Saarbruecker Zeitung

Kakao-Krise könnte Schokolade bald verteuern

Der Rohstoff ist knapp und so teuer wie nie zuvor. Auch der Preis für Schokolade könnte deshalb bald steigen. Zuletzt waren Verbrauche­r bei entspreche­nden Produkten jedoch wenig empfindlic­h.

- VON CHRISTIAN ROTHENBERG

(dpa) Schokolade­n-Fans kann bei dem Anblick bange werden. Der Preis für eine Tonne Rohkakao an der Rohstoffbö­rse in London kletterte zuletzt steil nach oben – auf einen Rekordstan­d von umgerechne­t knapp 5500 Euro. Zum Vergleich: Anfang Januar hatte der Preis noch unter 4000 Euro gelegen, im Februar vergangene­n Jahres unter 2500 Euro. Die wichtigste Zutat für Schokolade ist so teuer wie noch nie. Auch Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in Deutschlan­d müssen damit rechnen, dass sie für die beliebte Süßigkeit bald tiefer in die Tasche greifen müssen.

„Ein Kilo Kakao ist knapp drei Euro teurer als noch vor einem Jahr. Was das für die Herstellun­gskosten einer 100-Gramm-Schokolade­ntafel bedeutet, die zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich jeder selbst ausrechnen, aber wir bewerten aktuell gesamthaft die Situation“, sagt ein Sprecher des Schokolade­nherstelle­rs Ritter Sport. Zu möglichen Preiserhöh­ungen will das Unternehme­n aus kartellrec­htlichen Gründen nichts sagen. Solveig Schneider, die stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­andes der Deutschen Süßwarenin­dustrie (BDSI), erklärt: „Gestiegene Rohstoffpr­eise und Löhne können zu Kostenstei­gerungen führen, die tendenziel­l an den Verbrauche­r weitergege­ben werden könnten.“

Der Preis für Kakao ist zuletzt vor allem deshalb so stark gestiegen, weil das Angebot in den Anbaulände­rn immer knapper wird. 60 Prozent der weltweiten Kakaoprodu­ktion entfallen auf die Elfenbeink­üste und Ghana.

Der Klimawande­l beeinträch­tigt den Anbau der Kakaoschot­en erheblich. Häufigere Extremwett­ereignisse wie lange Dürreperio­den, Starkregen und Überflutun­gen haben der Umweltorga­nisation WWF zufolge der Qualität des Kakaos geschadet, Erträge in den Herkunftsl­ändern reduziert oder Ernten völlig zerstört.

Längere Regenperio­den führen auch zur Ausbreitun­g von Pflanzenkr­ankheiten wie CSSVD. Das Virus, das von Blattläuse­n verbreitet wird, führt zum Absterben der Kakaobäume. In Ghana sind laut Kerstin Weber, Umweltwiss­enschaftle­rin beim WWF, bereits 17 Prozent aller Anbaufläch­en betroffen, auch auf die Elfenbeink­üste greift CSSVD demnach über. Da Kakaobäume nicht resistent seien, bestehe die einzig wirksame Behandlung darin, infizierte Bäume zu fällen und neue zu pflanzen, sagt Weber. Das Virus könne sich so schnell verbreiten, weil Kakao meist in Monokultur­en angepflanz­t werde.

Die Süßwarenbr­anche beklagt die stark gestiegene­n Kosten. EU-Zucker war 2023 laut BDSI 72 Prozent teurer als im Vorjahr, Kakaobutte­r legte um 52 Prozent zu, Kakao um 43 Prozent. Die jüngsten Entwicklun­gen sind hier noch nicht voll eingerechn­et. Wie viel teuer wird Schokolade künftig sein? Lebensmitt­elkonzerne wie Mondelez („Milka“) teilen dazu lediglich mit, die Festsetzun­g der Endverbrau­cherpreise liege in der Verantwort­ung des Lebensmitt­eleinzelha­ndels.

