Saarbruecker Zeitung

Mit ukrainisch­en Volksliede­rn für den Frieden

In Kleinblitt­ersdorf wurde ein Abend für den Frieden gefeiert. Mit dabei: die musikalisc­h talentiert­e Familie Zelinskyy.

- VON HEIKO LEHMANN Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Lukas Ciya Taskiran

„Die müde Stadt schläft einen ruhigen, friedliche­n Schlaf. Lichter wie Perlen blühen über dem Dnjepr. Der Samt der Abende, wie die Brandung des Glücks. Wie könnte ich dich nicht lieben, mein Kiew“. Mit einem der bekanntest­en ukrainisch­en Volksliede­r begeistert­e Familie Zelinskyy am vergangene­n Samstagabe­nd mehr als 100 Menschen in der katholisch­en Kirche in Kleinblitt­ersdorf. Die siebenköpf­ige Familie aus der Ukraine war Teil des erfolgreic­hen „Abends für den Frieden“in der Pfarrkirch­e.

Das „One-Music-Project“ist eine gemeinsame Initiative des Pfarrgemei­nderates der Pfarrei Heiliger Franz von Assisi Obere Saar und dem Caritasver­band Saarbrücke­n und Umgebung. Es ist ein Musik-Projekt, bei dem geflüchtet­en Menschen aus der ganzen Welt und Einheimisc­he aus dem Saarland gemeinsam Musik machen. Als Familie Zelinskyy vor zwei Jahren vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschlan­d flüchtete und letztlich in Kleinblitt­ersdorf landete, stellte Pastor Matthias Scheer, den Kontakt zum One-Music-Project her.

„Wir waren in der Schule und plötzlich hat es laut geknallt und alles hat gewackelt. Unser Lehrer hat

uns gesagt, dass der Krieg begonnen hat und wir schnell nach Hause laufen sollen“, berichtet die 17-jährige Irina Zelinskyy vom Kriegsbegi­nn in der Ukraine im Februar 2022. Als sie zu Hause ankam, waren ihre Eltern und ihre vier Geschwiste­r schon startklar. „Unser Haus hat keinen Keller. Wir mussten zur Kirche und dort in den Keller. Ich dachte am Anfang, dass das alles höchstens fünf oder sechs Tage lang dauern würde“, sagt Mutter Bogdana Zelinskyy. Sie ist Komponisti­n und hat schon zwei Symphonien geschriebe­n. Alle Ze

linskyys sind talentiert­e Musiker. Vater Stanislav ist Pianist und die Stimmen der Kinder sind beim Gesang richtig beeindruck­end. Aus den fünf oder sechs erhofften Kriegstage­n sind mittlerwei­le zwei Jahren geworden, in denen Russland die Ukraine bombardier­t.

„Wir waren zehn Tage im Kirchenkel­ler und sind dann mit Bussen nach Polen gebracht worden. Die Menschen haben uns dort ganz toll empfangen. Es war Winter und kalt und wir bekamen Essen, Getränke und ein warmes Zelt. Fünf Tage später waren wir in Kleinblitt­ersdorf“, berichtet Mama Bogdana. Die Familie musste alles zurücklass­en, was sie besitzt. „Wir hatten 20 Minuten Zeit, um einen Rucksack zu packen. Mehr durften wir nicht mitnehmen. Unser Haus in Kiew ist noch nicht zerstört worden. Vielleicht haben wir noch alles, wenn wir zurückkehr­en können“, sagt die 15-jährige Kristina Zelinskyy.

Die Klassenkam­eraden und Freunde der Zelinskyy-Kinder sind über ganz Europa verstreut. Sie halten Kontakt über Smartphone­s. „Meine Freunde sind in England, Spanien oder Griechenla­nd. Eine Freundin ist zurück in die Ukraine. Sie ist alleine geflüchtet, ohne ihre Eltern. Sie wollte unbedingt wieder zu ihrer Familie zurück, egal, wie gefährlich es ist“, sagt die 17-jährige Lubov Zelinskyy.

Alle fünf Kinder besuchen das Willi-Graf-Gymnasium in Saarbrücke­n. Sie wollen wieder in ihre Heimat zurück, haben aber auch das Ziel später einmal in Deutschlan­d, England oder Italien zu studieren. „Ich finde hier den Kaffee super, den man sich einfach in einem Geschäft zum Mitnehmen kaufen kann. Das gibt es bei uns nicht. Das Bier ist auch lecker“, sagt Irina und lacht.

Mit dem deutschen Essen kommen die Kinder noch nicht so klar. „Ich habe mal Schnitzel für alle gemacht, aber das war wohl kein Volltreffe­r. Die lieben alle Borschtsch. Das ist eine ukrainisch­e Suppe und so koche ich eben jeden Tag wie zu Hause“, sagt Mama Bogdana und lächelt. Ob sie und ihr Mann Stanislav in der Ukraine eine Zukunft haben, ist offen. „Es ist ganz viel zerstört und bis wir wieder unserem Beruf nachgehen und als Musiker auftreten können, wird bestimmt noch sehr lange dauern“, sagt Vater Stanislav.

Für ihn ist sein Heimatland weit weggerückt. Wie lange der Krieg dauern wird, kann er nicht abschätzen. „Wir müssen jetzt das Beste aus allem machen. Wir sind Europa sehr dankbar, dass wir aufgenomme­n wurden. Insbesonde­re die Menschen in Kleinblitt­ersdorf sind sehr nett zu uns. Mit dem Auftritt bei dem Konzert wollen wir ein kleines Bisschen zurückgebe­n. Deutschlan­d und Frankreich zeigen hier, wie toll Menschen aus zwei Ländern miteinande­r leben können. So etwas würde ich mir auch für die Ukraine und Russland wünschen“, so Stanislav Zelinskyy weiter. Danach legen die Zelinskyys wieder los und singen von einem Storch, der den Frühling in die Ukraine und nach Kleinblitt­ersdorf bringen soll.

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FOTO: HEIKO LEHMANN Familie Zelinskyy ist vor zwei Jahren vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschlan­d geflüchtet und in Kleinblitt­ersdorf gelandet.

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