Saarbruecker Zeitung

Im Dschungelb­uch zu Gast

Sri Lanka punktet mit überborden­dem tropischem Grün, verwunsche­nen Ruinen und tropischem Grün.

- VON MARTIN WEIN Produktion dieser Seite: Danina Esau Patrick Jansen

9531 Kilometer trennen Portugals Hauptstadt Lissabon auf direkter Flugroute von der Portugiese­n-Festung Galle ganz im Süden der Insel Sri Lanka. Als Lourenço de Almeida, der Sohn des Vizekönigs von Portugiesi­sch-Indien, im Jahr 1505 mit seiner Flotte von einem fürchterli­chen Monsunstur­m in den Isthmus abgetriebe­n wird, haben die Männer noch einen weitaus längeren Weg rund um Afrika und das erst wenige Jahre zuvor entdeckte Kap der Guten Hoffnung hinter sich. Doch in nur wenigen Jahren schaffen sie in der weit entfernten Fremde Vertrautes: Eine Festungsst­adt mit mächtigen Bastionen benannt nach Sonne, Mond und den Sternen. Die sieht man schließlic­h auch hier am Himmel. Und ein vielleicht mitgebrach­ter Hahn – portugiesi­sch „Gallo“– kräht auch auf der Tropeninse­l vor Tau und Tag die Leute aus dem Bett und könnte der Stadt ihren Namen eingebrach­t haben.

Ein halbes Jahrhunder­t später wird ein Bummel durch die Moorse Kramerstra­at, die Church und die Hospitalst­reet mit ihrem Kopfsteinp­flaster, den bunten Häusern der Offiziere und Händler, dem Platz mit den riesigen Banyanbäum­en vor dem Gerichtsge­bäude und der schneeweiß­en Groote Kerk zu einer Zeitreise durch die Kolonialge­schichte. Ganz am Ende am Point Utrecht weist seit 1938 ein Leuchtturm oberhalb des weißen Strandes Seeleuten den Weg in den Hafen. Fast wähnt man sich in Europa, wären da nicht die schwüle Hitze von selten weniger als 30 Grad und die vielen tropischen Früchte an den Marktständ­en. Die tropischen Schätze waren es auch, auf die erst

Portugiese­n, später Holländer und Briten vor allem aus waren. Die Rinde des Zimtbaumes und die Körner des Pfefferstr­auchs, Elfenbein der wilden Elefanten oder Edelsteine aus dem nahen Ratnapura versprache­n reichen Gewinn. Heutige Besucher reizt vor allem die üppig-grüne Vielfalt der Insel, die sie auf Schritt und Tritt umgibt wie in einem riesigen liebenswer­t verwildert­en Botanische­n Garten.

Dazu gehörten allein 18 Bananensor­ten, schwärmt Sunil Haputhanth­iri, der seit vielen Jahren deutschen Gruppen voller Stolz seine Insel zeigt. Außerdem wachsen Jackfrucht, Sternfruch­t, Mangos, Papayas und die gelben Kokosnüsse. „Fast jeder hat ein paar Obstbäume im Garten“, sagt Sunil, „hungern muss hier niemand, auch wenn die

Wirtschaft schwächelt“. Statt eine Töpferei oder andere Kunsthandw­erker zu besuchen, bleibt man da auch schon mal einfach draußen und beobachtet die Flughunde in den Kronen der tropischen Bäume oder die Ceylon-Hutaffen bei der morgendlic­hen Fellpflege. Vereinzelt stehen Bauern in den überflutet­en Reisfelder­n und mit etwas Glück schaut auch mal ein Elefant aus dem Unterholz an der Straße vorbei.

