„Saarbrücken ist auf einem guten Weg“
Überall in Deutschland kämpfen Innenstädte mit Leerständen und weiteren Problemen. Wie die Lage in Saarbrücken ist und wie sie verbessert werden könnte, darüber diskutierten diese Woche vier Experten.
Wäre das Besucherinteresse an der Podiumsdiskussion im „Saarrondo“am Dienstagabend ein Gradmesser für die Beliebtheit der Einkaufsstadt Saarbrücken, sähe es düster aus. Nur rund 30 Zuhörer waren der Einladung der CDU-Stadtratsfraktion an den Eurobahnhof gefolgt, um Neues über Innenstädte im Wandel und mögliche Chancen für die Landeshauptstadt zu erfahren. Nach über 90 Minuten stand fest: Diese Diskussion hätte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt. Denn die Diskutanten Tobias Raab, Gregor Asmus, Michael Genth und Bastian Popp überraschten mit spannenden Aussagen.
Professor Popp, Chef des Instituts für Handel und internationales Marketing an der Saar-Universität, legte gleich los mit einer Erkenntnis, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. „Der stationäre Handel ist immer noch zweifellos der beste Weg für die meisten Hersteller und Händler, um Kunden zu erreichen.“Nicht ohne Grund erlebe er in den USA eine Renaissance, war aus der Runde zu hören. Popp betonte, dass der stationäre Handel vergleichsweise kostengünstig sei. Was dort an Miete gezahlt werde, müssten oft in weit höherem Maße Online-Händler für Werbung bei
Google und Co. bezahlen. Gleichwohl gebe es „Herausforderungen“für den stationären Handel, nicht in jeder Kleinstadt könne er in bekannten Größenordnungen weiterbestehen. „Aber in einer Metropole wie Saarbrücken ist die Basis hierfür wunderbar gegeben, was Kaufkraft und Frequenz angeht“, erklärte Popp. Voraussetzung: Man müsse akzeptieren, dass der Wandel eine Dynamik mit sich bringe, „die wir nutzen müssen und der wir positiv gegenüberstehen müssen“. Tue
man das nicht, werde man „jeden Tag traurig“sein.
Saarbrücken jedenfalls sei „auf einem guten Weg“, so lautet Popps Eindruck: „Wenn ich durch die Innenstadt laufe, nehme ich das trotz der vielen Leerstände wahr. Ich sehe Dynamik, Dinge, die angepackt werden, und ich sehe viele Akteure mit Herzblut.“
Einer, der dieses Herzblut wie kaum ein anderer in Saarbrücken verkörpert, ist Michael Genth. Der Chef von Leder Spahn in der Bahnhofstraße und Vorsitzende des Vereins für Handel und Gewerbe versuchte zunächst einmal, die gegenwärtige Lage vieler Händler in der Stadt zu erklären. Man dürfe nicht vergessen, wie sehr sie unter Corona und den Zwangsschließungen gelitten hätten. Er möchte „nicht jammern“, aber das sei nun mal die Situation, dass vielen Geld für Investitionen fehle, weil sie über Jahre große Einbußen hatten, teilweise Schulden zurückzahlen müssten. „Doch es sind viele dabei, die Ärmel hochzukrempeln. Wir arbeiten uns da raus.“
Genth stellte zur Unterstützung des Handels zwei Forderungen an die Politik. Einerseits müsse Saarbrücken nochmal in das Stadtbild investieren, sagte er und erinnerte an Gestaltungsleitlinien unter Ex-Baudezernentin Rena WandelHoefer. Nötig sei ein „qualitätsvoller Entwicklungsschub, der diese Stadt nach vorne bringt“und attraktiver mache. Er lobte die Umgestaltung der Berliner Promenade oder des Landwehrplatzes und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Erweiterung der Congresshalle ebenfalls ein Erfolg werde.
Die zweite Forderung: ein „vollwertiger Ganztags-Citymanager“. Zusammen mit einem Team müsse dieser sich darauf konzentrieren können, die Innenstadt zu entwickeln. Momentan sei die Stadt in dieser Hinsicht zu schlank aufgestellt. Ein Citymanager sei „hoch sinnvoll“und „keine Kür“– es gehe um „knallharte wirtschaftliche Interessen“und darum, sich regional und überregional durchzusetzen. Handelsexperte Popp bestätigte, ein Citymanagement sei „auf jeden
Fall eine wertvolle Investition“, dies zeigten Erfahrungen aus andern Städten.
Mit anderen Städten kennt sich Gregor Asmus aus, der ebenfalls auf dem Podium saß. Er ist Verkaufsleiter der Valora-Gruppe, die unter anderem Kioske an Bahnhöfen im ganzen Land betreibt. Sein Eindruck von Saarbrücken: „Ja, es gibt Herausforderungen, wie in jeder Stadt. In Saarbrücken dreht sich viel, es wird viel gut gemacht, es ist ein interessanter Standort, eine tolle Einkaufsstadt.“
Das hörte Wirtschaftsdezernent Tobias Raab gern. Wie andere auch habe Saarbrücken Probleme mit großen Warenhäusern und großen Ketten, sagte er, doch es habe zuletzt auch viele Neueröffnungen gegeben. „Ich sehe ganz, ganz viel Licht“, meinte Raab, der zudem lobte, es habe in Saarbrücken noch nie eine Verwaltungsspitze gegeben, die sich derart den Themen Sauberkeit und Sicherheit verschrieben habe wie die jetzige. Auch habe man die Aufenthaltsqualität in der Stadt durch die Erweiterung der Fußgängerzone und die Verdopplung der Außenbestuhlungsfläche am Markt verbessert. Städte, in die man gern fahre, entwickelten sich in diese Richtung und da wolle man auch mit Saarbrücken hin, sagte Raab.
Zustimmung kam von Michael Genth, der an 2023 als das beste Tourismusjahr der Geschichte erinnerte und diesen Wandel begrüßt: „Lasst uns Saarbrücken neu begreifen, neu definieren, neu erleben – und dann auch so nach außen verkaufen!“, rief er den Zuhörern zu. Das Entscheidende sei, „dass wir uns nicht selber verzwergen“, sagte Genth: „Wir müssen uns so groß machen, wie wir tatsächlich sind.“Nämlich: die größte Stadt der Großregion, größer als Metz oder Luxemburg. Und wenn man alle mit SB-Kennzeichen dazuzähle, komme man auf rund 300 000 Menschen, womit man selbstbewusst Werbung machen könne, denn damit gehöre Saarbrücken zu den 25 größten Städten Deutschlands. Die Stadt müsse den „ganz klaren Anspruch“haben, für Kunden und Touristen „mindestens Bundesliga“zu spielen, eigentlich sogar europäisches Niveau.
Dezernent Raab äußerte sich später noch zu zwei weit verbreiteten Kritikpunkten an Saarbrücken: hohe Ladenmieten und teure Parkplätze. Die Gewerbemieten seien nicht per se zu hoch, hohe Mieten nämlich seien ein Zeichen von Stärke: „Dort, wo sie richtig hoch sind, haben Sie gute Kaufkraft und Frequenz. Unser Ziel ist nicht, dass die Mieten weiter sinken.“
Preise und Qualität von Parkhäusern seien schwierige Themen, weil langfristige Verträge eingehalten werden müssten. Grundsätzlich sei die Erreichbarkeit Saarbrückens mit dem Auto aber sehr gut: „Ich kenne viele Städte in Europa und Deutschland, aber ich kenne keine, deren Innenstadt mit dem Pkw so gut und so schnell erreichbar ist.“Vielleicht bald auch mit selbstfahrenden Autos? Michael Genth träumt schon von dem Tag, an dem er nach dem Restaurantbesuch samt Rotwein und Digestif von einem solchen Gefährt sicher nach Hause gebracht wird. „Positive Visionen“seien wichtig, meinte Genth. Das gilt für die gesamte Stadt.