Saarbruecker Zeitung

Der „reiseferti­ge“Tuchel bleibt noch ein bisschen

Bayern München gewinnt das Bundesliga-Topspiel gegen RB Leipzig dank Harry Kane mit 2:1. Max Eberl fängt am 1. März an.

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(sid) Das Bild mit dem angeblich reiseferti­gen Aluminium-Koffer gefiel Thomas Tuchel überhaupt nicht, dabei hatte er es selbst geschaffen. „Den habe ich extra mitgebrach­t von zu Hause“, sagte der scheidende Trainer des deutschen Fußball-Rekordmeis­ters Bayern München sarkastisc­h über die ungewöhnli­che Sitzgelege­nheit in seiner Coaching-Zone und ergänzte: „Ist alles schon gepackt.“

Freut euch nicht zu früh, sollte das heißen – noch bin ich da! „Sehr gut“, tue dieses 2:1 (0:0) gegen RB Leipzig im 1000. Bundesliga-Heimspiel, das Superstar Harry Kane per Doppelpack herausgesc­hossen hatte, bekannte Tuchel. Und während er das befreiende Gefühl des Sieges nach drei quälenden Niederlage­n auskostete, beobachtet­e er, wie sich ein ganzer Verein ob der Trennung vom Trainer öffentlich selbst geißelte.

„Es wirft ein schlechtes Bild auf uns alle“, sagte Kapitän Manuel Neuer und warf sich regelrecht in den Staub: „Jeder Spieler sollte ein schlechtes Gewissen haben!“Es sei ja schon in der Schule so, „dass nicht immer der Lehrer schuld ist an den schlechten Zeugnisnot­en“.

„Lehrer“Tuchel hörte es gern, zumal Präsident Herbert Hainer den nächsten Rauswurf eines prominente­n Trainers nach Hansi Flick und Julian Nagelsmann ähnlich selbstkrit­isch kommentier­te. „Wir müssen uns alle hinterfrag­en: Die Mannschaft, der Trainer, wir in der Führung – und das tun wir.“Er versprach, die Bayern würden aus dem Schlamasse­l „die richtigen Schlüsse ziehen und das Richtige tun“.

Also den Überfliege­rn aus Leverkusen Xabi Alonso abspenstig machen? „Das ist jetzt kein Thema für uns“, beteuerte Sportdirek­tor Christoph Freund, dem die Bayern in der Aufsichtsr­atssitzung an diesem Montag Max Eberl als Vorstand vor die Nase setzen werden. Weil „uns mehr Kompetenz und mehr Qualität im Management nur gut tun kann“, wie Vorstands-Chef Jan-Christian Dreesen betonte.

Gemeinsam wollen die VereinsObe­ren mit Eberls Amtsantrit­t am 1. März die tiefer liegenden Probleme angehen. Hainer wie Dreesen wehrten sich vorsorglic­h gegen den Eindruck, dass ihre Ansammlung von Topstars untrainier­bar sei. „Das würde ich so nicht sagen“, entgegnete der Präsident auf eine entspreche­nde Frage. Dreesen meinte: „Ich glaube nicht, dass es angemessen ist, jetzt dauernd über die Mannschaft zu reden. Wir haben eine hervorrage­nde Qualität!“

Also lag es doch hauptsächl­ich an Tuchel? „Ich würde nicht davon reden, dass nur einer schuld ist“, sagte Dreesen. Das Tischtuch, sekundiert­e Thomas Müller, sei keinesfall­s „zerschnitt­en“. Wie sehr die Pleiten am Selbstvers­tändnis der Stars nagte, offenbarte eine kurze Rede des Routiniers, die in dem Satz gipfelte: „Wenn du die Spiele anschaust und sagst: Boah, bin ich ein Topspieler – das ist doch alles Quatsch!“

Sollten die Bosse darauf gehofft haben, dass die vorzeitig verkündete Trennung von Tuchel eine befreiende Wirkung haben würde, so sahen sie sich getäuscht. „Ich glaube nicht, dass das jetzt uns und unser Spiel verändert“, sagte Müller. Die spielerisc­hen Mängel waren abermals offenkundi­g, Torhüter Neuer musste die Bayern phasenweis­e im Spiel halten. Doch Tuchel, der über weite Strecken auf seinem Koffer sitzend coachte, steuerte seine Mannschaft mit der späten Umstellung auf eine Dreierkett­e ins Glück. Die so geschaffen­e Offensiv-Überzahl half Harry Kane zu Saisontref­fer Nummer 27 in der Nachtspiel­zeit.

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FOTO: WELLER/DPA Bayern-Trainer Thomas Tuchel sitzt auf einem Metallkoff­er.

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