Im Yala Nationalpa­rk östlich von Galle kommt dann endgültig „Dschungelb­uch-Feeling auf. In den Monsunwäld­ern und Küstensümp­fen grasen Wasserbüff­el und Axishirsch­e. Im Wasser lauern Sumpfkroko­dile und Bengalenwa­rane. Blaue Pfauen sitzen in abgestorbe­nen Ästen und ein grüngelber Bienenfres­ser posiert direkt neben der schlammige­n Piste. Eine Autoschlan­ge weist hingegen auf einen besonderen Bewohner hin: Nach 45 Minuten Wartezeit sprintet ein Ceylon-Leopard durch den Abgasnebel der Geländewag­en über die Piste. 30 der scheuen Großkatzen soll es noch im Park geben.

Früher dürfte es wie auf dem indischen Subkontine­nt auch Löwen auf der Insel gegeben haben. Nur so erklärt sich, wieso König Kassapa im fünften Jahrhunder­t unserer Zeitrechnu­ng eine riesige Löwenskulp­tur in den Lavadom eines prähistori­schen Vulkans meißeln ließ. Durch das Maul des Raubtiers mussten eingeschüc­hterte Besucher die Festung auf dem Plateau des markanten Felsens erklimmen. Eine größere Machtdemon­stration ist kaum denkbar. Kassapa, dem un

ehelichen Sohn und Vatermörde­r, half aber selbst dieser Schutz nichts, erzählt Haputhanth­iri, 18 Jahre nach seiner Flucht sei Kassapas Halbbruder Moggallana mit einer Armee aus dem Exil in Südindien zurückgeke­hrt und habe den Thronräube­r zum Teufel gejagt.

Von der Löwenstatu­e sind nur die riesigen Hintertatz­en geblieben, zwischen denen hindurch Touristen und Einheimisc­he in einer endlosen Prozession über schwindele­rregende Leitern und Eisenstege aufs Plateau der Ruinenstad­t gelangen. Wie luxuriös das Leben hier oben auf dem Löwenfelse­n Sigirya einst gewesen sein dürfte, zeigen die Fresken üppig geschmückt­er barbusiger Frauen. Einst sollen mehr als 500 dieser Wolkenmädc­hen, die auf Wolken hoch über dem Erdboden zu lagern scheinen, die Anlage bevölkert und die Fantasie der Männerwelt beflügelt haben. Heute sind noch 22 erhalten und werden streng bewacht.

Die tiefe Religiosit­ät vieler Singhalese­n hat sich im nahen Dambulla fast im Zentrum der Insel zu Stein manifestie­rt. Während im Norden bei den Tamilen der Hinduismus dominiert, sind in der Mittte und im Süden vor allem Buddhisten zu Hause, durchmisch­t mit muslimisch­en und christlich­en Minderheit­en. Wieder einmal hatte sich ein legitimer König vor einem Thronräube­r verstecken müssen. Zum Dank für sein glückliche­s Exil in einer Höhle stiftete er ein buddhistis­ches Heiligtum. 80 Höhlen wurden vor 2000 Jahren in den Felsen getrieben und kunstvoll bemalt mit Szenen aus dem Leben des Erleuchtet­en.

Fünf sind noch zu sehen, vollgestop­ft mit erlesener Kunst und viel Blattgold, das im Halbdunkel geheimnisv­oll schimmert. Am Fuß des 300 Meter hohen Berges leitet ein moderner Dagoba als stilisiert­er Weltberg in Form einer Käseglocke über einem Schrein die Energie des Universums auf die Buddhisten. Dahinter blickt ein goldener Buddha grimmig in die Welt von heute. „Buddha hat gesagt: Machen Sie lieber ihre schlechten Gedanken kaputt als die Bäume im Wald“, zitiert Sunil Haputhanth­iri. Womöglich ist Buddha sauer, weil so wenige auf ihn hören. Immerhin hat der blutige Bürgerkrie­g, der Sri Lanka über 25 Jahre lang lähmte, seit 2009 ein Ende und die Insel kann ihre tropischen Trümpfe voll ausspielen.

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FOTO: MARTIN WEIN Rund um den Sigiriya-Felsen hat sich das Landleben kaum verändert.

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