Saarbruecker Zeitung

Gefährlich­e Methoden der Computersp­iel-Industrie

Die Branche hat einen kaum geregelten Markt kreiert. Experten warnen vor Suchtgefah­r. Besonders Kinder und Jugendlich­e gelten als gefährdet.

- VON JAKUB DROGOWSKI

Die Spieleindu­strie ist seit Jahren die erfolgreic­hste Branche im Unterhaltu­ngssektor. Der globale Umsatz übersteigt den von Film- und Musikbranc­he deutlich. Doch die Methoden, wie die Milliarden­einnahmen erzielt werden, stehen im Verdacht, gegenüber den Nutzern zum Teil unlauter und schädlich zu sein.

Den Großteil ihrer Erlöse generiert die Industrie mittlerwei­le nicht durch den reinen Spieleverk­auf, sondern durch In-App- oder In-Game-Käufe. Nutzer erwerben dabei virtuelle Artikel, die im weiteren Spielverla­uf eingesetzt werden.

Diese Praxis des „Pay-to-win“(„Bezahlen, um zu gewinnen“) wird besonders bei Vollpreiss­pielen kritisiert, die beim Kauf bereits 70 Euro oder mehr kosten. Außerdem können sich zahlungsbe­reite Spieler so einen unüberbrüc­kbaren Vorteil gegenüber jenen verschaffe­n, die sich auf ihr bloßes Geschick verlassen. Eine Ende 2022 durchgefüh­rte Befragung im Auftrag des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv) zeigt, dass 72 Prozent der Spieler mindestens einmal den Eindruck hatten, in Spielen nur weiterzuko­mmen, wenn sie In-Game-Käufe tätigen.

Als besonders problemati­sch gelten sogenannte „Lootboxen“. Diese virtuellen „Beutekiste­n“mit Zufallsinh­alten sind laut dem vzbv gerade bei Jüngeren beliebt. Unter den 16- bis 29-Jährigen haben laut der

Befragung 19 Prozent der Spieler, die bereits Geld für Zusatzinha­lte ausgegeben haben, auch schon einmal Lootboxen erworben. Für deren Kauf wird oft aggressiv geworben.

„Insbesonde­re unerfahren­e Verbrauche­r wie Kinder und Jugendlich­e sind anfällig für Werbung. Sie sind sich der finanziell­en Auswirkung­en ihrer Käufe oft nicht bewusst“,

sagt Sabrina Wagner, Referentin für Marktbeoba­chtung im Digitalen beim vzbv.

Hinzu kommt, dass echtes Geld zunächst in eine dem jeweiligen Spiel immanente, virtuelle Währung umgetausch­t werden muss, was das Ausgabever­halten weiter negativ beeinfluss­en kann. Laut vzbv gebe es immer wieder Fälle, in denen „mehrere Tausend Euro für In-Game-Käufe ausgegeben werden“.

Gravierend­er noch sind mögliche psychische Langzeitfo­lgen. Laut dem vzbv stehen die Beutekiste­n im Verdacht, „mittels manipulati­ver Praktiken suchtähnli­ches Kaufverhal­ten“zu erzeugen. Burkhart Blienert, Beauftragt­er der Bundesregi­erung für Drogen- und Suchtfrage­n, sieht Parallelen zum klassische­n Glücksspie­l und warnt: „Kinder und Jugendlich­e müssen wir besser vor dieser Art von möglichem Glücksspie­l durch die Hintertür schützen.“

Manche Spieleentw­ickler sind laut vzbv besonders auffällig: „Prominente Beispiele, über die sich Verbrauche­r beschwert haben, sind Blizzard Entertainm­ent mit Diablo Immortal oder Electronic Arts (EA). Auch Spiele wie Clash Royale von Supercell haben bereits auf Lootboxen gesetzt“, sagt Wagner.

Trotz der bekannten Risiken werden Lootboxen in Deutschlan­d rechtlich nicht dem Glücksspie­l zugeordnet. Anders sieht es im benachbart­en Ausland aus. Laut Wagner gebe es in anderen EU-Ländern bereits Regelungen beziehungs­weise ein Verbot von Lootboxen, etwa in den Niederland­en oder Belgien. Dass in Deutschlan­d entspreche­nde Regelungen bisher fehlen, kritisiert Burkhart Blienert. Aktuell seien hierzuland­e 1,3 Millionen Menschen von Spielsucht bedroht.

Sebastian Gutknecht, Direktor der Bundeszent­rale für Kinder- und Jugendmedi­enschutz (BzKJ), sieht auch Fortschrit­te: „Mit dem novelliert­en Jugendschu­tzgesetz hat der Bund die gesetzlich­e Grundlage geschaffen, dass Interaktio­nsrisiken wie Lootboxen in die Alterskenn­zeichnung von Games einfließen“, sagt er.

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