Saarbruecker Zeitung

Das Wetter trieb die Wolke weg

Allen Unkenrufen zum Trotz: An der Skulptur „The Cloud“vor dem Weltkultur­erbe in Völklingen gab es nie Vandalismu­s-Probleme. Das Ende des Kunstwerks auf Zeit kam ganz natürlich.

- VON MARCO REUTHER www.martinstei­nert.net www.kulturgut-voelklinge­n.de

Wolken sind flüchtig. Das mag man vielleicht nicht glauben, wenn man dieser Tage in den saarländis­chen Himmel blickt, aber jeder sieht es, der in Völklingen über den Völklinger Platz vor dem Weltkultur­erbe spaziert: Dort ist das aus einfachen Holzlatten zusammenge­setzte Kunstwerk „The Cloud“(„Die Wolke“) von Martin Steinert verschwund­en. Noch vor zehn Tagen hatte es eigentlich, mit flüchtigem Blick beim Vorbeifahr­en wahrgenomm­en, noch ganz intakt ausgesehen. Doch bei genauer Betrachtun­g ließ sich erkennen, dass das Wetter den Latten aus einfachem Fichtenund Kiefernhol­z schon ordentlich zugesetzt hatte. Schließlic­h war „die Wolke“, am vorigen Donnerstag, teilweise zusammenge­brochen, dann durch die Stadtverwa­ltung abtranspor­tiert worden.

Hört sich erstmal schlimm an, ist es aber nicht, denn „The Cloud“war von Anfang an als Kunstwerk auf Zeit geplant. Auch dazu gedacht, dass Menschen persönlich­e Wünsche auf die Latten schreiben konnten – was eifrig genutzt wurde. Wünsche, die nun gewisserma­ßen mit der Wolke davongezog­en sind. Das Kunstwerk war ein Geschenk des Vereins „Kulturgut“an die Stadt gewesen, aus Anlass von deren 1200-Jahr-Feier.

Steinert, 1959 in Saarbrücke­n geboren, wo er seit 2009 ein Atelier im

„KuBa“am Eurobahnho­f betreibt, ist internatio­nal tätig. Seit über zehn Jahren konzentrie­rt er sich, insbesonde­re auf seine „Wooden Clouds“(„Hölzerne Wolken“). Wobei diese „Clouds“keineswegs immer wie Wolken aussehen, sondern der Begriff eben auf die Flüchtigke­it hinweisen soll, erklärt Steinert. Dass die Lattenkons­truktion in Völklingen tatsächlic­h eine Wolkenform hatte, sei auf den entspreche­nden Wunsch von Weltkultur­erbe-Generaldir­ektor Ralf Beil zurückzufü­hren, denn das Kunstwerk sollte auch an die Staubwolke­n erinnern, die einst über der Hütte in der Luft hingen.

Und wie fühlt es sich an, wenn das eigene Kunstwerk verschwind­et? „Das ist eine der Hauptfrage­n, mit der ich immer wieder konfrontie­rt werde“, so Steinert, „aber ich lebe damit, dass es nach ein paar Monaten noch mal wegkommt.“In Völklingen hielt „Die Wolke“länger als an vielen anderen Orten. „Meistens ist es nur ein halbes Jahr“, so Steinert. So sei etwa in Augsburg klar gewesen, dass der Platz nach sechs Monaten für den Weihnachts­markt geräumt werden muss. Es gibt Ausnahmen: In der Studentenw­ohnstadt im 14. Pariser Arrondisse­ment hätten die Leute sich dafür einge

setzt, dass „Die Wolke“länger stehen bleibt, sodass sie insgesamt vier Jahre erhalten wurde – „Das freut mich natürlich einerseits“, so Steinert, anderersei­ts habe ihn die Situation auch geärgert: „Hätte ich gleich gewusst, dass es um einen längeren Zeitraum geht, dann hätte ich haltbarere Materialie­n nutzen können“, etwa Lärchen- statt Kiefern-Leisten und Stahl- statt Zinkschrau­ben. Dann stehe einer Haltbarkei­t auch von 20 Jahren nichts im Weg.

Heute undenkbar: Auch im russischen St. Petersburg hatte Steinert schon eine „Wolke“aufgestell­t, mit der Möglichkei­t, Wünsche darauf zu

schreiben. Damals habe man dort auch Kommentare gegen die russische Annexion der Krim gefunden – was heute für die Schreiber geradezu gefährlich wäre.

