Tag der Mundart – „Da Leut’ gefällt, wie mir schwätze“
Das Saarländische ist vom Aussterben bedroht? Wer die Ankündigung des Saarländischen Rundfunks zum Tag der Muttersprache las, bekam erstmal einen Schreck: „Die beiden saarländischen Mundarten Rhein- und Moselfränkisch stehen auf der ‚Roten Liste` der Unesco“hieß es dort. Rote Liste, das klingt nach bedrohten Tierarten. Aber steht es denn wirklich so schlimm um unseren Dialekt?
SR-Moderatorin Susanne Wachs, die seit 2012 den Tag der Muttersprache organisiert, sagt dazu: „Ich finde schon, dass man sich Sorgen machen muss. Eine gesprochene Sprache verändert sich. Es kommen immer mehr hochdeutsche Wörter in unseren Dialekt.“Zum zweiten Mal fand die Veranstaltung in Frankreich statt, und das mit gutem Grund: Im Gegensatz zum Saarländisch wird das Lothringer Platt fast nur noch von älteren Einwohnern gesprochen. Dieser Zustand wurde häufiger beklagt bei der Abschlussveranstaltung in der Kulturkneipe Terminus in Saargemünd.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die französische Regierung das Sprechen der Mundart verboten. Doch erst heute scheint dieses Ziel erreicht zu werden. Versuche wie ein zweisprachig vorgetragenes Theaterstück für Kinder sind da wohl nicht mehr als Tropfen auf den heißen Stein. „Viele Leute sagen, dass es so schade ist, dass der Dialekt ausstirbt“, meinte Hervé Atamaniuk, Direktor für Kulturangelegenheiten von Saargemünd. Heute höre man kaum noch Dialekt auf der Straße. „Sie lieben die Mundart, aber es ist sehr kompliziert für sie Platt zu sprechen“, sagte Maud Talma, die Interviews mit Lothringer Schülern geführt hat.
Trotz dieser trüben Aussichten gestaltete sich der Abend im Terminus mit sehr viel Humor – der funktioniert ja im Dialekt oft besser als in der Hochsprache. Mit dem Karl-Valentin-Sketch vom Feuerwehrtrompeter erntete Laurent Barthel die größten Lacher. Dabei musste man gar nicht mal alles verstehen, was der Komiker im tiefsten Lothringer Platt übers „Bloose und Spritze“vortrug – seine Aufmachung und Mimik allein waren zum Schießen.
Für viel Stimmung sorgten auch die Mundartlieder des Zweibrückers Michael Wack. Der Chef der Band Blues Himmel erklärte zunächst den Sonderstatus des Dialekts seiner Heimatstadt: „Wenn ich in der Vorderpfalz auftrete, sagen die Leute, das wäre ja gar kein Pfälzisch, das wäre doch Saarländisch!“Die Songs „Wo fangt de Himmel aan“oder „Naggisch iss scheener“wurden bereitwillig von den etwa 40 Anwesenden mitgesungen.
Susanne Wachs hatte auch die saarländische Meisterin im Poetry Slam, Clara Brill, davon überzeugen können, einen Beitrag auf Saarländisch vorzutragen. Brill erzählte die schöne Geschichte ihres Kulturschocks, als sie auf eine norddeutsche Mitstudentin traf: Diese habe doch tatsächlich die Verwendung des Worts „Zuschini“statt Zucchini kritisiert. Eine Woche lang habe Brill dann versucht, sich das Hochdeutsche anzugewöhnen – ohne Erfolg. Denn: „Da Leut' gefällt, wie mir schwätze, die finne das süß!“
Das sah auch Simon Matzerath so, seines Zeichens Leiter des Historischen Museums Saar. Er könne leider keinen Dialekt, obgleich er aus dem Rheinland stammt. Trotzdem meinte er: „Mundart ist das Lebensgefühl von uns allen.“Im letzten Jahr verwirklichte er das Projekt, den saarländischen Dialekt in DNA-Molekülen abzuspeichern. Diese neuartige Speichermethode sei herkömmlichen Methoden weit überlegen. In einem winzigen Tropfen Flüssigkeit seien riesige Datenmengen enthalten – was Wack zu dem Scherz veranlasste, dabei könne es sich nur um Maggi handeln. 2028 plant das Historische Museum eine Ausstellung dazu, außerdem sind schon heute sechzehn saarländische Dialekte auf der Webseite zu hören.
Mit Alphonse Walter aus dem Bitscherland und dem Saarländer Dieter Meier brachte Wachs zwei Männer auf die Bühne, die Theaterstücke in die Mundart übertragen haben. Walter schon 1972 den eingebildeten Kranken von Molière, Meier den „Brandner Kasper“. Den habe er zunächst auf Schwäbisch gesehen und sogleich gedacht: „Das is jo grusselich, das muss doch uff Saarlännisch sinn!“Seither spielt er die Rolle des Todes bei Aufführungen in der Ruine der Homburger Hohenburg.
In der eigenen Sprache habe man weniger Angst davor, unangenehme Dinge zu sagen, meinte der Schauspieler, manche Dinge würden sogar deutlicher. Für sein Stück gelte jedenfalls: „Es is arisch scheen.“Das traf auch auf den Abend im Terminus zu. Er zeigte, dass die Mundart durchaus noch lebendig ist.