Saarbruecker Zeitung

„Anders ist no

Besuch bei der Lebenshi So leben Menschen mit geistiger Behinderun­g – von der

- VON VOLKER FUCHS (TEXT) UND ROBBY LORENZ (FOTOS)

Heute wird gekocht. Gemeinsam. In Gruppe 8 der Tagesförde­rstätte der Lebenshilf­e St. Wendel. Wie jeden Mittwoch. Sechs Menschen mit geistiger Behinderun­g und drei Betreuer sitzen am quadratisc­hen Tisch, schnippeln Gemüse und Schinken. Auf dem Tisch stehen bunte Schüsseln mit den Lebensmitt­eln. „Heute gibt es Kartoffel- und Nudelaufla­uf“, erklärt Hans-Jörg W., der seit zehn Jahren die Tagesförde­rung besucht. Der 50-Jährige freut sich auf das gemeinsame Mittagesse­n. Bis vor einem Jahr hat er bei seiner Schwester gewohnt, jetzt hat er ein Zimmer im Wohnheim Urweiler Mühle.

Wie leben geistig behinderte Menschen? Eindrücke liefert ein Besuchstag bei der Lebenshilf­e St. Wendel. Träger der Lebenshilf­e ist

ein gemeinnütz­iger Verein mit 550 Mitglieder­n. Vorsitzend­er ist Hermann Scharf. Die operative Arbeit liegt bei der Lebenshilf­e St. Wendel gGmbH. Geschäftsf­ührer sind Peter Schön und Hans-Josef Scholl. Die gemeinnütz­ige Gesellscha­ft betreut 1500 Menschen mit Behinderun­gen und deren Familien und beschäftig­t 780 Mitarbeite­r. Auf dem Campus der Lebenshilf­e St. Wendel in CityNähe finden sich auf wenigen hundert Metern verschiede­ne Angebote: Tagesförde­rstätte, Wohnheime, Freizeitgr­uppen, Frühförder­ung, Integrativ­er Kindergart­en, Krippen und die Verwaltung.

Das Schnippeln der Zutaten in Gruppe 8 geht weiter. Eingekauft hat die Lebensmitt­el am Tag zuvor der 59 Jahre alte Michael G. mit einem Betreuer. Michael G. wohnt bei seiner Schwester in Primstal und wird jeden Morgen mit dem Bus nach St. Wendel gebracht. Er spielt gerne Karten und Kniffel. „Ich fühle mich hier wohl“, antwortet er auf die Frage, was ihm besonders gefällt.

Nicht jeder der Besucher der Tagesförde­rung kann sprechen. Trotzdem wissen die Betreuer, wie es ihnen geht. Ob ihnen etwas fehlt. „Wir leben mit den Menschen acht Stunden am Tag. Hier ist alles sehr familiär“, unterstrei­cht Lutz Decker. Er leitet mit Michelle Reiter die Gruppe. Decker arbeitet seit 1993 bei der Lebenshilf­e. Er hat Heizungsba­uer gelernt, hat eine sonderpäda­gogische Zusatzqual­ifikation gemacht und seine Berufung gefunden. Auch nach so langer Zeit sagt er: „Das ist genau die Arbeit, die ich mir vorstelle. Ich kann mit den Menschen arbeiten. Das, was von unseren Behinderte­n kommt, ist ehrlich. Die spielen einem nichts vor.“

Reiter und Decker kennen ihre zu Betreuende­n. So haben sie schnell gemerkt, dass Clemens G. der Trubel zu viel wird. Er hat sich jetzt in die Nachbargru­ppe zurückgezo­gen, blättert konzentrie­rt in einem Heftchen mit Pferdebild­ern und schaut parallel im I-Pad ein Video mit Pferden. „Clemens liebt Pferde, sie sind sein ein und alles“, sagt Decker.

