Gefährliche Methoden der Computerspiel-Industrie
Die Branche hat einen kaum geregelten Markt kreiert. Experten warnen vor Suchtgefahr. Besonders Kinder und Jugendliche gelten als gefährdet.
Die Spieleindustrie ist seit Jahren die erfolgreichste Branche im Unterhaltungssektor. Der globale Umsatz übersteigt den von Film- und Musikbranche deutlich. Doch die Methoden, wie die Milliardeneinnahmen erzielt werden, stehen im Verdacht, gegenüber den Nutzern zum Teil unlauter und schädlich zu sein.
Den Großteil ihrer Erlöse generiert die Industrie mittlerweile nicht durch den reinen Spieleverkauf, sondern durch In-App- oder In-Game-Käufe. Nutzer erwerben dabei virtuelle Artikel, die im weiteren Spielverlauf eingesetzt werden.
Diese Praxis des „Pay-to-win“(„Bezahlen, um zu gewinnen“) wird besonders bei Vollpreisspielen kritisiert, die beim Kauf bereits 70 Euro oder mehr kosten. Außerdem können sich zahlungsbereite Spieler so einen unüberbrückbaren Vorteil gegenüber jenen verschaffen, die sich auf ihr bloßes Geschick verlassen. Eine Ende 2022 durchgeführte Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt, dass 72 Prozent der Spieler mindestens einmal den Eindruck hatten, in Spielen nur weiterzukommen, wenn sie In-Game-Käufe tätigen.
Als besonders problematisch gelten sogenannte „Lootboxen“. Diese virtuellen „Beutekisten“mit Zufallsinhalten sind laut dem vzbv gerade bei Jüngeren beliebt. Unter den 16- bis 29-Jährigen haben laut der
Befragung 19 Prozent der Spieler, die bereits Geld für Zusatzinhalte ausgegeben haben, auch schon einmal Lootboxen erworben. Für deren Kauf wird oft aggressiv geworben.
„Insbesondere unerfahrene Verbraucher wie Kinder und Jugendliche sind anfällig für Werbung. Sie sind sich der finanziellen Auswirkungen ihrer Käufe oft nicht bewusst“,
sagt Sabrina Wagner, Referentin für Marktbeobachtung im Digitalen beim vzbv.
Hinzu kommt, dass echtes Geld zunächst in eine dem jeweiligen Spiel immanente, virtuelle Währung umgetauscht werden muss, was das Ausgabeverhalten weiter negativ beeinflussen kann. Laut vzbv gebe es immer wieder Fälle, in denen „mehrere Tausend Euro für In-Game-Käufe ausgegeben werden“.
Gravierender noch sind mögliche psychische Langzeitfolgen. Laut dem vzbv stehen die Beutekisten im Verdacht, „mittels manipulativer Praktiken suchtähnliches Kaufverhalten“zu erzeugen. Burkhart Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Drogen- und Suchtfragen, sieht Parallelen zum klassischen Glücksspiel und warnt: „Kinder und Jugendliche müssen wir besser vor dieser Art von möglichem Glücksspiel durch die Hintertür schützen.“
Manche Spieleentwickler sind laut vzbv besonders auffällig: „Prominente Beispiele, über die sich Verbraucher beschwert haben, sind Blizzard Entertainment mit Diablo Immortal oder Electronic Arts (EA). Auch Spiele wie Clash Royale von Supercell haben bereits auf Lootboxen gesetzt“, sagt Wagner.
Trotz der bekannten Risiken werden Lootboxen in Deutschland rechtlich nicht dem Glücksspiel zugeordnet. Anders sieht es im benachbarten Ausland aus. Laut Wagner gebe es in anderen EU-Ländern bereits Regelungen beziehungsweise ein Verbot von Lootboxen, etwa in den Niederlanden oder Belgien. Dass in Deutschland entsprechende Regelungen bisher fehlen, kritisiert Burkhart Blienert. Aktuell seien hierzulande 1,3 Millionen Menschen von Spielsucht bedroht.
Sebastian Gutknecht, Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ), sieht auch Fortschritte: „Mit dem novellierten Jugendschutzgesetz hat der Bund die gesetzliche Grundlage geschaffen, dass Interaktionsrisiken wie Lootboxen in die Alterskennzeichnung von Games einfließen“, sagt er.