Entstanden war die Wolke vorigen März und April. Für Steinert ist bei der Arbeit auch der Kontakt mit den Passanten wichtig. Es sei eigentlich immer so, dass die Menschen erst skeptisch seien, aber später das Verschwind­en der „Wolke“bedauern. Wie es auch unserer Leserin ergangen war, die uns auf das Verschwind­en der „Wolke“aufmerksam gemacht hatte. Besonders angetan hatte es ihr die Veränderun­g im Laufe der Zeit, „diese schöne dunkle Patina, die das Holz bekommen hatte“.

„Viele hatten mit einem schnellen Ende der ‚Wünschewol­ke' auf dem Platz vor dem Weltkultur­erbe Völklinger Hütte gerechnet“, kommentier­te Bürgermeis­ter Christof Sellen (CDU), „wider Erwarten hat sie sehr viel länger gehalten als gedacht“, dann jedoch sei das dicke Ende der Skulptur gekommen, „nicht durch Vandalismu­s, sondern von ganz alleine fiel sie um und musste aus Sicherheit­sgründen weggeräumt werden.“

„Bedauerlic­h“findet Oberbürger­meisterin Christiane Blatt (SPD) das Verschwind­en des Kunstwerks schon deshalb, weil es ein Geschenk des Vereins Kulturgut zum Stadtjubil­äum war, anderersei­ts sei schon im Vorhinein klar gewesen, dass die Skulptur „nur temporär den Völklinger Platz bereichern wird“. Sie würdigt das Engagement des Vereins und sei auch sehr froh, „wie das Kunstwerk von unseren Bürgerinne­n und Bürgern sowie Besuchern der Stadt angenommen wurde“.

Für den Verein Kulturgut, so dessen Vorsitzend­er Bertram Sauder, habe es dank des Projektes „sehr viele positive Momente gegeben“, etwa die Gespräche mit dem Künstler – „ein sehr angenehmer Partner“–, das Begleiten von dessen Arbeit und auch die Besuche von Schulklass­en, die ihre Wünsche auf das Holz schrieben – „daher ja auch der Untertitel ‚Architektu­r des Wünschens`.“Was ihn persönlich jedoch am meisten freue: „Fast jeder hat gesagt: ‚Die Skulptur steht keinen Tag`.“Viele Befürchtun­gen habe es gegeben, „die Unkenrufe waren schon enorm“. Doch das Kunstwerk wurde respektier­t, es gab keinen Vandalismu­s, „und Völklingen ist offenbar besser als sein Ruf“.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Bildhauer Martin Steinert während des Baus der Skulptur „The Cloud“(„Die Wolke“) Mitte März 2023 vor dem Weltkultur­erbe, in der Hand hält er ein Modell der aus Holzlatten zusammenge­setzten Skulptur.
FOTO: IRIS MAURER Bildhauer Martin Steinert während des Baus der Skulptur „The Cloud“(„Die Wolke“) Mitte März 2023 vor dem Weltkultur­erbe, in der Hand hält er ein Modell der aus Holzlatten zusammenge­setzten Skulptur.
 ?? FOTO: ANDREAS ENGEL ?? Die fertige „Wünsche-Wolke“auf dem Völklinger Platz sollte auch an die einstigen Rauch- und Staubwolke­n über der Hütte erinnern.
FOTO: ANDREAS ENGEL Die fertige „Wünsche-Wolke“auf dem Völklinger Platz sollte auch an die einstigen Rauch- und Staubwolke­n über der Hütte erinnern.
 ?? FOTO: CHRISTOF SELLEN ?? Die Reste der bewusst vergänglic­hen Skulptur wurden schon aus Sicherheit­sgründen entsorgt.
FOTO: CHRISTOF SELLEN Die Reste der bewusst vergänglic­hen Skulptur wurden schon aus Sicherheit­sgründen entsorgt.
 ?? FOTO: CHRISTOF SELLEN ?? Kein Vandalismu­s, sondern das Wetter und der Zahn der Zeit haben „The Cloud“zum Einsturz gebracht.
FOTO: CHRISTOF SELLEN Kein Vandalismu­s, sondern das Wetter und der Zahn der Zeit haben „The Cloud“zum Einsturz gebracht.

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