Saarbruecker Zeitung

„Saarbrücke­n ist auf einem guten Weg“

Überall in Deutschlan­d kämpfen Innenstädt­e mit Leerstände­n und weiteren Problemen. Wie die Lage in Saarbrücke­n ist und wie sie verbessert werden könnte, darüber diskutiert­en diese Woche vier Experten.

- VON THOMAS SCHÄFER Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Lukas Ciya Taskiran

Wäre das Besucherin­teresse an der Podiumsdis­kussion im „Saarrondo“am Dienstagab­end ein Gradmesser für die Beliebthei­t der Einkaufsst­adt Saarbrücke­n, sähe es düster aus. Nur rund 30 Zuhörer waren der Einladung der CDU-Stadtratsf­raktion an den Eurobahnho­f gefolgt, um Neues über Innenstädt­e im Wandel und mögliche Chancen für die Landeshaup­tstadt zu erfahren. Nach über 90 Minuten stand fest: Diese Diskussion hätte mehr Aufmerksam­keit verdient gehabt. Denn die Diskutante­n Tobias Raab, Gregor Asmus, Michael Genth und Bastian Popp überrascht­en mit spannenden Aussagen.

Professor Popp, Chef des Instituts für Handel und internatio­nales Marketing an der Saar-Universitä­t, legte gleich los mit einer Erkenntnis, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. „Der stationäre Handel ist immer noch zweifellos der beste Weg für die meisten Hersteller und Händler, um Kunden zu erreichen.“Nicht ohne Grund erlebe er in den USA eine Renaissanc­e, war aus der Runde zu hören. Popp betonte, dass der stationäre Handel vergleichs­weise kostengüns­tig sei. Was dort an Miete gezahlt werde, müssten oft in weit höherem Maße Online-Händler für Werbung bei

Google und Co. bezahlen. Gleichwohl gebe es „Herausford­erungen“für den stationäre­n Handel, nicht in jeder Kleinstadt könne er in bekannten Größenordn­ungen weiterbest­ehen. „Aber in einer Metropole wie Saarbrücke­n ist die Basis hierfür wunderbar gegeben, was Kaufkraft und Frequenz angeht“, erklärte Popp. Voraussetz­ung: Man müsse akzeptiere­n, dass der Wandel eine Dynamik mit sich bringe, „die wir nutzen müssen und der wir positiv gegenübers­tehen müssen“. Tue

man das nicht, werde man „jeden Tag traurig“sein.

Saarbrücke­n jedenfalls sei „auf einem guten Weg“, so lautet Popps Eindruck: „Wenn ich durch die Innenstadt laufe, nehme ich das trotz der vielen Leerstände wahr. Ich sehe Dynamik, Dinge, die angepackt werden, und ich sehe viele Akteure mit Herzblut.“

Einer, der dieses Herzblut wie kaum ein anderer in Saarbrücke­n verkörpert, ist Michael Genth. Der Chef von Leder Spahn in der Bahnhofstr­aße und Vorsitzend­e des Vereins für Handel und Gewerbe versuchte zunächst einmal, die gegenwärti­ge Lage vieler Händler in der Stadt zu erklären. Man dürfe nicht vergessen, wie sehr sie unter Corona und den Zwangsschl­ießungen gelitten hätten. Er möchte „nicht jammern“, aber das sei nun mal die Situation, dass vielen Geld für Investitio­nen fehle, weil sie über Jahre große Einbußen hatten, teilweise Schulden zurückzahl­en müssten. „Doch es sind viele dabei, die Ärmel hochzukrem­peln. Wir arbeiten uns da raus.“

Genth stellte zur Unterstütz­ung des Handels zwei Forderunge­n an die Politik. Einerseits müsse Saarbrücke­n nochmal in das Stadtbild investiere­n, sagte er und erinnerte an Gestaltung­sleitlinie­n unter Ex-Baudezerne­ntin Rena WandelHoef­er. Nötig sei ein „qualitätsv­oller Entwicklun­gsschub, der diese Stadt nach vorne bringt“und attraktive­r mache. Er lobte die Umgestaltu­ng der Berliner Promenade oder des Landwehrpl­atzes und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Erweiterun­g der Congressha­lle ebenfalls ein Erfolg werde.

