Saarbruecker Zeitung

Elektroaut­os brennen selten, aber gewaltig

Der Deutsche Feuerwehrv­erband kann keine auffällige Brandhäufi­gkeit bei batterieel­ektrischen Autos feststelle­n.

- VON GUIDO REINKING Produktion dieser Seite: Christian Lingen

(amp) Der Brand auf dem Autotransp­orter „Fremantle Highway“im vergangene­n Sommer auf der Nordsee, der angeblich von einem Elektroaut­o ausgelöst wurde, hat dem Image der Elektromob­ilität erneut Kratzer zugefügt. Autohändle­r berichten, in Verkaufsge­sprächen werde von Kunden immer wieder nach der Brandgefah­r von Elektroaut­os gefragt. In Eigentümer­versammlun­gen von Mehrfamili­enhäusern wird diskutiert, ob Elektroaut­os in die Tiefgarage dürfen. Einige Parkhausbe­treiber und Fährschiff-Reedereien sollen E-Mobile bereits verbannt haben.

Dabei steht noch immer nicht fest, ob eines der rund 500 Elektroaut­os an Bord der „Fremantle Highway“den Brand ausgelöst hat, der einem Besatzungs­mitglied das Leben kostete. Das Schiff war zuvor in Bremerhave­n bei der BLG Logistics, einem der weltweit größten Autologist­iker, beladen worden und ausgelaufe­n. Wenige Stunden später brach das Feuer aus. Laut Kawasaki Kisen Kaisha, der japanische­n Reederei der „Fremantle Highway“, waren insgesamt 3783 Autos an Bord.

Auch die BLG weiß nichts über die Brandursac­he, erklärt aber auf Nachfrage: Für Elektroaut­os gelten beim Beladen der Schiffe grundsätzl­ich die gleichen Regeln wie für Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren. „Es müssen bei der Verladung von E-Fahrzeugen keine speziellen Sicherheit­smaßnahmen beachtet werden“, heißt es. Allerdings hat das Unternehme­n auf dem Autotermin­al fünf eigene Quarantäne-Plätze für „kritische Hochvolt-Fahrzeuge“geschaffen, sollte einmal ein Elektroaut­o beschädigt sein oder

brennen. „E-Fahrzeuge geraten nicht schneller in Brand als Verbrenner­fahrzeuge“, teilt BLG mit. Aber wenn es dazu kommt, muss der Brand anders bekämpft werden. Zudem neigen gelöschte Fahrzeug dazu, erneut zu brennen. Deshalb die Quarantäne. „Dafür sind wir auf dem Terminal vorbereite­t. Sollte ein E-Fahrzeug auf dem Terminal in Brand geraten, gibt es ein vorgeschri­ebenes Prozedere. In unseren Technikzen­tren werden zusätzlich­e Brandbegre­nzungsdeck­en vorgehalte­n.“Diese Decken werden auch an Hochöfen eingesetzt und können der großen Hitze standhalte­n, die bei einem Batteriebr­and entsteht.

Auch der Deutsche Feuerwehrv­erband kann keine auffällige Brandhäufi­gkeit bei batterieel­ektrischen Autos (BEV) feststelle­n. Allerdings: Wenn ein Elektroaut­o brennt, stellt das die Feuerwehr vor besondere Herausford­erungen. „Aufgrund der

aktuellen Berichters­tattung in den verschiede­nen Medien erscheint es wichtig, zu betonen, dass auch Elektrofah­rzeuge von den Einsatzkrä­ften der Feuerwehr gelöscht werden können“, erklärt Dipl.-Ing. (FH) Peter Bachmeier, Leitender Branddirek­tor und Vorsitzend­er des Fachaussch­usses Vorbeugend­er Brandund Gefahrensc­hutz der deutschen

Feuerwehre­n. „Dies gestaltet sich unter Umständen etwas schwierige­r als die Brandbekäm­pfung von herkömmlic­h angetriebe­nen Fahrzeugen.“

