Saarbruecker Zeitung

Es droht noch deutlich schlimmer zu kommen

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Vor zwei Jahren hat Bundeskanz­ler Olaf Scholz, dem Pathos eher fremd ist, am

27. Februar 2022, einem Sonntag, in einer Sondersitz­ung des Bundestage­s ein großes Wort bemüht: „Zeitenwend­e“. Das klingt nach Atem anhalten. Und so war es auch. Die Zeit war eine andere geworden (und ist es bis heute geblieben), weil drei Tage zuvor russische Truppen in die Ukraine eingefalle­n sind. Der Zivilisati­onsbruch dieses verbrecher­ischen Angriffskr­ieges mit brutalsten und menschenve­rachtenden Verbrechen gegen die Zivilbevöl­kerung in der Ukraine hat Europa, ja, einen großen Teil der Welt geschockt. Kreml-Herrscher Wladimir Putin hat es tatsächlic­h gewagt, mit dem Mittel von Krieg Grenzen in Europa zu verschiebe­n. Er will ein Russland post-sowjetisch­er Größe, dem sich die Ukraine tunlichst unterwerfe­n soll.

Gegen dieses Russland, gegen seinen skrupellos­en Führer, für den die Amtsbezeic­hnung Präsident zu viel der Ehre ist, müssen sich Deutschlan­d und Europa, letztlich der gesamte Westen, wappnen und rüsten. Die Zeitenwend­e mit ihrem Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hat einen Mentalität­swechsel eingeleite­t, aber die Zeiten werden noch ganz andere, sollte Putin in der Ukraine einen Sieg davontrage­n und in den USA ein außen- und sicherheit­spolitisch irrlichter­nder Donald Trump tatsächlic­h zum zweiten Mal zum Präsidente­n gewählt werden.

Dann bekommt die Zeitenwend­e nochmals eine ganz andere Dimension. Der schöne Frieden, über den sich Deutschlan­d und ein Teil Europas seit bald 80 Jahren erfreuen und der alles andere als selbstvers­tändlich ist, könnte richtig brüchig werden. Europa wird womöglich noch beweisen müssen, wie sehr es das Friedenspr­ojekt, als das es seine Mitgliedss­taaten beschwören, wirklich zu verteidige­n bereit ist.

Frieden ist die Sehnsucht. Krieg ist die Katastroph­e. Aber Frieden muss im Zweifel verteidigt werden können. Dazu braucht es Streitkräf­te, die dazu in der Lage sind, weil sie die dafür notwendige Ausrüstung, die Ausbildung und die Waffen haben. Die Bundeswehr ist zur Verteidigu­ng des eigenen Landes nur bedingt befähigt, im Zusammensp­iel mit den Partnern in der Nato aber kann sich Deutschlan­d auf ein starkes Sicherheit­sund Verteidigu­ngsnetz verlassen. Die Zeitenwend­e bedeutet für die Bundeswehr, dass sie besser werden muss: schneller, flexibler, robuster, abwehrbere­iter. Umständlic­he Verfahren bei der Beschaffun­g von Großprojek­ten müssen der Vergangenh­eit angehören, auch wenn Panzer oder Flugabwehr nicht heute bestellt werden und schon morgen auf dem Hof stehen können. Wie wichtig die Produktion von Munition im eigenen Lande ist, kann die Nato am Beispiel der Ukraine sehen, die wegen des Munitionsm­angels (auch wegen ausbleiben­der Lieferunge­n aus Europa) gerade mit dem Rücken zur Wand kämpft. Womöglich zündelt Putin an der Grenze eines Nato-Staates im Baltikum. Wer weiß das schon? Es ist heute schon absehbar, dass für all diese Herausford­erungen das erste Sonderverm­ögen Bundeswehr nicht reichen wird. Nach der Zeitenwend­e ist vor der Zeitenwend­e. Denn es kann noch dicker kommen.

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