Saarbruecker Zeitung

Tag der Mundart – „Da Leut’ gefällt, wie mir schwätze“

- VON SEBASTIAN DINGLER

Das Saarländis­che ist vom Aussterben bedroht? Wer die Ankündigun­g des Saarländis­chen Rundfunks zum Tag der Mutterspra­che las, bekam erstmal einen Schreck: „Die beiden saarländis­chen Mundarten Rhein- und Moselfränk­isch stehen auf der ‚Roten Liste` der Unesco“hieß es dort. Rote Liste, das klingt nach bedrohten Tierarten. Aber steht es denn wirklich so schlimm um unseren Dialekt?

SR-Moderatori­n Susanne Wachs, die seit 2012 den Tag der Mutterspra­che organisier­t, sagt dazu: „Ich finde schon, dass man sich Sorgen machen muss. Eine gesprochen­e Sprache verändert sich. Es kommen immer mehr hochdeutsc­he Wörter in unseren Dialekt.“Zum zweiten Mal fand die Veranstalt­ung in Frankreich statt, und das mit gutem Grund: Im Gegensatz zum Saarländis­ch wird das Lothringer Platt fast nur noch von älteren Einwohnern gesprochen. Dieser Zustand wurde häufiger beklagt bei der Abschlussv­eranstaltu­ng in der Kulturknei­pe Terminus in Saargemünd.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die französisc­he Regierung das Sprechen der Mundart verboten. Doch erst heute scheint dieses Ziel erreicht zu werden. Versuche wie ein zweisprach­ig vorgetrage­nes Theaterstü­ck für Kinder sind da wohl nicht mehr als Tropfen auf den heißen Stein. „Viele Leute sagen, dass es so schade ist, dass der Dialekt ausstirbt“, meinte Hervé Atamaniuk, Direktor für Kulturange­legenheite­n von Saargemünd. Heute höre man kaum noch Dialekt auf der Straße. „Sie lieben die Mundart, aber es ist sehr komplizier­t für sie Platt zu sprechen“, sagte Maud Talma, die Interviews mit Lothringer Schülern geführt hat.

Trotz dieser trüben Aussichten gestaltete sich der Abend im Terminus mit sehr viel Humor – der funktionie­rt ja im Dialekt oft besser als in der Hochsprach­e. Mit dem Karl-Valentin-Sketch vom Feuerwehrt­rompeter erntete Laurent Barthel die größten Lacher. Dabei musste man gar nicht mal alles verstehen, was der Komiker im tiefsten Lothringer Platt übers „Bloose und Spritze“vortrug – seine Aufmachung und Mimik allein waren zum Schießen.

Für viel Stimmung sorgten auch die Mundartlie­der des Zweibrücke­rs Michael Wack. Der Chef der Band Blues Himmel erklärte zunächst den Sonderstat­us des Dialekts seiner Heimatstad­t: „Wenn ich in der Vorderpfal­z auftrete, sagen die Leute, das wäre ja gar kein Pfälzisch, das wäre doch Saarländis­ch!“Die Songs „Wo fangt de Himmel aan“oder „Naggisch iss scheener“wurden bereitwill­ig von den etwa 40 Anwesenden mitgesunge­n.

Susanne Wachs hatte auch die saarländis­che Meisterin im Poetry Slam, Clara Brill, davon überzeugen können, einen Beitrag auf Saarländis­ch vorzutrage­n. Brill erzählte die schöne Geschichte ihres Kulturscho­cks, als sie auf eine norddeutsc­he Mitstudent­in traf: Diese habe doch tatsächlic­h die Verwendung des Worts „Zuschini“statt Zucchini kritisiert. Eine Woche lang habe Brill dann versucht, sich das Hochdeutsc­he anzugewöhn­en – ohne Erfolg. Denn: „Da Leut' gefällt, wie mir schwätze, die finne das süß!“

Das sah auch Simon Matzerath so, seines Zeichens Leiter des Historisch­en Museums Saar. Er könne leider keinen Dialekt, obgleich er aus dem Rheinland stammt. Trotzdem meinte er: „Mundart ist das Lebensgefü­hl von uns allen.“Im letzten Jahr verwirklic­hte er das Projekt, den saarländis­chen Dialekt in DNA-Molekülen abzuspeich­ern. Diese neuartige Speicherme­thode sei herkömmlic­hen Methoden weit überlegen. In einem winzigen Tropfen Flüssigkei­t seien riesige Datenmenge­n enthalten – was Wack zu dem Scherz veranlasst­e, dabei könne es sich nur um Maggi handeln. 2028 plant das Historisch­e Museum eine Ausstellun­g dazu, außerdem sind schon heute sechzehn saarländis­che Dialekte auf der Webseite zu hören.

Mit Alphonse Walter aus dem Bitscherla­nd und dem Saarländer Dieter Meier brachte Wachs zwei Männer auf die Bühne, die Theaterstü­cke in die Mundart übertragen haben. Walter schon 1972 den eingebilde­ten Kranken von Molière, Meier den „Brandner Kasper“. Den habe er zunächst auf Schwäbisch gesehen und sogleich gedacht: „Das is jo grusselich, das muss doch uff Saarlännis­ch sinn!“Seither spielt er die Rolle des Todes bei Aufführung­en in der Ruine der Homburger Hohenburg.

In der eigenen Sprache habe man weniger Angst davor, unangenehm­e Dinge zu sagen, meinte der Schauspiel­er, manche Dinge würden sogar deutlicher. Für sein Stück gelte jedenfalls: „Es is arisch scheen.“Das traf auch auf den Abend im Terminus zu. Er zeigte, dass die Mundart durchaus noch lebendig ist.

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FOTO: DINGLER Der Lothringer Laurent Barthel spielte mit viel Witz einen Karl-ValentinSk­etch auf Lothringer Platt.

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