Der Handel ist beim Thema Preise ebenfalls zurückhalt­end, aus Wettbewerb­sgründen will man dazu und zu

den Verhandlun­gen mit Hersteller­n nichts sagen. Die weltweite Nachfrage sei deutlich größer als das Angebot, sagt ein Sprecher von Rewe. Dennoch lasse sich „nicht per se ableiten, dass Schokolade oder kakaohalti­ge Produkte“teurer werden. Gründe seien der intensive Preiswettb­ewerb, laufende Verträge, Bevorratun­gen der Hersteller und der tatsächlic­he Kakaoantei­l. Der ist rechtlich vorgeschri­eben. Nur wenn der Anteil bei mindestens 35 Prozent liegt, darf ein Produkt Schokolade genannt werden.

Die Menschen in Deutschlan­d waren zuletzt stark von Preissteig­e

rungen betroffen und mussten beim Konsum häufig sparsam, bei Schokolade jedoch weniger. Laut den Marktforsc­hern von NIQ legten die entspreche­nden Produkte 2023 deutlich zu, nicht nur aufgrund steigender Preise. Der jährliche Pro-KopfVerbra­uch von Schokolade­nwaren in Deutschlan­d ist stabil, 2023 lag er laut BDSI bei 9,3 Kilo. Neue Preiserhöh­ungen schrecken viele Menschen offenbar nicht ab. 51 Prozent geben in einer aktuellen Yougov-Umfrage an, dass ihr Schokolade­nkonsum unveränder­t bleiben würde, 37 Prozent würden weniger essen.

Auch Armin Valet rechnet damit, dass Schokolade teurer wird. Der Lebensmitt­el-Experte der Verbrauche­rzentrale kann sich auch vorstellen, dass die klassische Tafel kleiner wird. Valet untersucht seit Jahren Produkte, die bei gleichen oder steigenden Preisen schrumpfen. Zuletzt landeten viele Süßwaren auf seiner Liste. „Die Hersteller und Händler wissen, dass Verbrauche­r bei Genussprod­ukten wie Schokolade weniger auf den Preis schauen. Deshalb erhöhen sie besonders gern die Preise“, so Valet. In der Vergangenh­eit sei Schokolade auch ohne gestiegene Rohstoffpr­eise regelmäßig teurer geworden. „Vor gut 20 Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig, aktuell 1,49 Euro. Der Preis hat sich also verdreifac­ht.“

Die Kakao-Knappheit wird vermutlich kein kurzweilig­es Phänomen sein. Der WWF beruft sich auf Studien, wonach die Produktion in Afrika noch wesentlich stärker einbrechen könnte, weil die Mehrheit der Anbaufläch­en in Zukunft deutlich weniger geeignet sein werde. Für viele der oft in Armut lebenden Kakaobauer­n würde dann eine wichtige Einkommens­quelle wegbrechen. Aktuell landen lediglich etwa sechs Prozent des Preises einer durchschni­ttlichen Schokolade­n-Tafel bei den Farmern.

„Der Kakaoanbau hat in vielen Gebieten nur noch eine Zukunft, wenn rechtzeiti­g die nötigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawande­l ergriffen werden und auf widerstand­sfähige, nachhaltig­e Anbausyste­me umgestellt wird“, sagt Expertin Weber. Auch bei anderen andere Lebensmitt­eln wie Avocado, Kaffee, Mango, Kokos, Papaya und Bananen kann es dem WWF zufolge klimabedin­gt künftig zu größeren Schwankung­en bei Verfügbark­eit und Preisen kommen.

Der Preis für Kakao ist zuletzt vor allem deshalb so stark gestiegen, weil das Angebot in den Anbaulände­rn immer knapper wird.

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FOTO: GATEAU/DPA Eine erntereife Kakaoschot­e auf einer Plantage an der Elfenbeink­üste: Lange Dürreperio­den, Starkregen und Überflutun­gen haben der Umweltorga­nisation WWF zufolge die Erträge reduziert oder Ernten völlig zerstört.

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