Kulinarisches mit Kultstatus
Gleich zwei Spezialitäten, die in kaum einer saarländischen Küche fehlen, kommen aus einem Traditionsunternehmen in St. Ingbert-Rohrbach: Melfor-Essig und Amora-Senf.
Es dürfte wenig saarländische Haushalte geben, in denen nicht irgendwo ein Amora-Senfglas steht. Nicht unbedingt nur eins, in dem Senf ist. Die Gläser sind nicht selten vom Kühl- in den Geschirrschrank gewandert, nachdem der Senf aufgegessen war. Das liegt daran, dass das in St. Ingbert ansässige Unternehmen immer viel Wert auf die Gestaltung seiner Senfgläser gelegt hat. Insbesondere bei Kindern waren sie sehr beliebt – wegen der Comicfiguren, die auf einige Gläser aufgedruckt waren. Es gibt sogar Sammler, die für einige der sogenannten Motivgläser gutes Geld zahlen.
Den meisten Liebhaberinnen und Liebhabern dieses Produkts geht es aber nicht um die Verpackung, sondern um den Inhalt. Für viele Saarländerinnen und Saarländer ist Amora-Senf – egal ob scharf oder mild – der perfekte Begleiter zum originalen Lyoner. Ein echter saarländischer Lyoner darf sich nur so nennen, wenn er aus Schweine- und Rindfleisch, oft in der Mischung von etwa zwei Drittel zu einem Drittel, besteht. Dazu kommen frische Zwiebeln und Maggi, hat der ehemalige Schröder-Geschäftsführer Willi Walter mal erklärt. Und der Ring muss im Naturdarm verkauft werden. Welche Gewürzmischung dazukommt, ist das Betriebsgeheimnis der Metzgerei.
Senf gehört wie der Doppelweck zum Lyoner. Aber er ist nicht nur ein Genussmittel, sagen die Amora-Hersteller. „Als Nahrungsmittel stärkt er den Kopf, die Kehle, die Augen sowie alle Sinne des Magens“, erklärt die Firma. Auf langen Reisen aßen Matrosen deshalb Senf, um sich vor Skorbut, rheumatischen Schmerzen oder Grippe zu schützen. Seit dem 19. Jahrhun
dert wird Senfpflaster von Ärzten eingesetzt, weil es angeblich der Heilung vieler Krankheiten zuträglich ist.
Der Senfanbau selbst ist seit dem frühen Altertum bekannt. Bereits um 3000 vor Christus haben die Chinesen Senf angebaut und kultiviert. Die Römer und die Griechen schätzten den medizinischen und kulinarischen Gebrauch des Senfes. Senf ist also keine französische Erfindung, wie viele Menschen wegen des weltberühmten Dijon-Senfs vermuten.
Der Amora-Senf hat allerdings schon französische Wurzeln – wie das zweite Produkt, das die St. Ingberter Firma herstellt: Melfor-Essig. Dieses Produkt ist auch die Marke, die das Unternehmen im Namen führt: Melfor GmbH. Melfor, die Würze, die mit „milder als Essig“wirbt, ist nach Angaben der Herstellerfirma ein Traditionsprodukt, das bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Marke selbst entstand 1922. „Sie breitet sich in Frankreich von Mulhouse über Strasbourg nach Metz und dann auch grenzübergreifend im Saarland aus“, heißt es in der Chronik des Unternehmens.
Es ist wohl der vergleichsweise milde Geschmack von Melfor, der dafür gesorgt hat, dass diese Art des Essigs sich im Saarland und inzwischen auch in vielen anderen Teilen Deutschlands verbreitet hat. „Den großen Durchbruch erreichte die Marke Melfor 1950. Seitdem hat sie sich als ,Saarländische Spezialität‘ voll etabliert“, schreibt die Firma.
Der Autor Herbert Kihm erinnert sich an Melfor aus seiner Kindheit in Blieskastel. Ihm seien aus der Küche seiner Mutter immer noch fast alle saarländischen Rezepte in Erinnerung geblieben. „Ein absolutes ,Muss‘ für meine Mutter war das Würzmittel Melfor als Salatwürze und als Aufguss beim Einmachen der Gurken“, schreibt er. Er hat auch die Geschichte der Firma recherchiert. Im Elsass habe Fritz Spengler aus Essig, Honig und Pflanzenextrakten Melfor entwickelt. Und dann habe der sanfte Essig „seinen unaufhaltsamen Siegeszug in Richtung Saarland“angetreten.
Essig ist noch älter als Senf. Seine Geschichte geht zurück bis 6000 vor Christus. „Wir kennen Gefäße, in denen noch Reste von Essig nachweisbar waren. Es wurden auch Spuren von Essig auf Gefäßen gefunden, wie sie die alten Ägypter und Chinesen verwendeten. Ca. 2.000 Jahre später gibt es Überlieferungen aus Mesopotamien, in denen von ,saurem Bier‘ die Rede ist. Dieses Produkt, von den Ägyptern ,Hequa‘ genannt, wurde aus Gerste gebraut und durch den Essigstich sauer“, erklären die Melfor-Macher. Jahrzehntelang sei Essig in vielen Betrieben nur ein Zufallsprodukt gewesen. „Wollte man Essig gezielt herstellen, so gelang seine Qualität manchmal hervorragend, dann wieder wollte und wollte er nicht sauer werden. Durch fehlende Erfahrung und mangelndes Wissen bezüglich Bakterien und Gärung war die Essigerzeugung nur schwer in den Griff zu bekommen. Essig als Gärungsprodukt aus einer alkoholischen Flüssigkeit benötigt vor der zweiten Vergärung schon einen gewissen Grundgehalt an Alkohol, damit die Essigsäurebakterien – die auch für die Gewinnung von Essigmutter verantwortlich sind – überhaupt zu arbeiten beginnen können. Dieser richtige vergorene Essig enthält so gut wie keinen Restalkohol mehr, schmeckt vorwiegend sauer und ist aus unserem Leben fast nicht mehr wegzudenken, da mit ihm viele Speisen verfeinert werden“, informiert Melfor.
Im Gegensatz zu den Amora-Senfgläsern eignen sich die Melfor-Flaschen nicht zum weiteren Gebrauch, geschweige denn zum Sammeln – sie sind aus Kunststoff. Für Sammler hat das Unternehmen weiter ein Motivglas im Angbot. Darauf sind die Saarlodris zu sehen. „Die Saarlodris sind die Maskottchen des Saarlandes. Zwischen 1984 und 2008 flimmerten sie als Werbefüller im Vorabendprogramm des SR und wurden dadurch schnell einem breiten Publikum bekannt. Noch heute erfreuen sich große und kleine Saarländer an den kleinen grünen Männchen“, begründet das Unternehmen die Wahl dieses Motivs. Es sei für Melfor als saarländisches Traditionsunternehmen „selbstverständlich, den Saarlodris auf unseren beliebten Amora-Senfgläsern eine Heimat zu geben“.