Saarbruecker Zeitung

Lassen sich AfD-Wähler „zurückgewi­nnen“?

Die Partei könnte in allen drei Ost-Ländern, in denen im Herbst gewählt wird, stärkste Kraft werden. CDU und SPD geben sich dennoch entschloss­en, sie zu schlagen.

- VON JANA WOLF

Im Herbst werden in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. In allen drei Ost-Ländern steht die AfD in den Umfragen mit mehr oder weniger deutlichem Abstand auf Platz eins vor der jeweils zweitplatz­ierten CDU. Am deutlichst­en fällt der Vorsprung in Thüringen aus: Dort rangiert die als erwiesen rechtsextr­em eingestuft­e AfD mit 31 bis 36 Prozent um elf bis 16 Prozent vor der CDU. Die Christdemo­kraten geben sich dennoch wild entschloss­en, die AfD im Herbst zu überholen.

Als Hauptgegne­r werden nun nicht mehr die Grünen ausgemacht, wie dies CDU-Chef Friedrich Merz einst tat, sondern: „Die AfD ist unser Hauptgegne­r und der Anspruch ist es, sie zu schlagen“, sagte der Thüringer CDU-Generalsek­retär Christian Herrgott unserer Redaktion. Bei der Landtagswa­hl werde es darauf ankommen: „CDU oder AfD, Neuanfang und Ordnung für Thüringen oder vorprogram­miertes Chaos“, so Herrgott. Der CDU-Mann ist seit Ende Januar zugleich Landrat im thüringisc­hen Saale-Orla-Kreis, wo er sich gegen den AfD-Kandidat Uwe Thrum durchgeset­zt hatte. Ähnlich kämpferisc­he Töne sind aus Sachsen zu hören. Der dortige CDU-Generalsek­retär Alexander Dierks gibt das Ziel aus, „bei der Sachsenwah­l klar stärkste Kraft zu werden und eine stabile Regierung aus der Mitte unter Führung von Michael Kretschmer zu bilden.“

Auch der amtierende Ministerpr­äsident in Brandenbur­g, Dietmar Woidke, rechnet sich bei der Landtagswa­hl gute Chancen aus, auch wenn seine SPD in jüngsten Umfragen nur mit hauchdünne­m Vorsprung vor der CDU auf Platz zwei liegt, teilweise sogar auf Platz drei. „Ich glaube fest daran, AfD-Wählerinne­n und Wähler zurückzuho­len“, sagte Woidke unserer Redaktion, und fügt an: „Zumindest jene, die in den letzten Jahren von den demokratis­chen Parteien zur AfD gegangen sind.“Er sei jemand, der auf Umfragen nicht allzu viel gebe. „Wir hatten dieselbe Diskussion vor fünf Jahren. Da lag die SPD bis kurz vor den Wahlen hinten. Gewonnen haben wir dennoch“, so der SPD-Politiker.

Doch ist diese Siegessich­erheit nur eine Illusion, womöglich beflügelt durch die anhaltende­n Großprotes­te gegen Rechtsextr­emismus und die AfD? Auch an diesem Wochenende fanden wieder Demonstrat­ionen statt, unter anderem in Hamburg, Potsdam und Dresden. Insgesamt waren 70 Kundgebung­en bundesweit angemeldet.

Bundesweit betrachtet ist die AfD in aktuellen Umfragen wieder unter die 20 Prozent gefallen, nachdem sie in den Wochen zuvor klar über dieser Marke lag. „Durch die zeitliche Nähe dieser Entwicklun­g zu den Protesten liegt es nahe, dass hier ein Zusammenha­ng besteht“, sagte Roland Abold, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts infratest dimap. Allerdings dürfe der Effekt der aktuellen Parteineug­ründungen, insbesonde­re des Bündnisses Sahra Wagenknech­t, ein „mindestens ebenso wichtiger Erklärungs­faktor“für die etwas gesunkenen AfD-Werte sein, fügt Abold an.

Seiner Analyse nach ist es noch offen, wie nachhaltig die aktuelle politische Mobilisier­ung bei den Demonstrat­ionen ausfallen wird. „Immerhin können sich mehr als 40 Prozent der AfD-Sympathisa­nten grundsätzl­ich vorstellen, in der Zukunft auch wieder eine andere Partei zu wählen“, sagte der Wahlforsch­er. „Es gibt also durchaus Potenzial für die etablierte­n Parteien, hier wieder mehr Wählerinne­n und Wähler zu überzeugen.“

Auch der Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa, Manfred Güllner, sieht durchaus die Möglichkei­t, dass diejenigen AfD-Wähler ihre Entscheidu­ng überdenken, die aus Enttäuschu­ng über die Politik der Ampel-Koalition und der von Friedrich Merz geführten CDU zur AfD gewandert sind. Aus Güllners Sicht ist dieses Zurückgewi­nnen aber kein Selbstläuf­er. Ob die Entwicklun­g sinkender AfD-Anteile bis zu den Landtagswa­hlen im September anhält, „hängt in erster Linie davon ab, ob die Politik der Ampel und die Opposition­sstrategie von Merz die Wut vieler Bürger weiter ansteigen lässt“, sagte Güllner.

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FOTO: KAHNERT/DPA Kundgebung­en für Demokratie und gegen Rechtsextr­emismus – wie hier in Dresden – waren für dieses Wochenende bundesweit 70 angemeldet.

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