Als ADHS-Betroffener den Joballtag erfolgreich bewältigen
Unaufmerksamkeit und Impulsivität sind typische Symptome. Experten geben Tipps, worauf Menschen mit dieser Diagnose im Berufsleben achten sollten.
(dpa) Häufig wird sie im Laufe der Schulzeit diagnostiziert, doch auch Erwachsene können von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen sein. Und die kann sich dann im Arbeitsalltag bemerkbar machen.
„Es gibt Grundprobleme, die immer wieder auftauchen“, sagt Johannes Streif, zweiter Vorsitzender des Vereins ADHS Deutschland. Dazu gehöre etwa eine erhöhte Impulsivität. Sie könne dazu führen, dass Betroffene in Stress- oder Konfliktsituationen unangemessen reagieren. Und wer Schwierigkeiten im Hinblick auf die Konzentrationsfähigkeit hat, kommt beispielsweise in Großraumbüros an seine Grenzen. Hyperaktive Menschen kann es außerdem schwerfallen, für längere Zeit sitzen zu bleiben. Eine Herausforderung vor allem dann, wenn man einen Schreibtischjob hat.
Doch die Erkrankung bringt nicht nur Herausforderungen mit sich. „In Bereichen, in denen sich
ADHS-Betroffene gut auskennen, sind sie in der Regel innovativer als Nicht-Betroffene“, sagt der Schweizer Psychiater und Psychotherapeut
Heiner Lachenmeier. Finden sie ein Thema besonders interessant, können viele Menschen mit ADHS sich auch Aufgabenstellungen äußerst intensiv und ausdauernd widmen. Nicht zuletzt deswegen spielt die Berufswahl eine entscheidende Rolle: „Als Betroffener sollte man einen Beruf wählen, für den man ein tatsächliches Interesse hat. Nicht nur theoretisch“, so Lachenmeier, der auch Autor des Buchs „Mit ADHS erfolgreich im Beruf“ist.
Einen Beruf zu wählen, der zu den eigenen Stärken und Interessen passt, das empfiehlt auch Johannes Streif. Für manch einen sei es beispielsweise besser, nicht allzu fest in ein Team eingebunden zu sein und einem fremdgesteuerten Rhythmus folgen zu müssen. Wenngleich eine gewisse äußere Struktur für viele Betroffene auch hilfreich sei.
Flexible Tätigkeiten, ein Wechsel von Aufgaben und Arbeiten, die mit Bewegung verbunden sind, kämen Betroffenen oft entgegen, so Streif. Häufig allerdings eine Hürde beim Jobeinstieg oder bei einem neuen Job ist die Phase der Einarbeitung. Dann prasseln besonders viele neue Informationen auf einen ein. Es kann zu einer krankheitsbedingten Überschwemmung des Gehirns an Namen, Daten und Eindrücken kommen. „Das führt dazu, dass man länger braucht, bis man die Orientierung gefunden hat und weiß, was wichtig ist und was nicht“, erklärt Heiner Lachenmeier. Hier ist Zeit gefordert – und Geduld. „Ich rate den Leuten, alles aufzuschreiben, auch die Namen der Vorgesetzten“, sagt der Psychotherapeut. „Jeden Abend schaut man sich die Notizen an und merkt sich die wichtigsten drei Dinge, mehr nicht. Dann hat man relativ schnell einen Überblick.“
Und noch etwas hilft: Kommunikation. Dabei rät Lachenmeier in der Regel davon ab, die ADHSDiagnose zu thematisieren, denn es gebe leider noch immer viele Vorurteile. Sinnvoll sei es aber, den Vorgesetzten mitzuteilen, „wie ich funktioniere“.
Hilfreich kann es auch sein, den Kollegen zu erklären, in welcher
Form man mit Kritik am besten umgehen kann. Oder, dass man mehr Zeit für die erste Orientierung braucht. Damit seien die meisten Missverständnisse leicht vermeidbar, sagt Lachenmeier. „Allerdings wissen viele ADHS-Betroffene nicht genau, wie sie funktionieren.“Um das herauszufinden, kann ein Gespräch mit dem behandelnden Therapeuten helfen.
In größeren Firmen besteht zudem oft die Möglichkeit, sich zunächst vertraulich an den Betriebsrat oder den betriebsärztlichen Dienst zu wenden. Denn ob man Kollegen oder Vorgesetzten von seiner Diagnose erzählt, ist letztlich eine persönliche Entscheidung. Das Online-Portal gesundheitsinformation.de rät im Zweifel zur Nachfrage beim Arzt oder Psychotherapeuten.
Johannes Streif betont, dass ADHS-Betroffene nicht weniger leistungsfähig sind. Lediglich bessere Voraussetzungen müssten für sie geschaffen werden.