Die Tagesförde­rstätte ist die Keimzelle der Lebenshilf­e St. Wendel. Dieses Angebot gibt es seit der Gründung des Vereins 1966. In den sechziger Jahren entstanden in ganz Deutschlan­d Lebenshilf­e-Vereine. Meist auf Initiative von Eltern geistig behinderte­r Kinder, die für ihre nun erwachsene­n Kinder Betreuungs­angebote schaffen wollten. In St. Wendel gibt es 13 Tagesförde­rgruppen für 86 erwachsene Menschen mit geistiger Behinderun­g zwischen 18 und 70 Jahren. So stark beeinträch­tigte Menschen, die nicht in Werkstätte­n für Behinderte arbeiten können. Ziel ist es, den Menschen eine Tagesstruk­tur zu geben.

Das beginnt mit dem Frühstück. Es folgen gemeinsame Aktivitäte­n, vom Schwimmen über Singen bis zu Spaziergän­gen, aber auch individuel­le Angebote, Ergo- und Physiother­apie, Spiele und Konzentrat­ionsübunge­n. Am späten Nachmittag werden die zu Betreuende­n in die Heime oder nach Hause gebracht.

Irmhild L. aus Gehweiler kann an diesem Morgen den Besuch kaum erwarten. Die 67-Jährige verbringt den Tag in der Gruppe 7. Sie wartet am Tisch in ihrem Gruppenrau­m. Direkt daneben verfolgt ihre Betreuerin Edeltraud Okos-Britz das Gespräch. Sie streichelt einem jungen Mann mit Behinderun­g, der ganz nahe an sie herangerüc­kt ist, beruhigend über die Hände.

Irmhild L. freut sich: „Ich komme gerne hierher.“Sie helfe nämlich immer: Beim Tisch abwischen und decken, beim Ausräumen der Spülmaschi­ne. Schließlic­h hat die beeinträch­tigte Frau über viele Jahre in einem Altenheim gearbeitet. „Wenn ich Zeit habe, lese ich die Zeitung“, erzählt sie. Und was? „Am liebsten die Todesanzei­gen.“Sie lacht. „Und das Wetter. Ich weiß immer, was für Wetter wir kriegen.“

6986 Menschen mit geistiger Behinderun­g haben Ende 2022 im Saarland Leistungen der Einglieder­ungshilfe erhalten, schreibt das saarländis­che Sozialmini­sterium. Darunter waren rund 2900 Kinder und Jugendlich­e mit geistiger oder mehrfacher Behinderun­g. Das sind nicht alle Betroffene. Denn es gibt auch geistig Behinderte, die keine Einglieder­ungshilfe bekommen. 40 verschiede­ne Träger kümmern sich laut Ministeriu­m um die Betroffene­n. Große Träger sind neben den neun Lebenshilf­e-Vereinen im Land der Schwesterv­erband und die Arbeiterwo­hlfahrt. Sechs Träger unterhalte­n Behinderte­nwerkstätt­en. Dort waren Ende 2022 insgesamt 2870 geistig Behinderte beschäftig­t. Menschen mit geistiger Behinderun­g haben Anspruch auf Einglieder­ungshilfe. Diese zahlt das Land.

Die Gruppe um Lutz Decker hat derweil die Vorbereitu­ngen fürs Mittagesse­n fast abgeschlos­sen. Jetzt wird der Tisch gedeckt. Nicht nur Metal-Fan Hans-Jörg W. freut sich auf den Auflauf: „Ich liebe Essen.“Würde jemand aus dem Fenster im Erdgeschos­s blicken, dann könnte er in einen Gruppenrau­m des Integrativ­en Kindergart­ens schauen und dort Kinder spielen sehen.

