Mit der Zeitenwende wird es jetzt ernst
Wladimir Putin hat alle Brücken hinter sich abgebrochen. Die zu Europa mit dem Überfall auf die Ukraine vor genau zwei Jahren. Die zu seinem eigenen Volk spätestens mit dem eiskalten Mord an Alexei Nawalny. Für den Diktator gibt es keinen Weg mehr zurück, nur noch nach vorn. Sieg oder Untergang.
Für die verteidigungspolitische Debatte kommt es nicht darauf an, ob man glaubt, dass Russland nach einem Sieg über die Ukraine tatsächlich auch das Baltikum oder Polen angreifen würde. Entscheidend ist, dass eine solche Möglichkeit erheblich wahrscheinlicher geworden ist. Das kann kaum jemand verneinen.
Nur eine Niederlage in der Ukraine kann Putin stoppen. Und glaubhafte Abschreckung. Es ist eine Situation, in der Zögerlichkeit zum noch größeren Krieg führt. Und nur Entschlossenheit ihn verhindern kann.
Bisher hat Russland keines seiner Kriegsziele erreichen können. Die Ukraine existiert weiter, unabhängig und stark. Aber sie blutet aus. Putin setzt auf Zeit – und auf seine Skrupellosigkeit beim Verbrennen von Kanonenfutter.
Die Nato nicht in den Krieg hineinzuziehen, jedenfalls nicht direkt, das war die oberste Maxime Berlins seit dem russischen Überfall am 24. Februar 2022. Doch über das Maß der Konfrontation entscheidet auch Putin, und er hat bereits entschieden: volle Konfrontation.
Schutz der eigenen Bevölkerung vor Fremdherrschaft und Mord ist die Kernaufgabe jedes Staates, auch der Bundesregierung. Daher muss es nun ihre wichtigste Aufgabe sein, Deutschland und die EU verteidigungsbereit zu machen. Kriegstüchtig, wie es Boris Pistorius ausgedrückt hat. Das bedeutet noch mehr Hilfen für Kiew, massive eigene Aufrüstung, die gemeinsame Sicherung der europäischen Ostgrenzen und politische Verabredungen über einen atomaren Schutzschirm der EU auf der Basis der britischen und französischen Arsenale. Denn auf die USA wird kein Verlass mehr sein, unabhängig vom Ausgang der dortigen Präsidentenwahl.
Noch immer aber regiert in Berlin das kleine Karo. Zwei Jahre hat die Ampel für die simple Feststellung gebraucht, dass es für den Frieden in Europa „essenziell“ist, dass die Ukraine diesen Kampf „gewinnt“und Putin ihn „verliert“. Mit allen Konsequenzen. Doch trotzdem traut man sich im jüngsten Bundestagsbeschluss immer noch nicht, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zuzusagen. Als ob das Putin milder stimmen könnte.
Diese Zögerlichkeit entspricht nicht dem Ernst der Zeit und gibt jenen Raum, die wie Chrupalla oder Wagenknecht verbreiten, dass es ein ferner Krieg sei, der uns nichts anginge. Ein Krieg, der leicht zu beenden sei. Durch Kapitulation. Sie triggern damit den Wunsch nach Frieden, nach normalen Verhältnissen. Aber das sind irreführende Sirenengesänge. Solange Putin an der Macht ist und solange Russland so ist, wie es ist, wird niemand in Europa sicher leben können. Deutschland muss wieder lernen, sich zu wehren. Und zwar schnell. Ohne Sicherheit ist alles nichts, hat der Kanzler gesagt. Und auch, dass eine Zeitenwende komme. Wohlan, es ist so weit.