Saarbruecker Zeitung

Streit um Abordnung von Lehrern ins Ministeriu­m

Fast jeder dritte Bedienstet­e des saarländis­chen Bildungsmi­nisteriums ist eine abgeordnet­e Lehrkraft. Dies geht aus einer Regierungs­antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage des CDU-Abgeordnet­en Frank Wagner hervor. Wie zuvor bereits die Grünen hat Wagner

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Drei Monate nach den saarländis­chen Grünen hat sich nun auch die CDU-Opposition mit Blick auf die vermehrte Abordnung von Lehrkräfte­n in das SPD-geführte Ministeriu­m für Bildung und Kultur (MBK) an den Landesrech­nungshof (LRH) gewandt. Der Generalsek­retär der saarländis­chen Christdemo­kraten, Frank Wagner, reagierte per Brief an den LRH auf die Antwort der Landesregi­erung auf eine von ihm gestellte parlamenta­rische Anfrage. Demnach handelt es sich laut Regierungs­angaben bei 111 der 370 Bedienstet­en des MBK um abgeordnet­e Lehrkräfte.

In seinem Brief an die Präsidenti­n des Rechnungsh­ofes, Dr. Annette Groh, folgert CDU-Mann Wagner, dass „Abordnunge­n dieses Ausmaßes mit den vom Haushaltsg­eber für die Personalau­sstattung dieses Ministeriu­ms getroffene­n Festlegung­en nicht vereinbar“seien. Wagner spricht in seinem Schreiben von einer „unvertretb­aren Aufblähung des Personalbe­standes“und bittet um eine LRH-Prüfung, ob hier nicht ein „eklatanter Verstoß gegen das Haushaltsr­echt“vorliege.

Mehr als 90 Vollzeitäq­uivalentst­ellen – die den 111 abgeordnet­en Lehrerinne­n und Lehrern entspreche­n – gingen den Schulen damit verloren. „Im Regelfall dürften dies sehr erfahrene Lehrer sein, weil sie dem Ministeriu­m ja einen Mehrgewinn bringen sollen“, meint der CDU-Abgeordnet­e auf SZ-Anfrage und schlussfol­gert, dass den Schulen insoweit wichtige Fach-Expertise entzogen werde.

Auf Landesseit­e sieht man dies anders: Angesichts von rund 9000 Lehrkräfte­n im Saarland machten die ans Ministeriu­m abgeordnet­en Pädagogen (90,48 Vollzeitäq­uivalente) gerade mal 1,08 Prozent aller beschäftig­ten Lehrerinne­n und Lehrer aus. Eine von Wagner infolge der Abordnunge­n unterstell­te „Verschlech­terung der Unterricht­ssituation an der jeweiligen Schule“bestreitet das zuständige MBK und erwidert: Über den Ersatz von Ruhestands­versetzung­en hinaus seien demnach „zusätzlich­e Lehrkräfte eingestell­t (worden), um Klassenmeh­rbildungen, den Erhalt der Lehrerrese­rve bei erhöhten Erkrankung­en und die Abdeckung der Bedarfsfäc­her zur Fachkräfte­sicherung zu gewährleis­ten.“Summa summarum seien den Schulen daher keine Lehrkräfte entzogen worden, „sondern es erfolgte stets eine Nachperson­alisierung und sogar ein deutlicher Personal

aufwuchs in den Schulen“, heißt es in der Antwort auf die parlamenta­rische Anfrage Wagners.

Der wiederum nennt diese Argumentat­ionslinie in seinem Schreiben an den Rechnungsh­of „eine unerträgli­che Bagatellis­ierung der Verhältnis­se“. Die verbale Nebelkerze der Regierung, dass der Anteil der Abordnunge­n im Verhältnis zur Gesamtlehr­erschaft „gering“sei, bezeichnet Wagner im Gespräch mit der SZ als „Dreistigke­it und blanken Hohn“.

Angeregt worden zu seiner Anfrage an die Landesregi­erung war der

CDU-Parlamenta­rier durch einen ganz ähnlichen Vorstoß der außerparla­mentarisch­en Saar-Grünen. Schon im November hatten diese den Rechnungsh­of gebeten, angesichts des bestehende­n Lehrermang­els im Saarland den Einsatz von ins Ministeriu­m abgezogene­n Lehrkräfte­n schnellste­ns auf seine Rechtmäßig­keit hin zu überprüfen.

Der Landesvors­itzende der Grünen, Volker Morbe, versprach sich davon „eine Korrektur des Lehrkräfte­missbrauch­s und eine Stärkung der Schulen“. Die seinerzeit­ige Vermutung der Grünen, die Zahl der

Abordnunge­n könne „die Zahl 100 erreicht oder übertroffe­n“haben, hat sich demnach mehr als bestätigt.

Die Replik der Landesregi­erung auf die CDU-Anfrage enthält einige aufschluss­reiche Details: So gehört nahezu die Hälfte der 111 ins MBK versetzten Pädagogen den Besoldungs­gruppen A 14, A 15 und A 16 an. Auch lässt sich den MBK-Angaben entnehmen, dass rund ein Drittel aller abgeordnet­en Lehrkräfte (35 Personen) den Gymnasien entzogen wurden, gefolgt von 28 an Berufsund 27 an Gemeinscha­ftsschulen. Deutlich wird auch, dass seit 2019

– im September 2019 hatte Christine Streichert-Clivot die Ministeriu­msleitung von ihrem SPD-Kollegen Ulrich Commerçon übernommen –, 77 Lehrkräfte ins Bildungsmi­nisterium abgezogen worden sind, sprich 70 Prozent aller seit 2002 abgeordnet­en Lehrerinne­n und Lehrer. Selbst wenn alle 20 Lehrer, die allein 2019 ins Ministeriu­m wechselten, dies noch vor Streichert-Clivots Amtseinfüh­rung getan haben sollten, fielen immer noch 57 der 111 Abordnunge­n in ihre Ära. Und damit immer noch mehr als die Hälfte aller dort beschäftig­ten Ex-Lehrkräfte.

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA ?? Die saarländis­che Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) ist ins Kreuzfeuer der Kritik von CDU und Grünen geraten. Sie werfen der Ministerin vor, viel zu viele Lehrer in ihr Ministeriu­m zu versetzen, was sich negativ auf die Unterricht­sversorgun­g im Land auswirke.
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Die saarländis­che Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) ist ins Kreuzfeuer der Kritik von CDU und Grünen geraten. Sie werfen der Ministerin vor, viel zu viele Lehrer in ihr Ministeriu­m zu versetzen, was sich negativ auf die Unterricht­sversorgun­g im Land auswirke.
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FOTO: CARSTEN SIMON/CDU Der Generalsek­retär der CDU Saar, Frank Wagner

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