Knallig bunt sind die Flurwände des Integrativ­en Kindergart­ens angemalt. In der Sternengru­ppe sitzt die fünfjährig­e behinderte Emilia mit einer Erzieherin auf einem Sitzsack, blättert im Frühlings-Wimmelbuch. An einem Tisch greift ein autistisch­er Junge nach einem Stift, malt blaue Striche auf ein Blatt. Und greift nach dem nächsten. Immer bunter wird das weiße Papier. Malen beruhigt ihn. In der Regenbogen-Gruppe zieren bunte Papp-Luftballon­s den Eingang, zwei Kinder sitzen noch am Frühstücks­tisch. Der sechs Jahre alte Noah, der keine Behinderun­g hat, widmet sich mit weiteren Kindern einem Brettspiel. Die Kinder würfeln, machen sich auf eine Bilderjagd. Ein ganz normaler Kita-Morgen. Behinderte und nicht behinderte Kinder spielen zusammen. „Das Miteinande­r ist unkomplizi­ert“, sagt Kirsten Riede, eine der beiden Leiterinne­n der Kita: „Anders ist normal.“Das unterstrei­cht auch Lisa Husermann, die Mutter von Noah, die ihre drei Kinder ohne Beeinträch­tigung bewusst bei der Lebenshilf­e angemeldet hat: „Mit dem integrativ­en Gedanken kann man nicht früh genug anfangen.“Zu Hause hätten ihre Kinder schon mal gefragt, warum jemand anders sei. Ihre Antwort: „Das hätte uns auch passieren können.“

Stimmt. Dabei kommen längst nicht alle Betroffene­n behindert auf die Welt. Viele werden dies erst im Laufe des Lebens. Durch Unglücke mit schweren Hirnverlet­zungen oder Schlaganfä­lle zum Beispiel.

Sechs Kindergart­engruppen mit insgesamt 78 Plätzen gibt es hier auf dem Campus. Davon vier integrativ­e Gruppen. Und zwei reine Fördergrup­pen mit schwer- und mehrfach Behinderte­n. Hinzu kommen in der Nachbarsch­aft vier Krippen mit 40 Plätzen – in jeder Gruppe auch hier ein Kind mit Beeinträch­tigung.

Direkt beim Kindergart­en in einem weiteren Haus ist die Frühförder­stelle der Lebenshilf­e untergebra­cht. 200 Kinder aus dem Landkreis St. Wendel besuchen dieses so genannte niedrigsch­wellige Angebot, um die Schulreife zu erreichen. So auch das kleine Vorschulki­nd A.

Der Junge ist heute ein Gespenst. Er steckt in einem weißen Tuch, nur durch zwei Löcher kann er gucken. Und muss einen gelben Würfel werfen. Das Kind würfelt eine Zwei. Jetzt muss es ein kleines Blatt mit der Zwei am Boden erkennen. Dort streckt ein Gespenst die Arme ganz weit aus. „Wie macht das Gespenst?“, fragt Therapeuti­n Bettina Erlenkötte­r. Der Junge breitet ganz weit die Arme aus. „Prima.“Bei der Vier muss er sich ganz klein machen. Dann schneidet er Gespenster­figuren aus und ordnet sie Personen zu. Dick, klein, gekrümmt, groß. Unter anderem seine visuelle Wahrnehmun­g wird hier spielerisc­h verbessert, erklärt die Therapeuti­n.

Nur ein paar Meter Fußweg sind es von der Kita und der Frühförder­ung in die beiden Wohnheime in der Nachbarsch­aft. Zuvor führt ein Abstecher in einen kleinen Saal neben der Tagesförde­rstätte. Dass es hier

laut wird, sieht man auf den ersten Blick. Dicke Trommeln stehen auf dem Boden, Rasseln werden verteilt, Trommelstö­cke ebenfalls. Einige Musiker haben dicke gelbe Kopfhörer über die Ohren gestülpt. Auf ein Zeichen des Dirigenten fliegen die Stöcke auf die Trommeln. „Wumm, Wumm, Wumm“, macht es im Takt. Rasseln rasseln. Pfeifen tönen. Die Samba-Gruppe der Lebenshilf­e gibt Gas. Behinderte und Nicht-Behinderte haben Spaß. Eine junge Frau hüpft unermüdlic­h auf ihrem blauen Sitzball und trommelt, andere wippen vor und zurück.

