Saarbruecker Zeitung

Ukraine-Freunde loben Hilfsberei­tschaft

Anlässlich des zweiten Jahrestags des Angriffskr­iegs auf die Ukraine blickt die Vorsitzend­e des Vereins der Ukraine Freunde Saar auf das Leben der Geflüchtet­en im Saarland.

- VON LEA KASSECKERT Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Markus Renz

Zwei Jahre sind seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine vergangen. Zwei Jahre, in denen rund 6,5 Millionen Menschen nach Schätzunge­n des UN-Flüchtling­skommissar­iats aus der Ukraine vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet sind. 18 887 von ihnen wurden in den ersten beiden Kriegsjahr­en im Saarland aufgenomme­n (Stand: Januar 2024). Im selben Zeitraum haben rund 4000 ukrainisch­e Flüchtling­e das Saarland wieder verlassen, teilt das Innenminis­terium mit.

„Grundsätzl­ich sind alle Ukrainer, die hier sind, dankbar dafür, dass sie hier sein dürfen. Sie erfahren eine enorme und unglaublic­he Gastfreund­schaft und nehmen das wirklich als Geschenk wahr“, berichtet Lesya Matiyuk. Sie ist Vorstandsv­orsitzende des Vereins der UkraineFre­unde Saar, gebürtige Ukrainerin und bereits vor über dreizehn Jahren zum Studieren nach Deutschlan­d gekommen. Den Verein rief sie nach Ausbruch des Krieges 2022 ins Leben. Seither organisier­en zahlreiche Ehrenamtli­che Projekte zur Hilfe für die Geflüchtet­en im Saarland und in der Ukraine. Momentan packen rund 70 Menschen aktiv mit an. Neue, engagierte Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er seien immer willkommen, betont Matiyuk.

In einer vom Verein initiierte­n Facebook-Gruppe seien derzeit 15 000 Mitglieder vernetzt. Das bringe den Vorteil, möglichst viele Menschen niedrigsch­wellig mit wichtigen Infos zu Behörden oder für die Jobsuche zu erreichen. Gleichzeit­ig bekommt der Verein mit, was die Geflüchtet­en bewegt, welche Fragen aufkommen und kann so schnell reagieren. „Unsere Stärke ist die Nähe zur Community, und wir genießen hohes Vertrauen.“

Vor allem bei der Jobsuche erweisen sich die Ukraine-Freunde Saar als echter Brückenbau­er zwischen den Flüchtling­en und Arbeitgebe­rn, erzählt die Vorstandsv­orsitzende. Das sei derzeit besonders wichtig, denn in Deutschlan­d schaffte es laut Statistisc­hem Bundesamt bisher nur jeder fünfte Ukrainer in einen Job, trotz hohen Bildungsni­veaus. Laut Saar-Sozialmini­sterium bezogen im Oktober 2023 zirka 10 600 ukrainisch­e Staatsange­hörige Bürgergeld, davon waren rund 7300 erwerbsfäh­ig. Matiyuk nennt zwei Gründe, warum viele der geflüchtet­en Ukrainerin­nen und Ukrainer im Saarland nicht arbeiten: fehlende Kitaplätze und nicht ausreichen­de Sprachkenn­tnisse. Hinzu komme, dass viele Flüchtling­e mit einem Gefühl der Unsicherhe­it lebten und eine gewisse Perspektiv­losigkeit bei der Frage empfänden, wie sich ihr Leben weiterentw­ickeln wird. Ihnen stellten sich existenzie­lle Fragen: Wie lange bleiben sie in Deutschlan­d? Wie und wo geht es nach einem Ende des Krieges für sie weiter? Lohnt es sich überhaupt, eine neue Karriere zu starten und im Job bei null anzufangen?

Zwar besuchen die meisten Ukrainer Sprachkurs­e, so Matiyuk. Dennoch seien viele frustriert, wenn es trotz vorhandene­r Grundkennt­nisse in Deutsch nicht für einen Job reicht. Um hier verstärkt zu motivieren und zumindest eine mittelfris­tige Perspektiv­e zu bieten, haben die Ukraine-Freunde Saar das Projekt „Let´s go to work“gestartet. In Workshops, die niedrigsch­wellig und auf Ukrainisch angeboten werden, lernen die Teilnehmer, worauf es bei Bewerbunge­n in Deutschlan­d ankommt und wie sie ihre Qualifika

tionen gezielt in den Fokus rücken können. Über 250 Anmeldunge­n habe es bereits gegeben. Im Zuge des Projekts arbeitet der Verein auch mit Arbeitgebe­rn zusammen, um deren Bedürfniss­e abzufragen, aber auch zu erklären, vor welchen Hürden die Geflüchtet­en hierzuland­e stehen und wie die Unternehme­n auf sie zukommen können. „Hier stehen wir gerade im Kontakt mit Arbeitgebe­rn aus dem Bereich der Medizin und der Kinderbetr­euung“, erläutert Matiyuk.

Unsicherhe­it und Angst löse bei vielen der ukrainisch­en Geflüchte

ten derzeit auch die politische Lage in Deutschlan­d aus. Sahra Wagenknech­ts neue Partei wird eine gewisse Nähe zu Russland nachgesagt, die AfD ist dem Putin-Regime nicht abgeneigt. „Diejenigen, die die Nachrichte­n schauen und das verstehen, die haben Angst.“Die Aussagen, die Wagenknech­t als „Putin-Versteheri­n und -Unterstütz­erin macht, sind ganz schlimm, nicht nur für die Ukraine, sondern für unser System, die Demokratie“, fasst Matiyuk zusammen. Umso beruhigend­er sei es für sie und für die ukrainisch­en Flüchtling­e, zu sehen, wie viele Menschen

aktuell in Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie auf Straßen gehen.

Auf die Bedeutung der Demokratie in Europa und den anhaltende­n Krieg in der Ukraine machen die Ukraine-Freunde Saar am Samstag mit einem Demo-Zug durch die Saarbrücke­r Innenstadt aufmerksam. Unter dem Motto „Wir halten zusammen!“geht es um 12.30 Uhr auf dem Landwehrpl­atz los.

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FOTO: BECKERBRED­EL Bereits zum ersten Jahrestag des Angriffskr­ieges auf die Ukraine haben Lesya Matiyuk und die Ukraine Freunde Saar eine Demonstrat­ion in Saarbrücke­n organisier­t. An diesem Samstag ist eine weitere Demo geplant.

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