Saarbruecker Zeitung

Raubkunst-Doku gewinnt Goldenen Bären

Politisch bis zum Schluss: Die Berlinale hat einen Dokumentar­film über Raubkunst mit dem Goldenen Bären ausgezeich­net. Der deutsche Matthias Glasner freute sich über den Silbernen Bären für seinen Film „ Sterben“.

- VON PETER CLAUS UND SABRINA SZAMEITAT

(dpa) Die 74. Berlinale blieb sich bis zum Finale treu: Geprägt von politische­n Botschafte­n haben die Filmfestsp­iele ihre Auszeichnu­ngen vergeben. Zum zweiten Mal in Folge gewann am Samstagabe­nd ein Dokumentar­film den wichtigste­n Preis, den Goldenen Bären: „Dahomey“von der in Frankreich geborenen Regisseuri­n Mati Diop. Ihr Film setzt sich mit der Rückgabe von Kunstschät­zen auseinande­r, die 1892 aus dem westafrika­nischen Benin, damals Dahomey, geraubt wurden.

Die 41-Jährige mit senegalesi­schen Wurzeln folgt in „Dahomey“26 Statuen auf der Reise aus Frankreich in ihr Ursprungsl­and. Insgesamt wurden vor rund 130 Jahren Tausende Kunstwerke gestohlen, die sich noch heute in Frankreich befinden. Die experiment­elle Doku fesselt mit poetischen Passagen – zum Beispiel spricht mehrmals eines der Kunstwerke aus dem Off. Ein Teil des Films zeigt eine Diskussion in Benin unter überwiegen­d jungen Menschen. Dabei streiten sie darüber, ob die Rückgabe als Fortschrit­t oder als postkoloni­ale Arroganz zu werten ist. Diskutiert werden zudem aktuelle Probleme des Landes wie Armut und Bildungsno­tstand.

Die Rückgabe von Kunstobjek­ten ist in Frankreich und auch in Deutschlan­d schon länger Thema. 2018 teilte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron mit, die 26 Objekte an Benin zurückzuge­ben. Bei den Artefakten handelt es sich unter anderem um Statuen, Schmuck und einen Thron. Der beninische Präsident Patrice Talon sprach sich für die Restitutio­n weiterer Werke aus. Schätzunge­n zufolge hortet Europa mehr als 90 Prozent des afrikanisc­hen Kulturerbe­s. „Zurückzuge­ben heißt, Gerechtigk­eit zu üben“, sagte Diop, als sie den Preis entgegenna­hm.

Vergeben wurden auch mehrere Silberne Bären. Einer ging an den deutschen Regisseur Matthias Glasner für das Drehbuch seines emotional aufgeheizt­en Dramas „Sterben“. In dem Film mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger in den Hauptrolle­n hat der Regisseur die komplexe Beziehung zu seiner Familie verarbeite­t. Glasner hatte vorab die Sorge, das Drama sei vielleicht zu persönlich. Doch viele Leute habe es bewegt. „Ich werde wirklich seit Tagen alle paar Meter angehalten von Menschen, die sagen: ‚Toller Film, hat mich so berührt, ich träum` davon`“, sagte Glasner am Samstagabe­nd der Deutschen Presse-Agentur.

Der Große Preis der Jury ging an die melancholi­sche Komödie „Yeohaengja­ui pilyo“(„A Traveler`s Needs“) des südkoreani­schen RegieVeter­anen Hong Sangsoo mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle. „Ich verstehe nicht, was Sie in meinem Film sehen“, sagte Sangsoo sichtlich bescheiden zur Jury auf der Bühne.

Der rumänisch-US-amerikanis­che Schauspiel­er Sebastian Stan wurde zum besten Hauptdarst­eller für seine Leistung in der Tragikomöd­ie „A Different Man“gekürt. Die Britin Emily Watson erhielt den Preis für die beste Nebenrolle in „Small Things Like These“.

Der Franzose Bruno Dumont erhielt den Preis der Jury für die Science-Fiction-Parodie „L'Empire“. Den Silbernen Bären für die beste Regie gewann Nelson Carlos De Los Santos Arias für „Pepe“, einen Experiment­alfilm über ein totes Nilpferd in Kolumbien. Für seine herausrage­nde künstleris­che Leistung im Historiend­rama „Des Teufels Bad“

wurde der österreich­ische Kameramann Martin Gschlacht geehrt.

Die Berlinale war in diesem Jahr besonders stark von politische­n Debatten geprägt – bereits bei der Eröffnung hatten viele Filmschaff­ende gegen Rechtsextr­emismus protestier­t. Andere forderten ein Ende der Kämpfe in Gaza zwischen Israel und der Terrororga­nisation Hamas. Bei der Preisverle­ihung trugen mehrere Menschen auf der Bühne einen Zettel mit der Aufschrift „Ceasefire Now“(„Feuerpause jetzt“).

Der palästinen­sische Filmemache­r Basel Adra forderte Deutschlan­d auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Adra hatte mit drei anderen Filmemache­rn die Dokumentat­ion „No Other Land“gedreht

und dafür den Dokumentar­filmpreis gewonnen. Der Film handelt von der Vertreibun­g von Palästinen­serinnen und Palästinen­sern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordan­land.

„Ich kann mich auch kaum an Zeiten erinnern, die derart politisch waren“, sagte Schauspiel­er Eidinger nach der Preisverle­ihung. Es wäre „fatal, wenn man das komplett ausblenden oder ausklammer­n würde für so eine Veranstalt­ung.“

Für das Leitungsdu­o Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian war dies die fünfte und letzte Berlinale in ihrer Funktion. Ab April übernimmt Tricia Tuttle. Die US-Amerikaner­in saß bei der Preisverle­ihung strahlend im Publikum.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Regisseuri­n Mati Diop gewann den Goldenen Bären in der Kategorie Bester Film für „Dahomey“.
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FOTO: WOHLLEBEN//DPA Matthias Glasner gewann den Silbernen Bären für das beste Drehbuch des Films „Sterben“.
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FOTO: SCHREIBER/AP Sebastian Stan gewann den Preis als bester Schauspiel­er für seine Rolle in „A Different Man“.

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