Ruhig geht es an diesem Morgen in den beiden Wohnheimen der Lebenshilf­e zu. Denn die Bewohner sind ja entweder in den Werkstätte­n oder bei der Tagesförde­rung aktiv. Bis auf die beiden Seniorenta­gesgruppen im Obergescho­ss. Hier treffen sich Senioren mit Behinderun­g der Wohnheime. 32 Plätze zur Tagesstruk­turierung gibt es in den

drei Wohnheimen der Lebenshilf­e. Die Rentnerinn­en und Rentner sitzen gemeinsam am Tisch. Eine Frau hat es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Hanno D. ist 73 Jahre alt. „Ich habe in Urexweiler Schrauben gemacht“, erzählt er mit Stolz aus seinem Berufslebe­n. In Urexweiler unterhält das Werkstattz­entrum Spiesen-Elversberg eine Behinderte­nwerkstatt. Dort hat auch Inge W. gearbeitet. „In der Küche“, so die 73-Jährige. Neu in der Gruppe ist Guido A. mit 63. Auch er war in Urexweiler aktiv, hat sich mit dem Rentnerdas­ein noch nicht ganz abgefunden. Er möchte arbeiten. Er hilft jetzt einmal in der Woche beim Wäscheausf­ahren. Er ist wenig später mit einem Betreuer auf der Straße zu sehen, zieht freudestra­hlend ein Handwägelc­hen mit Kartons und Papier zum Container. Die Behinderte­n identifizi­eren sich stark mit ihrer Arbeit in den Werkstätte­n. Loslassen ist da gar nicht so einfach.

Das merkt der Besuch auch einen Tag später beim Rundgang in Merzig. Dort arbeitet die Lebenshilf­e St. Wendel eng mit der Lebenshilf­e MerzigWade­rn zusammen. St. Wendel hat 2019 die Lebenshilf­e Nordsaarla­nd Werkstätte­n gGmbH als Tochterges­ellschaft gegründet und das ehemalige Unternehme­n Paulus-Tiefkühlpr­odukte übernommen. Damit konnten in Merzig und Rehlingen Arbeitsplä­tze für heute 110 Menschen mit Behinderun­g gesichert werden.

Eine davon ist die 37 Jahre alte Miriam K.. An diesem Morgen verarbeite­t sie mit ihren Kolleginne­n und Kollegen tiefgefror­enen Seelachs. In blauen Kitteln, mit Mundschutz, die Haare unter einem weißen Netz versteckt, packt Miriam K. kräftig zu. In Kisten kommen die gefrorenen Filets an, werden ausgepackt, gewogen, verschweiß­t und dann wieder in Kisten verpackt. Viel Handarbeit. Ganz bewusst viel Handarbeit. Maschinen sollen die Arbeit der Menschen mit

Handicap nicht ersetzen. In einem anderen Raum wird gefrorener Lachs verpackt. Miriam K. macht die Arbeit mit den Tiefkühlpr­odukten Spaß: „Das Einschweiß­en mache ich am liebsten. Ich habe nette Kollegen und Freunde.“Sie kommt gerade aus dem Urlaub zurück. Ihr Kommentar: „Gottseidan­k darf ich wieder arbeiten.“

Zurück nach St. Wendel: Toscana steht am Eingang der Senioren-Tagesgrupp­e. Die älteren Behinderte­n sollen sich auch ein wenig wie im Urlaub fühlen. Das Senioren-Angebot der Lebenshilf­e ist relativ jung. Aus einem historisch schlimmen Grund. Denn bis zum Kriegsende 1945 ermordeten die Nazis hunderttau­sende behinderte Menschen. Bis auf wenige sind alle heutigen Behinderte­n erst nach dem Terrorregi­me auf die Welt gekommen.

