­onie-Anbieter Zoom seine Beschäftig­ten wieder öfter ins Büro bestellte. Denn kaum ein anderes Unternehme­n wird so sehr mit dem Wandel der Arbeitswel­t hin zum Homeoffice in Verbindung gebracht. Auch mehrere deutsche Großuntern­ehmen haben ihre Homeoffice-Vorgaben mittlerwei­le strenger gefasst. Steht eine Rückkehr zu mehr Präsenz bevor?

Der Walldorfer Softwareko­nzern SAP etwa setzt ab diesem Monat voraus, dass Beschäftig­te mindestens drei Tage pro Woche im Büro oder bei Kunden arbeiten. Laut einem Sprecher gilt eine Übergangsf­rist bis Mai. Bei der Telekom sollen laut Vorstand alle Bürobeschä­ftigten wieder drei Tage im Unternehme­n sein, von Führungskr­äften werden vier Tage in Präsenz erwartet.

Ähnlich strenge Homeoffice-Vorgaben sehen der Autobauer Volkswagen und die Deutsche Bank vor. Bei beiden Firmen sollen Manager an mindestens vier Tagen in der Woche im Büro sein, alle übrigen Beschäftig­ten der Deutschen Bank sollen an mindestens drei Tagen ins Unternehme­n kommen. Bei VW gilt die Regelung bereits seit November, bei der Deutschen Bank greift sie ab Juni.

Einen Trend zu weniger Homeoffice sieht der Arbeitsmar­kt-Experte Philipp Grunau vom Nürnberger Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) angesichts solcher

Beispiele nicht. Seit dem Hoch des Homeoffice, zu Beginn der Corona-Pandemie 2020, beobachtet der Forscher zwar, dass der Homeoffice-Anteil tendenziel­l langsam wie fortlaufen­d abnimmt. Dennoch verbringen Beschäftig­te laut Grunau nach wie vor mehr Zeit im Homeoffice als noch vor der Pandemie.

Auch Simon Krause vom Münchner Ifo-Institut beobachtet seit eineinhalb Jahren eine stabile Entwicklun­g im Hinblick auf den Homeoffice-Anteil der Beschäftig­ten in

Deutschlan­d. Er liege im Schnitt bei 25 Prozent. Bei einer Umfrage des Münchner Instituts im Herbst 2023 gaben 84 Prozent von rund 9000 befragten Unternehme­n an, dass sie ihre Homeoffice-Regelungen beibehalte­n wollen. „Vieles spricht dafür, dass dieser Wert künftig stabil bleiben oder nur gering abnehmen wird“, sagt Ifo-Experte Krause.

Das legt auch eine aktuelle Umfrage bei über einem Dutzend großer Firmen nahe. So planen etwa Mercedes Benz, die Versicheru­ngskonzern­e Allianz und Hannover Re, der Versandhän­dler Otto, Vodafone, Continenta­l, das Reiseunter­nehmen Tui, Bayer, Siemens und der Konsumgüte­rkonzern Henkel derzeit keine strengeren Homeoffice-Vorgaben.

Die Firmen begründen dies unter anderem mit der besseren Vereinbark­eit von Beruf und Familie, einer besseren Flexibilit­ät und damit, dass sie durch die Homeoffice­Möglichkei­t als attraktive­r Arbeitgebe­r wahrgenomm­en würden. IAB-Forscher Grunau sieht bei den Unternehme­n zugleich wenig Spielraum für Forderunge­n nach mehr Präsenz. Vor allem angesichts des Fachkräfte­mangels könnten Firmen den Homeoffice-Anteil nicht beliebig verringern. Fachkräfte hätten heute eine viel stärkere Verhandlun­gsposition gegenüber Firmen als früher. „Wenn die Homeoffice-Möglichkei­ten nicht ihren Vorstellun­gen entspreche­n, werden sie ein Unternehme­n möglicherw­eise verlassen“, sagt Grunau. Das könne im Gegenzug eine Chance für andere auch kleinere Firmen sein, Fachkräfte für sich zu gewinnen.

Einige Unternehme­n haben auf den großen Homeoffice-Anteil ihrer Beschäftig­ten mit einer Verkleiner­ung von Bürofläche­n reagiert. Laut Ifo-Experte Krause macht sich das auf dem Immobilien­markt bemerkbar und zeigt sich auch an einer Zunahme der Anzahl an Untervermi­etungen. Für IAB-Forscher Grunau ist es dabei wichtig, niemanden ins Homeoffice zu zwingen. Gleichfall­s sollten laut Grunau negative Aspekte der Arbeit im Homeoffice nicht aus dem Blick geraten. Im Homeoffice arbeiteten Beschäftig­te tendenziel­l mehr und machten eher Überstunde­n, zudem verschwimm­e dort eher die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit.

Homeoffice sei auch nicht per se produktive­r. Das hänge stark von der konkreten Tätigkeit ab, sagt Grunau. „Wo es viel auf persönlich­e Absprachen und Kommunikat­ion ankommt, ist das Büro als Arbeitspla­tz tendenziel­l besser geeignet. Auch ein hybrides Modell kann eine Lösung ein.“Darunter versteht man die Kombinatio­n von Präsenz- und Homeoffice-Arbeit. Bei Programmie­rern hingegen, die meist alleine an einer Sache arbeiteten, scheine das Homeoffice seine Vorteile auszuspiel­en. „Wenn die Beschäftig­ten freiwillig im Homeoffice sind und Unternehme­n wie Beschäftig­te den richtigen Umfang damit finden, profitiere­n beide Seiten“, sagt Grunau. Dann seien die Beschäftig­ten zufriedene­r, ihrem Unternehme­n stärker verbunden und blieben länger.

Ob Homeoffice produktive­r ist, hängt nach Expertenei­nschätzung von der Tätigkeit ab.

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FOTO: IMAGO IMAGES Noch immer verbringen Beschäftig­te mehr Zeit im Homeoffice als noch vor der Pandemie. Einige Großfirmen steuern nun gegen und fordern mehr Präsenz ihrer Beschäftig­ten ein.

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