Walsheimer Bier eroberte die Welt
Walsheim Bier war über Jahrzehnte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine saarländische Qualitätsmarke. Bis 1937 wurde im heutigen Ortsteil der Gemeinde Gersheim Bier gebraut.
Die Walsheimer AG war nach der Rückkehr des Saarlandes ins Deutsche Reich 1935 eines der ersten Unternehmen, dessen Eigentümer Hans Kanter, der 1874 in Berlin geboren wurde, man aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Unternehmen drängte. Er musste vor den Nazis flüchten und verstarb kurze Zeit später in der Schweiz. Im Jahr 1922 hatte er die Brauerei übernommen und hatte sich die Aktienmehrheit gesichert. Bis 1929 modernisierte er sie zur größten Brauerei im Saargebiet. Kanter gründete 1936 im französischen Strasbourg die Biermarke „Kanterbräu“. Die bekannte Marke Walsheim wurde in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg noch erfolgreich von der Karlsberg-Brauerei vermarktet. Die Produktionsstätte im Bliestaldorf bestand nur noch aus einer Ruine, wurde nicht mehr aufgebaut. Wie kam es dazu? Im Heimatbuch „Walsheim und seine Geschichte“schreibt Heinz Höfler zu ihren Schicksalsjahren in den 1930erJahren: „Dr. Kanter, Hauptaktionär des Unternehmens, entzog der Brauerei das von ihm investierte Kapital ... Jedenfalls musste die Brauerei nach dem Weggang Dr. Kanters den Konkurs anmelden. Eine im Jahre 1935 vom NS-Regime eingesetzte Konkursverwaltung konnte der Brauerei nicht mehr zur einstigen Größe verhelfen. Zahlreiche personelle Umbesetzungen und innerbetriebliche Veränderungen mussten den Niedergang der Brauerei zudem beschleunigen.“Nachdem die Betriebsanlagen mit dem architektonisch herausragenden fünfstöckigen Hochkeller und dem turmartigen Gärkeller aus der Bauhaus-Epoche nach ersten Beschädigungen im ersten Kriegsjahr 1939 und danach beim vernichtenden Bombenangriff 1945 stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, blieben nur noch Fragmente übrig. Anfang der 1980er-Jahre verschwanden Reste der Gebäuderuinen, die über Jahrzehnte dorfbildprägend waren, von der Bildfläche. Sie mussten vor der Abrissbirne kapitulieren. Erhalten blieb ein zum ältesten Kern der Braustätte gehörender großer Keller mit seinen 16 Kuppeln, in dem große Fässer gelagert und gekühlt worden waren. Er steht mittlerweile unter Denkmalschutz, stellt ein markantes Relikt saarländischer Industriegeschichte dar und erinnert an Walsheims bekannteste Firma. Derzeit wird der Vorplatz des Brauereikellers umgebaut. Nachdem das Vorgelände „nivelliert“und neu angelegt ist, soll dort mit dem „Hans-Kanter-Platz“an den letzten Brauereibesitzer und Generaldirektor erinnert werden.
Die Brauerei hatte Christian Schmidt bereits im Jahr 1848 gegründet. Sie avancierte danach schnell zu einem expandierenden Unternehmen und erwarb sich weltweit einen guten Ruf mit ihrem Produkt aus Wasser und Gerste. Die Bierlieferungen gingen bald über das untere Bliestal hinaus. Zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870 wurde Walsheim Bier sogar schon in Frankreichs Hauptstadt Paris ausgeschänkt. Der Bierausstoß lag um die Jahrhundertwende bei etwa 50.000 Hektolitern, geliefert wurde in den gesamten elsässisch-lothringischen Raum. Durch den Versailler Vertrag verlor die Brauerei ihren bisherigen Kundenstamm in
Elsass-Lothringen, konnte aber als Entschädigung den Großteil der saarpfälzischen Kundschaft übernehmen. 1922 trat die damalige Park- und Bürgerbräu Zweibrücken eine Liefermenge von 72.000 Hektolitern ab. Im gleichen Jahr hatte Kanter das Unternehmen übernommen und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In den 1930er-Jahren verließen jährlich 240.000 Hektoliter Bier die Braustätte, die damals rund 300 Mitarbeiter beschäftigte. Exportiert wurde der Walsheimer Gerstensaft zur Blütezeit der Brauerei nach Amerika, Südamerika, Madagaskar, Paris und in die französischen Kolonien. Vor einigen Jahren haben sich Menschen zusammengefunden, die das Erbe der Brauerei lebendig halten. Sie gründeten 2011 den Verein für Brauerei- und Dorfgeschichte Walsheim, der vom Bürgermeister der Gemeinde Gersheim, Michael Clivot, geführt wird und rund 30 Mitglieder zählt.