Awo seit 100 Jahren für die Menschen da
Der Wohlfahrtsverband besteht im Saarland seit hundert Jahren und lud am vergangenen Samstag zum Festakt ins Saarbrücker Schloss. Die Stimmung war gleichzeitig nachdenklich und fröhlich – auch dank Neuigkeiten, die das Saarland und die Arbeiterwohlfahrt g
Rote Aufsteller und Banner vor Samtvorhängen, Krawatten und Herzen Ton in Ton: Das Saarbrücker Schloss sah rot am Wochenende – und das buchstäblich. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Saarland feierte am Samstagabend ihr hundertjähriges Bestehen. Glückwünsche kamen unter anderem von der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), dem Regionalverbandsdirektor Peter Gillo und der Vorsitzenden des Präsidiums des Awo-Bundesverbandes Kathrin Sonnenholzner.
Der Landesvorsitzende der Awo Saarland, Marcel Dubois, begrüßte rund 250 Gäste, darunter Awo-Mitglieder und Freunde sowie Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Sozialwesen. Dubois sprach der Vorsitzenden der Synagogengemeinde Saar, Ricarda Kunger, seine Solidarität aus: „Wir stehen in diesen schwierigen Zeiten an Ihrer Seite.“Auch die Ukraine, die am Tag des Festakts genau zwei Jahre unter dem russischen Angriffskrieg leidet, wolle die Awo Saarland weiter unterstützen: „Unser Auftrag ist so wichtig wie vor hundert Jahren.“
Die Awo Saarland wurde am 13. Februar 1924 aus sozialer Not heraus gegründet, knapp fünf Jahre nach Entstehung des Hauptausschusses in Berlin. Die besondere Situation des Saarlandes, das von 1920 bis 1935 Mandatsgebiet des Völkerbunds war, verzögerte die Gründung. Ins Leben gerufen wurde die Awo vor allem von Marie Juchacz in Berlin, im Saarland von Angela Braun-Stratmann. Heute arbeitet die Awo mit ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern und ist gleichzeitig professioneller Sozialdienstleister und Wohlfahrtsverband.
Ganz persönlich und erlebbar wurden die Geschichte der Awo, als
Juchacz-Nachfahrin Lydia Struck die Bühne betrat. Sie ist Kulturanthropologin und die Urgroßnichte von Marie Juchacz. 2023 fuhr Struck die „Route des Exils“nach – also die Fluchtroute der Sozialdemokratin,
die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ins Exil gehen musste. Struck fuhr von Berlin nach Sauvagnon im Süden Frankreichs. Obwohl die Reise ganz im Zeichen der Forschung stand, waren einige Episoden emotional für die Nachfahrin: „Ich habe in Sauvagnon das Haus gefunden, in dem Marie Juchacz sich aufhielt. Einiges dort war noch aus der damaligen Zeit. Ich habe zum Beispiel am selben Kamin wie meine Urgroßtante gesessen.“
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger lobte den Wohlfahrtsverband: „Die Awo Saarland ist ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen, ohne das Menschliche außen vor zu lassen.“Die Awo begegne denen, die sie brauche, auf Augenhöhe: „Das ist es, was ich unter Würde verstehe.“Der Verband sei gleichzeitig bodenständig und weltoffen – und immer verlässlicher
Ansprechpartner. Das werde im Jahr 2026 besonders wichtig: Kurz vor dem Festakt wurde offiziell bekannt, dass das Saarland 2026 die Special Olympics ausrichten wird – was für Extra-Applaus im Saarbrücker Schloss sorgte.
Die Ministerpräsidentin sprach nicht nur über Aktuelles, sondern natürlich auch über die Geschichte der Awo. Und richtete einen Appell an die Gäste: „Man muss mal an die Umstände der Gründungszeit denken. Was für eine Kraft muss das gewesen sein! Was für ein Hoffnungsüberschuss von Marie Juchacz und Angela Braun-Stratmann. Dass sie als Frauen dieser Zeit daran glaubten, dass sie etwas bewegen können. Das sollte uns allemal Anlass sein, Hoffnung zu haben, dass auch wir das können. Egal, wie kompliziert die Zeit ist und wie viele Veränderungen wir erleben.“Zudem betonte sie: „Die Awo hat sich in der NS-Zeit lieber auflösen lassen, statt sich gleichschalten zu lassen.“Das sei die Art Haltung, welche die Gesellschaft auch heute brauche.
Die Vorsitzende des Präsidiums des Awo-Bundesverbandes, Kathrin Sonnenholzner, betonte: „Demokratie muss immer neu ausgehandelt werden.“Auf Erfolgen solle man sich nicht ausruhen – und auch der Menschen gedenken, welche sich für unsere heutige Freiheit eingesetzt haben. Menschen wie Awo-Gründerin Marie Juchacz.
Die Urgroßnichte fuhr die Fluchtroute von Marie Juchacz nach, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ins Exil gehen musste.