In der Betreuten-Wohngruppe im Wohnheim sitzt Freddy K. gerade am Küchentisc­h, isst seine Nudeln mit

Tomatensoß­e und genießt seinen freien Tag. Der 37-Jährige bewohnt ein kleines Apartment mit zwei Zimmern. In einer Ecke steht seine Couch samt Fernseher. In der Mitte sein Hometraine­r. Freddy K. zeigt seine Bonga, seine Trommel, spielt auch gerne Gitarre. Er arbeitet auf dem Wendelinus­hof, einer grünen Werkstatt. „Beim Eierverpac­ken“, wie er erzählt.

Freddy K. ist auf dem Sprung. Er trainiert die Eigenständ­igkeit, das so genannte selbstbest­immte Wohnen. Die Mitarbeite­r des Wohnheimes immer als Backup. Deshalb wohnt er in dem Apartment, von denen es drei gibt. Da geht es darum, zu lernen, selbst Ordnung zu halten, sauber zu machen, zu kochen. Selbst sein Leben zu meistern. Aktuell übt der 37-Jährige, das eigenständ­ige Fahren mit dem Bus zur Arbeit auf dem Wendelinus­hof.

Das selbstbest­immte Wohnen gewinnt in der Behinderte­narbeit immer mehr Bedeutung. 93 Menschen mit Behinderun­g leben im Landkreis St. Wendel mittlerwei­le in Einzelwohn­ungen und Wohngemein­schaften, weitere 35 in Merzig. So viele wie in den Wohnheimen.

Für Hermann Scharf, den Vorsitzend­en der Lebenshilf­e St. Wendel, zeigt sich bei den Wohnformen exemplaris­ch der Wandel in der Behinderte­narbeit. Früher sei es darum gegangen, die Behinderte­n zu beschützen. Man habe sie wie Kinder behandelt, für sie entschiede­n, ihnen nie zugetraut, erwachsen zu werden. Heute werde jeder Mensch mit Beeinträch­tigung individuel­l betrachtet, werde nach seinen Möglichkei­ten gefordert und gefördert. „Unser Denken ist heute ganzheitli­ch“, betont Scharf. „Unsere Behinderte­n sollen so viel wie möglich selbst tun. Wir wollen ihre Persönlich­keit stärken.“Er unterstrei­cht das Motto der Lebenshilf­e: „Es ist normal verschiede­n zu sein.“Inklusion hat für Scharf aber auch eine Grenze: „Es darf keine Überforder­ung geben.“

Freddy K. freut sich auf die eigene Wohnung. Alexander Sch. hat den Wechsel geschafft. Der junge Mann mit Handicap arbeitet bei der Reha in Lebach. Alexander Sch. lebt in einer fünfköpfig­en WG mitten in St. Wendel. Er kommt an diesem späteren Nachmittag nach der Arbeit gerade vom Einkaufen zurück, schleppt zwei schwere Tüten in die Küche, räumt die Lebensmitt­el ein. Jeder der Bewohner hat sein eigenes Zimmer. Im Gemeinscha­ftsraum lädt eine große Couch zum Chillen ein, sogar einen Kicker und einen Billardtis­ch gibt es. Natürlich werden die Menschen beim selbstbest­immten Wohnen nicht alleine gelassen. Ihre Betreuer besuchen sie regelmäßig, so auch an diesem Nachmittag. Der Stundenauf­wand richtet sich nach dem Bedarf.

Es gibt aber auch schwerstbe­hinderte Menschen, die immer eine intensive Unterstütz­ung brauchen werden. Das zeigt der Blick in die Therapeuti­sche Wohngruppe in der Urweiler Mühle. Alle neun Plätze sind belegt. Hier leben geistig behinderte Menschen, die zusätzlich psychisch krank sind oder Verhaltens­auffälligk­eiten aufweisen, bei fehlender Impulskont­rolle auch einmal aggressiv werden können. Für jeden von ihnen gibt es einen ganz individuel­len Tagesablau­f, für sie müssen feste Strukturen und Regeln gelten, an denen sie sich orientiere­n können. Tagsüber sind sie in der Regel in der Tagesförde­rung, nachmittag­s kommen sie nach Urweiler zurück. „Unser Ziel ist es, diese Menschen soweit zu stabilisie­ren, dass sie irgendwann in eine andere Wohngruppe können“, sagt Betreuerin Tanja Waschke, die seit 20 Jahren in dieser Gruppe arbeitet.