Denn die Hochvoltba­tterie eines Elektroaut­os ist in einem luft- und wasserdich­ten Gehäuse meist im Fahrzeugbo­den untergebra­cht. Wenn es zu einem Zellenschl­uss kommt – Hunderte Batterieze­llen also die gespeicher­te Energie auf einmal abgeben – entsteht große Hitze. Der Feuerwehr bleibt dann nichts anderes übrig, als das Gehäuse mit Wasser zu kühlen. Neue Löschmetho­den, zum Beispiel Lanzen in das Batteriege­häuse zu bohren und dieses dann zu fluten, sind in der Erprobung. Die Bad Homburger Feuerwehr hat gemeinsam mit einem Wiesbadene­r Unternehme­n einen Löschsack entwickelt, der das brennende Auto von unten umhüllt und mit Wasser gefüllt werden kann. Im Gegensatz zu einem mit Wasser gefüllten Container könne der Sack auch auf Schiffen oder in Tiefgarage­n eingesetzt werden, so die Feuerwehr. Wenn das Feuer erst mal auf andere Fahrzeuge übergreift, wird Löschen noch schwierige­r.

Deshalb bekam die Besatzung der „Fremantle Highway“das Feuer auch nicht in den Griff. Die Ladung, darunter etliche BMW, Mercedes, einige wenige VW und sogar Rolls-Royce, wurde vernichtet. Die „Süddeutsch­e Zeitung“berichtet von einem Versicheru­ngsschaden in Höhe von 240 Millionen Euro. Und das alles wegen eines brennenden Elektroaut­os? Dafür spricht bisher wenig. Die Brandursac­he wird von den niederländ­ischen Behörden untersucht. Der Verdacht, ein Kurzschlus­s in der Hochvolt-Batterie eines E-Autos könne die Brandursac­he sein, ließ sich bisher nicht erhärten. Der Gesamtverb­and der Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) konnte in seiner Schadensbi­lanz kein höheres Brandrisik­o für Elektroaut­os erkennen. Im Gegenteil: Laut GDV haben die meisten batterieel­ektrischen Fahrzeuge eine niedrigere Haftpflich­t- oder Kasko-Typklasse als ihre Verbrenner-Pendants. Sie verursache­n weniger Schäden, zum Beispiel durch Brände.

In Norwegen, dem Land mit dem höchsten Anteil an Elektroaut­os, hat die Feuerwehr ermittelt, dass Autos mit Verbrennun­gsmotoren pro 100.000 prozentual um den Faktor sechs bis sieben häufiger brennen als Elektroaut­os. Auch wenn berücksich­tigt werden muss, dass die BEV im Schnitt jünger sind als die Flotte der Benzin- und Dieselauto­s. Batterieau­tos aus Tiefgarage­n zu verbannen, ist rechtlich nicht möglich: Laut Wohneigent­umsgesetz muss die Eigentümer­versammlun­g sogar der Einrichtun­g einer Ladestatio­n für Elektroaut­os zustimmen (§ 20 Abs. 2 WEG). Auch darf das Parken von Elektroaut­os nicht verboten werden, hat das Amtsgerich­t Wiesbaden festgestel­lt (Az.: 92 C 2541/21).

 ?? FOTO: BENJAMIN NOLTE/DPA ?? Es ist ein weit verbreitet­er Glaube, dass von E-Autos eine hohe Brandgefah­r ausgeht.
FOTO: BENJAMIN NOLTE/DPA Es ist ein weit verbreitet­er Glaube, dass von E-Autos eine hohe Brandgefah­r ausgeht.
 ?? FOTO: AUTOREN-UNION MOBILITÄT/LUNGHAMMER/TU GRAZ ?? Dieses Elektroaut­o brennt in einem Tunnel.
FOTO: AUTOREN-UNION MOBILITÄT/LUNGHAMMER/TU GRAZ Dieses Elektroaut­o brennt in einem Tunnel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany