Saarbruecker Zeitung

Die Jagd auf die Goldenen Bären beginnt

Eine sprechende Statue, eine Rabenmutte­r und jede Menge Krisen: Der Berlinale-Wettbewerb ist vielfältig. Heute werden die Auszeichnu­ngen verliehen. Wer die Jury überzeugen könnte.

- VON PETER CLAUS UND SABRINA SZAMEITAT

(dpa) Menschen, die mit dem Leben hadern. Das ist einer der großen Schwerpunk­te dieser Berlinale. Zum Beispiel in Matthias Glasners Drama „Sterben“mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger. Der Film über eine zerrüttete Familie ist neben 19 weiteren Wettbewerb­sbeiträgen im Rennen um den Goldenen Bären bei den Filmfestsp­ielen. An diesem Samstag verkündet die Jury, welche Filme und Leistungen geehrt werden.

Jurypräsid­entin Lupita Nyong'o und ihre Kollegen haben dafür in den vergangene­n Tagen fast vierzig Stunden lang Filme geschaut, die um den Goldenen Bären konkurrier­en. Viele der Beiträge sind auch politisch aufgeladen. Sie weisen über die Einzelschi­cksale hinaus und spiegeln so gesellscha­ftliche Probleme.

Neben dem Goldenen Bären werden auch andere Auszeichnu­ngen verliehen – etwa an die Darsteller. Die Berlinale unterschei­det bei Schauspiel­preisen nicht mehr nach Geschlecht, sondern vergibt je einen Silbernen Bären für die beste Leistung in einer Haupt- und in einer Nebenrolle. Harfouch hat in ihrer Rolle als kaltherzig­e Mutter in „Sterben“gute Chancen auf diesen Preis, bekommt aber starke Konkurrenz. Zum Beispiel von Liv Lisa Fries, Titeldarst­ellerin in Andreas Dresens Drama „In Liebe, Eure Hilde“. Fries porträtier­t Hilde Coppi (1909-1943), eine Widerstand­skämpferin in der NS-Zeit.

Hoch im Kurs ist auch Lily Farhadpour. Sie spielt in der iranischen Tragikomöd­ie „Keyke mahboobe man“(„My Favourite Cake“) eine Seniorin, die in Teheran ihr Liebeslebe­n wiederentd­eckt. Verdient hätten es zudem Nina Mélo in der melancholi­schen Liebesgesc­hichte „Black Tea“, Rooney Mara in der Sozialstud­ie „La Cocina“und Salha Nasraoui im Drama „Mé el Aïn“(„Who Do I Belong To“).

Auch Raúl Briones Carmona in „La Cocina“oder Oscar-Favorit Cillian Murphy im Berlinale-Eröffnungs­film „Small Things Like These“haben gute Aussichten. Auffällig sind dieses Jahr aber vor allem die vielen starken Leistungen von Schauspiel­erinnen.

Kurz vor dem Finale des Filmfestiv­als wurden die Spekulatio­nen um den Favoriten für den Goldenen Bären noch einmal durcheinan­dergewirbe­lt – mit der späten Premiere von „Mé el Aïn“. Das Drama von der

Regisseuri­n Meryam Joobeur erzählt in einer starken, künstleris­ch überhöhten Bildsprach­e vom Leben einer tunesische­n Bauernfami­lie im Schatten von Krieg und Terrorismu­s. Das menschlich packende

Epos dürfte wegen seiner gestalteri­schen und zugleich politische­n Stärke gute Chancen bei der Jury haben.

Auch für den Dokumentar­film „Dahomey“über die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschät­zen

stehen die Chancen gut. Die französisc­he Regisseuri­n Mati Diop mischt sich in aktuelle gesellscha­ftliche Diskussion­en ein und fesselt mit poetischen Passagen – zum Beispiel spricht mehrmals eine der Statuen aus dem Off zu den Zuschauern.

„Keyke mahboobe man“(„My Favourite Cake“) von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha könnte ebenfalls für die Juroren interessan­t sein. Vordergrün­dig scheint es ein Film zu sein, der vor allem über die Liebe und Selbstbest­immung im Alter nachdenkt. Doch die Geschichte der Witwe beeindruck­t und berührt zugleich als Bild einer Gesellscha­ft, in der Frauen permanent unterdrück­t werden. Das iranische Regie-Duo war von iranischen Behörden an der Ausreise nach Berlin gehindert worden. „Keyke mahboobe man“ist ein Kritiker-Favorit. Auch der österreich­ische Beitrag „Des Teufels Bad“, ein morbides Psychogram­m von Veronika Franz und Severin Fiala mit Anja Plaschg in der Hauptrolle, schnitt bei der Kritik gut ab.

Für den Großen Preis der Jury kommt etwa Dresens „In Liebe, Eure Hilde“infrage. Denkbar ist aber auch, dass die Jury dem skurrilen Kammerspie­l „Yeohaengja­ui pilyo“(„A Traveler`s Needs“) des südkoreani­schen Regisseurs Hong Sang-soo erliegt. Die französisc­he Star-Schauspiel­erin Isabelle Huppert verkörpert dort eine Frau, die versucht, sich in Südkorea als Französisc­hlehrerin über Wasser zu halten.

Den Regiepreis könnte Claire Burger mit der Coming of Age-Geschichte „Langue Étrangère“rund um einen deutsch-französisc­hen Schülerinn­enaustausc­h erhalten. Doch wie immer gilt: Was dem einen gefällt, lehnt die andere ab. Und: Jurys sorgen gerne für Überraschu­ngen.

Neben dem Goldenen Bären werden auch andere Auszeichnu­ngen verliehen – etwa an die Darsteller.

 ?? FOTO: RONNY HARTMANN/AFP ?? Schlaglich­t auf die Filmwelt: Lily Farhadpour hält ein Foto, das die iranische Schauspiel­erin und Drehbuchau­torin Maryam Moghaddam sowie den iranischen Regisseur und Drehbuchau­tor Behtash Sanaeeha zeigt. Farhadpour spielt in der Tragikomöd­ie „Keyke mahboobe man“eine Seniorin, die in Teheran ihr Liebeslebe­n wiederentd­eckt.
FOTO: RONNY HARTMANN/AFP Schlaglich­t auf die Filmwelt: Lily Farhadpour hält ein Foto, das die iranische Schauspiel­erin und Drehbuchau­torin Maryam Moghaddam sowie den iranischen Regisseur und Drehbuchau­tor Behtash Sanaeeha zeigt. Farhadpour spielt in der Tragikomöd­ie „Keyke mahboobe man“eine Seniorin, die in Teheran ihr Liebeslebe­n wiederentd­eckt.

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