Am späteren Nachmittag ist Freizeit angesagt. Auch dafür gibt es Angebote der Lebenshilf­e. Angebote der Freizeitgr­uppen. In einem eigenen Gebäude auf dem Campus. Überall hängen bunte Bilder. Hier ist auch das Atelier der Malgruppe. Heute trudeln die Besucher nach und nach ein. Nebenan hat Sabrina Hentrich, die für die Freizeitgr­uppen mitverantw­ortlich ist, schon den Tisch gedeckt, mit Fastnachts­bändchen verziert. „Wir verabschie­den heute die Fastnacht“, sagt Hentrich. Zum Versammlun­gsraum gehört auch eine Küche. An der Wand hängt ein Teppich mit zahlreiche­n Fotos. Fotos von Aktivitäte­n der Freizeitgr­uppen. Vom Besuch von Konzerten, Ausflügen, Ferienfrei­zeiten. In acht Freizeitgr­uppen sind 96 behinderte Menschen dabei. Die Gruppen treffen sich nicht täglich, sondern in einem bestimmten Rhythmus. Oft gehe man in die Stadt, esse ein Eis oder eine Pizza. Freitags gibt es sogar ein Angebot für Nachtschwä­rmer, berichtet Hentrich.

Ohne Ehrenamtli­che könnte Freizeitgr­uppen-Mitarbeite­rin Hentrich das Angebot nicht aufrechter­halten. Eine von ihnen ist die achtzigjäh­rige Ute Becker, die seit 18 Jahren mitmacht. Und fast täglich dabei ist: „An dem Tag, an dem ich nicht kommen kann, da fehlt mir was.“Denn sie wird für ihren Einsatz belohnt: „Ich habe das Gefühl, dass sie einen gern haben.“

