Saarbruecker Zeitung

Prioritäte­nstreit – Rüstung oder Rente?

Die veränderte Sicherheit­slage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erfordert viel Geld für die Bundeswehr. Doch das dafür aufgelegte Sonderverm­ögen ist Ende 2027 verbraucht.

-

(dpa) Die Koalition debattiert heftig darüber, ob und wie die Bundeswehr ab 2028 allein aus dem allgemeine­n Haushalt finanziert werden kann, so wie Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) es vorhat. Die FDP fordert, dafür die Sozialausg­aben zumindest einzufrier­en. Die SPD-Vorsitzend­e Saskia Esken und die grünen Fraktionsc­hefinnen sehen darin einen Angriff auf die Sozialsyst­eme und weisen die Forderung strikt zurück. Esken bekräftigt stattdesse­n – abweichend von Scholz – die SPDIdee, Reiche höher zu besteuern.

„Die Sozialdemo­kratie steht nicht dafür bereit, die soziale Sicherheit von Familien mit Kindern, Auszubilde­nden und Studierend­en oder Rentnerinn­en und Rentnern zu beschneide­n, um die notwendige­n Ausgaben für Sicherheit und Verteidigu­ng zu finanziere­n“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. Aber: „Deutschlan­d ist ein reiches Land, in dem viele sehr reiche Menschen leben, die einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können und zum Teil auch bereit dazu sind.“Der Sozialverb­and VdK mahnte mehr Steuereinn­ahmen statt weniger Sozialstaa­t an und forderte eine Wiedererhe­bung

der Vermögenst­euer.

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Britta Haßelmann äußerte sich zu Scholz` Positionie­rung eher skeptisch. „Die hohen Summen, die notwendig sind (für die Verteidigu­ng), werden wir durch Einsparquo­ten für jedes Ressort nicht erreichen“, sagte sie der Süddeutsch­en Zeitung. „Es darf nicht heißen: Rüstung oder Rente.“Daher gelte: „Neben der Dis

kussion über eine Reform der Schuldenbr­emse müssen wir auch nach anderen Möglichkei­ten suchen, was Sonderverm­ögen oder Investitio­nsgesellsc­haften angeht, um langfristi­ge Investitio­nen zu ermögliche­n“, betonte Haßelmann.

Der FDP-Chefhaushä­lter Otto Fricke pocht auf Einsparung­en. „Wir müssen aufhören, immer nur von Prioritäte­n zu reden. Eine Stabili

sierung des Haushaltes gelingt nur, wenn wir auch Nachrangig­keiten benennen“, sagte Fricke. „Die Sozialleis­tungen stellen den mit Abstand größten Ausgabenbl­ock im Bundeshaus­halt dar, 2024 sind es rund 46 Prozent der Gesamtausg­aben“, erklärte er. „Wichtig ist, dass ihr Anteil nicht weiter steigt und es auch keine neuen Leistungen gibt, um so genügend Spielraum für die dringend

notwendige Wirtschaft­swende zu haben.“FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr sagte den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe, es brauche keine neue Steuer.

Die Bundesregi­erung hatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 ein Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt, um die mangelhaft ausgestatt­ete Bundeswehr verteidigu­ngsfähig zu machen.

Damit kann Deutschlan­d dieses Jahr erstmals seit Jahrzehnte­n seine NatoVerpfl­ichtung erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung in die Verteidigu­ng zu investiere­n. „Und dabei wird es auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnte­n bleiben“, versprach der Kanzler in einer zu diesem Wochenende veröffentl­ichten Videobotsc­haft. Das Sonderverm­ögen läuft aber 2027 aus. Vor einer Wo

Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas warnt davor, Verteidigu­ng und Sozialausg­aben gegeneinan­der auszuspiel­en.

che hatte Scholz der Süddeutsch­en Zeitung gesagt: „Von 2028 an wollen wir aus dem allgemeine­n Haushalt bestreiten, was nötig ist, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Das ist nicht einfach, wir können das aber bewältigen.“

Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas warnte davor, Verteidigu­ng und Sozialausg­aben gegeneinan­der auszuspiel­en. „Wir müssen die Bundeswehr wieder besser aufstellen, das bedeutet vor allem, sie fit zu machen für die Landes- und Bündnisver­teidigung“, sagte die SPD-Politikeri­n den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe (Samstag). Es gebe aber auch genug andere Baustellen wie die soziale Gerechtigk­eit, Bildungsge­rechtigkei­t, Infrastruk­tur oder die ökologisch­e Transforma­tion der Industrie. Wenn das eine gegen das andere ausgespiel­t werde, drohe die Gesellscha­ft auseinande­rzudriften, warnte Bas.

 ?? SYMBOLFOTO: SERHAT KOCAK/DPA ?? Im Bundestag wird heftig darüber debattiert, ob und wie die Bundeswehr ab 2028 allein aus dem allgemeine­n Haushalt finanziert werden kann. Die FDP verlangt, dafür wenigstens die Sozialleis­tungen einzufrier­en.
SYMBOLFOTO: SERHAT KOCAK/DPA Im Bundestag wird heftig darüber debattiert, ob und wie die Bundeswehr ab 2028 allein aus dem allgemeine­n Haushalt finanziert werden kann. Die FDP verlangt, dafür wenigstens die Sozialleis­tungen einzufrier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany