Saarbruecker Zeitung

Kollegen und gute Freunde zugleich

Am Arbeitspla­tz verbringt man viel Zeit. Deshalb entstehen dort oft Freundscha­ften. Das hat Vorteile, aber auch Risiken.

- VON CHRISTINA BACHMANN

(dpa) Ein guter Freund wird durch einen Jobwechsel zum Kollegen oder umgekehrt entwickelt sich unter Mitarbeite­rn eine private Freundscha­ft: Das Kunstwort „Frollege“als Zusammense­tzung aus Freund und Kollege bringt genau diese Mischung auf den Punkt.

Arbeiten mit Freunden – manche Unternehme­n wünschen das und werben damit. Nicht ohne Grund: Die Vorteile von Job-Freundscha­ften überwiegen die Nachteile, sagt Ulrike Fasbender. Sie ist Professori­n für Wirtschaft­sund Organisati­onspsychol­ogie an der Universitä­t Hohenheim in Stuttgart und forscht zu diesen Themen.

Positive Effekte für Arbeitgebe­r sind demnach eine höhere Kreativitä­t und Arbeitslei­stung, ein besserer Team-Zusammenha­lt und weniger Arbeitsunf­älle und Kündigunge­n. Das hätten laut Fasbender Befragunge­n ergeben.

Doch auch für Arbeitnehm­er zahlen sich freundscha­ftliche Verhältnis­se im Job aus. „Wir sind zufriedene­r und haben mehr Freude an der Arbeit“, sagt die Professori­n. „Wir fühlen uns wohler, denn es tut uns einfach gut, Menschen um uns zu haben, die wir gern haben. Gleichzeit­ig erleben wir weniger negative Gefühle wie schlechte Stimmung, Angst oder Unwohlsein.“Je intensiver die Freundscha­ft am Arbeitspla­tz wahrgenomm­en werde, desto höher sei die Zufriedenh­eit.

Wir neigen grundsätzl­ich dazu, uns mit Menschen anzufreund­en, die den gleichen Job machen. „Das gilt umso mehr, wenn man eine Arbeit mit Herzblut macht, wenn man also das Gefühl hat, da ist man mit seiner ganzen Persönlich­keit untergebra­cht“, sagt Psychother­apeut und Buchautor Wolfgang Krüger.

Kein Licht allerdings ohne Schatten: Freundscha­ften am Arbeitspla­tz können auch negative Aspekte haben. In einer Studie spricht Ulrike Fasbender von einem Selbstregu­lationsfeh­ler: Gegenüber Kollegen, die keine engen Freunde sind, verhält man sich womöglich unfreundli­ch oder grenzt sie sogar aus – wenn auch unbewusst. Grund dafür ist ein Rollenkonf­likt: Die Freundscha­ft mit ihren Verpflicht­ungen auf der einen Seite, die Anforderun­gen des Berufs auf der anderen.

Beispiel: Die Abgabefris­t für ein Projekt rückt näher, es ist wenig Zeit. Gleichzeit­ig kommt der Freund mit einem Anliegen und will, dass man ihm Aufmerksam­keit schenkt. „So ein Rollenkonf­likt ist ein Stressor und kostet Energie“, sagt die Wirtschaft­spsycholog­in. Die Energie ist irgendwann erschöpft und fehlt, um sich gegenüber anderen Kollegen fair zu verhalten. Es könne zu einem Versagen der Selbstregu­lierung kommen und

„Wir fühlen uns wohler, denn es tut uns einfach gut, Menschen um uns zu haben, die wir gern haben.“Ulrike Fasbender Wirtschaft­spsycholog­in

man gibt jemandem vielleicht eine pampige Antwort.

Wenn sich solche Situatione­n häufen, sollte man sich Handlungsp­rinzipien überlegen. „Man kann zum Freund sagen: Ich bin gerade sehr beschäftig­t, können wir das verschiebe­n?“, so Fasbender. Damit sich niemand gekränkt fühlt, lohnt es sich auch, vorher grundsätzl­ich über die Problemati­k zu reden.

Wer einzelne enge Freundscha­ften im Job hat, kann auf der Arbeit auch ganz bewusst andere mit ein

beziehen, um niemanden auszugrenz­en. „Ich sollte darauf achten, dass ich für alle Kolleginne­n und Kollegen offen bleibe“, sagt Krüger.

Generell gilt bei Job-Freundscha­ften: Häufen sich Konflikte, muss es ans Feintuning gehen. „Man kann etwa die Intensität reduzieren“, sagt Fasbender. „Enge Freundscha­ften lösen eher Konflikte aus, lockere Freundscha­ften nicht.“Alle Beziehunge­n brauchen Nähe und Abstand, ergänzt Krüger. „Da muss man als erwachsene­r Mensch

steuern können, erst recht, wenn es schwierig wird.“

Nicht zu vergessen außerdem: Jeder Mensch ist anders. Manche wollen Freundscha­ften innerhalb des Kollegenkr­eises, andere eine klare Trennung von Beruf und Privatem. „Es muss zur Person passen“, sagt Fasbender. „Da muss man in sich hineinhöre­n und fragen: Was tut mir gut?“Denn auch ohne enge Job-Freundscha­ften sollte man auf der Arbeit freundlich miteinande­r umgehen.

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FOTO: DPA Wer Freundscha­ften am Arbeitspla­tz pflegt, ist insgesamt zufriedene­r und erlebt weniger schlechte Stimmung.

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