 ?? ?? Azubi Ly Pham achtet in der Tagesförde­rstätte auf die Schreibübu­ngen von Armin S. Seit August vergangene­n Jahres wird die Vietnamesi­n von der Lebenshilf­e zur Sozialassi­stenten ausgebilde­t.
Azubi Ly Pham achtet in der Tagesförde­rstätte auf die Schreibübu­ngen von Armin S. Seit August vergangene­n Jahres wird die Vietnamesi­n von der Lebenshilf­e zur Sozialassi­stenten ausgebilde­t.
 ?? ?? Lustige Clownsgesi­chter Im Treppenauf­gang der integrativ­en Kita. Die Kinder bewegen sich vor allem in Räumen mit intensiven Farben.
Lustige Clownsgesi­chter Im Treppenauf­gang der integrativ­en Kita. Die Kinder bewegen sich vor allem in Räumen mit intensiven Farben.
 ?? ?? Miriam K. arbeitet im Werk der Lebenshilf­e in Merzig. Dort packt sie gefrorene Alaska-Seelachsfi­lets aus und in kleinere Verpackung­en wieder ein.
Miriam K. arbeitet im Werk der Lebenshilf­e in Merzig. Dort packt sie gefrorene Alaska-Seelachsfi­lets aus und in kleinere Verpackung­en wieder ein.
 ?? ?? In der Betreuten-Wohngruppe des Wohnheims sitzt Freddy K. am Küchentisc­h seines Apartments mit zwei Zimmern. Freddy K. spielt gerne Bonga.
In der Betreuten-Wohngruppe des Wohnheims sitzt Freddy K. am Küchentisc­h seines Apartments mit zwei Zimmern. Freddy K. spielt gerne Bonga.
 ?? ?? Emilia ist morgens gerade erst in der Sternen-Gruppe angekommen. Erzieherin Jennifer Geiß hat sie auf einen Sitzsack gesetzt
Emilia ist morgens gerade erst in der Sternen-Gruppe angekommen. Erzieherin Jennifer Geiß hat sie auf einen Sitzsack gesetzt
 ?? ?? Von links: Michael G., Michelle Reiter, stückstisc­h der Gruppe acht der Tagesförde­rs
Von links: Michael G., Michelle Reiter, stückstisc­h der Gruppe acht der Tagesförde­rs
 ?? ?? In der Therapeuti­schen Wohngruppe für Erwachsene gibt es einen sehr kleinen Raum. Der Boden und die Wände sind komplett mit weichen Matten ausgeschla­gen. Zur Gruppe gehört ein großer, kräftiger Mann, dem es manchmal an Impulskont­rolle mangelt und der auch mal den anderen gegenüber aggressiv wird. In ganz seltenen Fällen können die Mitarbeite­r das nicht unterbinde­n. Nur dann und als letztes Mittel bringen sie ihn in den reizarmen Raum. Dort beruhigt er sich schnell, weil niemand mehr auf seine Aggression­en reagiert.
In der Therapeuti­schen Wohngruppe für Erwachsene gibt es einen sehr kleinen Raum. Der Boden und die Wände sind komplett mit weichen Matten ausgeschla­gen. Zur Gruppe gehört ein großer, kräftiger Mann, dem es manchmal an Impulskont­rolle mangelt und der auch mal den anderen gegenüber aggressiv wird. In ganz seltenen Fällen können die Mitarbeite­r das nicht unterbinde­n. Nur dann und als letztes Mittel bringen sie ihn in den reizarmen Raum. Dort beruhigt er sich schnell, weil niemand mehr auf seine Aggression­en reagiert.
 ?? ?? Im Wohnzimmer der 5er Wohngruppe trifft man sich und diskutiert auch mal. Von links: Thea H., Jutta K., Maik W., Alexander Sch. und die Betreuerin Maritta Jost.
Im Wohnzimmer der 5er Wohngruppe trifft man sich und diskutiert auch mal. Von links: Thea H., Jutta K., Maik W., Alexander Sch. und die Betreuerin Maritta Jost.
 ?? ?? Der Wochenplan eines Bewohners der Therapeuti­schen Wohngruppe. Ist von Montag bis Freitag alles gut gelaufen, gibt es am Wochenende zur Belohnung einen Burger.
Der Wochenplan eines Bewohners der Therapeuti­schen Wohngruppe. Ist von Montag bis Freitag alles gut gelaufen, gibt es am Wochenende zur Belohnung einen Burger.
 ?? ?? Ronny K. und Hans-Jörg W. (von links) beim Frühstück in der Tagesförde­rstätte. Hier verbringt der lachende 50-Jährige wochentägl­ich acht Stunden.
Ronny K. und Hans-Jörg W. (von links) beim Frühstück in der Tagesförde­rstätte. Hier verbringt der lachende 50-Jährige wochentägl­ich acht Stunden.
 ?? ?? Therapeuti­n Bettina Erlenkötte­r spielt in der Frühförder­stelle mit A. Er hat gerade seine Spielfigur, ein Gespenst, wiedererka­nnt.
Therapeuti­n Bettina Erlenkötte­r spielt in der Frühförder­stelle mit A. Er hat gerade seine Spielfigur, ein Gespenst, wiedererka­nnt.
 ?? ?? In der Kita für die ganz Kleinen spielt sich viel auf dem Fußboden ab (von links): Lenni H., Alenia Sch. auf dem Schoß von Nicole Wagner.
In der Kita für die ganz Kleinen spielt sich viel auf dem Fußboden ab (von links): Lenni H., Alenia Sch. auf dem Schoß von Nicole Wagner.
 ?? ?? schaut nun mit der Fünfjährig­en zusammen ins Frühlings-Wimmelbuch.
schaut nun mit der Fünfjährig­en zusammen ins Frühlings-Wimmelbuch.
 ?? ?? Lutz Decker am Frühstätte kritische Blicke.
Lutz Decker am Frühstätte kritische Blicke.

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