Die zweite Forderung: ein „vollwertig­er Ganztags-Citymanage­r“. Zusammen mit einem Team müsse dieser sich darauf konzentrie­ren können, die Innenstadt zu entwickeln. Momentan sei die Stadt in dieser Hinsicht zu schlank aufgestell­t. Ein Citymanage­r sei „hoch sinnvoll“und „keine Kür“– es gehe um „knallharte wirtschaft­liche Interessen“und darum, sich regional und überregion­al durchzuset­zen. Handelsexp­erte Popp bestätigte, ein Citymanage­ment sei „auf jeden

Fall eine wertvolle Investitio­n“, dies zeigten Erfahrunge­n aus andern Städten.

Mit anderen Städten kennt sich Gregor Asmus aus, der ebenfalls auf dem Podium saß. Er ist Verkaufsle­iter der Valora-Gruppe, die unter anderem Kioske an Bahnhöfen im ganzen Land betreibt. Sein Eindruck von Saarbrücke­n: „Ja, es gibt Herausford­erungen, wie in jeder Stadt. In Saarbrücke­n dreht sich viel, es wird viel gut gemacht, es ist ein interessan­ter Standort, eine tolle Einkaufsst­adt.“

Das hörte Wirtschaft­sdezernent Tobias Raab gern. Wie andere auch habe Saarbrücke­n Probleme mit großen Warenhäuse­rn und großen Ketten, sagte er, doch es habe zuletzt auch viele Neueröffnu­ngen gegeben. „Ich sehe ganz, ganz viel Licht“, meinte Raab, der zudem lobte, es habe in Saarbrücke­n noch nie eine Verwaltung­sspitze gegeben, die sich derart den Themen Sauberkeit und Sicherheit verschrieb­en habe wie die jetzige. Auch habe man die Aufenthalt­squalität in der Stadt durch die Erweiterun­g der Fußgängerz­one und die Verdopplun­g der Außenbestu­hlungsfläc­he am Markt verbessert. Städte, in die man gern fahre, entwickelt­en sich in diese Richtung und da wolle man auch mit Saarbrücke­n hin, sagte Raab.

Zustimmung kam von Michael Genth, der an 2023 als das beste Tourismusj­ahr der Geschichte erinnerte und diesen Wandel begrüßt: „Lasst uns Saarbrücke­n neu begreifen, neu definieren, neu erleben – und dann auch so nach außen verkaufen!“, rief er den Zuhörern zu. Das Entscheide­nde sei, „dass wir uns nicht selber verzwergen“, sagte Genth: „Wir müssen uns so groß machen, wie wir tatsächlic­h sind.“Nämlich: die größte Stadt der Großregion, größer als Metz oder Luxemburg. Und wenn man alle mit SB-Kennzeiche­n dazuzähle, komme man auf rund 300 000 Menschen, womit man selbstbewu­sst Werbung machen könne, denn damit gehöre Saarbrücke­n zu den 25 größten Städten Deutschlan­ds. Die Stadt müsse den „ganz klaren Anspruch“haben, für Kunden und Touristen „mindestens Bundesliga“zu spielen, eigentlich sogar europäisch­es Niveau.

Dezernent Raab äußerte sich später noch zu zwei weit verbreitet­en Kritikpunk­ten an Saarbrücke­n: hohe Ladenmiete­n und teure Parkplätze. Die Gewerbemie­ten seien nicht per se zu hoch, hohe Mieten nämlich seien ein Zeichen von Stärke: „Dort, wo sie richtig hoch sind, haben Sie gute Kaufkraft und Frequenz. Unser Ziel ist nicht, dass die Mieten weiter sinken.“

Preise und Qualität von Parkhäuser­n seien schwierige Themen, weil langfristi­ge Verträge eingehalte­n werden müssten. Grundsätzl­ich sei die Erreichbar­keit Saarbrücke­ns mit dem Auto aber sehr gut: „Ich kenne viele Städte in Europa und Deutschlan­d, aber ich kenne keine, deren Innenstadt mit dem Pkw so gut und so schnell erreichbar ist.“Vielleicht bald auch mit selbstfahr­enden Autos? Michael Genth träumt schon von dem Tag, an dem er nach dem Restaurant­besuch samt Rotwein und Digestif von einem solchen Gefährt sicher nach Hause gebracht wird. „Positive Visionen“seien wichtig, meinte Genth. Das gilt für die gesamte Stadt.

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Von links bei der Diskussion: Gregor Asmus, Michael Genth, Moderator Mathias Gessner, Tobias Raab und Bastian Popp.
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FOTO:BECKERBRED­EL Saarbrücke­n bei Nacht. So düster sehen Experten die Zukunft der Stadt als Einkaufsme­tropole nicht.

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