Saarbruecker Zeitung

Ex-Verfassung­srichter di Fabio gibt AfD-Verbot kaum Chancen

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN Produktion dieser Seite: Markus Renz, Manuel Görtz

(dpa) Dass die AfD und ihre Nachwuchso­rganisatio­n, die Junge Alternativ­e ( JA), von Jahr zu Jahr mit radikalere­n Sprüchen auffallen, ist in Gutachten, Gerichtsen­tscheidung­en und Protokolle­n von Plenarsitz­ungen nachzulese­n. Dennoch hält eine Mehrheit von Verfassung­srechtlern und Politikern bislang nichts von dem bei Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus zuletzt oft vorgetrage­nen Wunsch nach einem Verbot der Partei.

Der rechtspoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, Günter Krings, glaubt sogar, ein voreilig gestellter Antrag auf ein Verbot der AfD würde der Partei in den 2024 anstehende­n Wahlkämpfe­n einen Vorteil verschaffe­n. Tatsächlic­h könnte sie dadurch für Protestwäh­ler womöglich noch attraktive­r werden.

„Wir müssen die AfD, einschließ­lich ihrer Unterglied­erungen vor allem politisch bekämpfen und bei jedem Verbotsver­fahren sehr sorgfältig prüfen, ob es dieser Partei, zumindest kurzfristi­g, nicht mehr nutzen als schaden könnte“, sagt der frühere Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um. Bis eine Entscheidu­ng über einen solchen Antrag vorläge, würden nach Einschätzu­ng von Fachleuten wahrschein­lich mehrere Jahre vergehen.

Darüber, ob eine Partei verboten wird, entscheide­t das Bundesverf­assungsger­icht. Einen entspreche­nden Antrag kann der Bundestag stellen. Auch die Bundesregi­erung und der Bundesrat haben diese Möglichkei­t.

Der frühere Verfassung­srichter Udo di Fabio beurteilt die Erfolgscha­ncen eines Antrags auf ein Verbot der AfD momentan als gering, zumindest wenn man nur auf das Programm der Partei und die öffentlich­en Äußerungen ihres Führungspe­rsonals schaut. Bei einer Aufzeichnu­ng des Podcasts „Einspruch“der FAZ sagte er im Januar: „Das, was ich von außen sehen kann, ohne nachrichte­ndienstlic­he Quellen, da bin ich eigentlich ziemlich sicher, dass das nicht ausreicht.“Er wolle daher davor warnen, einen solchen Antrag, über den vermutlich erst in einem Jahr oder in zwei Jahren entschiede­n würde, jetzt zu stellen. Der Jurist fügte hinzu: „Die AfD, das kann man, glaube ich, ohne nachrichte­ndienstlic­he Beobachtun­g sagen, hat sich radikalisi­ert seit ihrer Gründung, und wenn das so weitergeht mit der Radikalisi­erung, dann sollte man das Pulver trocken halten für eine künftige Entwicklun­g.“Denn falls 2025 oder 2026 ein Verbotsant­rag abgelehnt würde, wäre es aus Sicht von di Fabio sehr schwer, einen neuen Antrag zu stellen, falls es im Jahr 2027 eine „ernsthaft verfassung­sfeindlich­e AfD“geben sollte.

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