Was zwei Jahre Krieg für Kinder an der Front bedeuten
Die 16-jährige Mariia aus der ukrainischen Stadt Dnipro beschreibt in Berlin ihre Erinnerungen an den Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren so: „An einem Tag haben meine Freunde und ich uns über einen Mathetest beschwert, am nächsten Tag hörten wir Explosionen und Sirenen.“Eine neue Realität begann: Luftalarm, zwei- bis zehnmal pro Tag zwischen 20 Minuten und vier Stunden. „Du weißt nie, wie lange du im Schutzkeller bist“, sagt sie.
Seit dem 24. Februar 2022 verbrachten Kinder in den Gebieten nahe der Front zwischen 3000 und 5000 Stunden in Schutzkellern, wie aus einer aktuellen Analyse des UNKinderhilfswerks Unicef hervorgeht. Umgerechnet sind das bis zu sieben Monate. Mindestens 579 Mädchen und Jungen sind inzwischen getötet und mehr als 1280 verletzt worden. Rund 3,3 Millionen Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Viele Schulen sind geschlossen, mehr als 3800 Bildungseinrichtungen beschädigt oder zerstört. Laut Unicef können die Hälfte aller Kinder in der Ukraine nicht kontinuierlich am Präsenzunterricht teilnehmen. Wegen der Angriffe sind die Menschen zum Teil ohne Strom, Wasser und Gas. Hinzu kommen Gefahren durch Minen und Blindgänger. Schwere Folgen hat das nicht nur für die körperliche Gesundheit, es ist auch traumatisch, besonders für die Jüngsten: Kinder leiden an Angstzuständen und Depressionen.
Internationale Organisationen helfen so gut sie können: Die Unicef hat auch mit deutscher Unterstützung im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Kinder mit Lernangeboten erreicht und 2,5 Millionen Kinder sowie deren Betreuer mit psychosozialer Hilfe. Auch deutsche Organisationen wie die Welthungerhilfe engagieren sich und haben etwa Pakete zusammengestellt, um Kindern den Aufenthalt im Bunker erträglicher zu machen: mit Taschenlampen, Keksen, Tee und Malbüchern, die fluoreszierend sind, damit sie auch ohne Licht malen können.
Trotzdem: „Viele Kinder wachsen in der Ukraine sehr einsam auf“, sagt die zuständige Regionaldirektorin der Welthungerhilfe, Elke Gottschalk. Da viele zu Hause unterrichtet werden müssten, hätten sie weniger soziale Kontakte. „Viele Familien haben einfach auch Angst, ihre Kinder auf die Straße zu lassen.“Daher versucht die Organisation Orte zu schaffen, wo Kinder sich treffen und spielen können. Gottschalk fordert, dass die Bundesregierung bei der Finanzierung nicht nachlässt. „Die humanitäre Hilfe muss aufrechterhalten werden.“So hat sie für dieses noch keine konkreten Zahlen gesehen. „Hintergrund ist, dass der Bundeshaushalt so spät verabschiedet wurde und jetzt erst mit der Planung, wie die Mittel auf die Länder verteilt werden, begonnen wurde.“