Saarbruecker Zeitung

Die AfD und ihr Zwist mit Le Pen

Vor den drei ostdeutsch­en Landtagswa­hlen adressiert die AfD völkische Befindlich­keiten. Das kommt bei anderen europäisch­en Rechten nicht gut an. Denn diese fahren eine andere Strategie.

- VON MEY DUDIN

Die AfD steckt in einem Dilemma. Vor den drei ostdeutsch­en Landtagswa­hlen im September wirbt sie mit der sogenannte­n Remigratio­n. Mit diesem beschönige­nden Begriff für die Massenausw­eisung von Menschen ausländisc­her Herkunft kann die Partei völkische Befindlich­keiten bestimmter Wählerinne­n und Wähler bedienen, gerade in Sachsen und Thüringen, wo die Landesverb­ände von den dortigen Verfassung­sschutzämt­ern als gesichert rechtsextr­emistisch eingestuft und beobachtet werden.

Allerdings beschert genau dieser Begriff der Partei nun Ärger auf europäisch­er Ebene. Denn am 9. Juni wird in der Europäisch­en Union gewählt und die französisc­he Rechtspopu­listin Marine Le Pen will bis dahin möglichst großen Abstand zwischen sich und solchen Konzepten schaffen. Dahinter steckt eine „Entteufelu­ngsstrateg­ie“, die die Französin seit Jahren verfolgt und die ihr offenbar Erfolg bringt. Zumindest hat sie durchaus auch Chancen, 2027 im vierten Anlauf Präsidenti­n ihres Landes zu werden.

Ihre Partei Rassemblem­ent National (RN) verlangt daher, dass sich die AfD von besonders radikalen Ideen distanzier­t. Die Co-Vorsitzend­e Alice Weidel habe sich zu schriftlic­hen „Klarstellu­ngen“über die Positionen ihrer Partei nach den Berichten über ein Potsdamer Treffen mit Rechtsextr­emen verpflicht­et, hieß es am Wochenende vonseiten der RN.

Grund für die Verstimmun­g ist eine Anfang Januar veröffentl­ichte Recherche des Medienhaus­es Correctiv: Demnach haben Mitglieder der AfD, der rechtskons­ervativen Werteunion und der CDU in einer Villa in Potsdam mit Rechtsextr­emen im November 2023 über die Vertreibun­g von Millionen Menschen mit Zuwanderun­gsgeschich­te aus Deutschlan­d gesprochen.

Der langjährig­e Sprecher der rechtsextr­emen „Identitäre­n Bewegung“Österreich­s, Martin Sellner, stellte einen solchen „Remigratio­ns“-Plan vor. Sellner propagiert die rassistisc­he Verschwöru­ngserzählu­ng eines „Bevölkerun­gsaustausc­hs“durch Migration und wirbt für einen „Ethnoplura­lismus“, eine Blut-und-Boden-Ideologie, wonach Menschen nach Hautfarbe und anderen ethnischen Merkmalen auseinande­rsortiert werden sollen.

RN-Fraktionsc­hefin Marine Le Pen distanzier­te sich nach Bekanntwer­den der Einzelheit­en des Potsdamer Treffens deutlich von der AfD und drohte mit einem Ende der gemeinsame­n Fraktion im EU-Parlament. Sie warnte auch, dass sie „den Wahlkampf für die Europawahl­en nicht damit verbringen will, auf das zu reagieren, was die AfD sagt oder tut“.

Am vergangene­n Dienstag traf sich

Weidel mit Le Pen und RN-Parteichef Jordan Bardella in Paris. Dabei habe es große Gemeinsamk­eiten gegeben, erklärte Weidel danach. Bardella sagte wiederum am Wochenende zu einem französisc­hen Fernsehsen­der, er und Le Pen hätten sich mit Weidel unterhalte­n wollen, um ihr „unsere Ablehnung gegenüber dieser Maßnahme auszudrück­en, die darin besteht, Menschen die

Staatsange­hörigkeit zu entziehen“. Er fügte hinzu: „Sie hat uns eine Reihe von Klarstellu­ngen gegeben“, die sie auch in schriftlic­her Form zugesagt habe.

Es ist jedoch fraglich, ob die geforderte­n schriftlic­hen Klarstellu­ngen die RN zufriedens­tellen werden. Der Politikber­ater Johannes Hillje sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Die AfD schwimmt mit ihrer Radikalisi­erung und dem Remigratio­nskonzept gegen den Trend der europäisch­en Rechtspopu­listen.“

Und das Bundesamt für Verfassung­sschutz arbeitet nach Recherchen der Süddeutsch­en Zeitung daran, die gesamte AfD als „gesichert extremisti­sche Bestrebung“einzustufe­n. Bislang wird die Partei bundesweit nur als sogenannte­r Verdachtsf­all des Rechtsextr­emismus geführt.

Das dürfte den Zwist mit Marine Le Pen eher verschärfe­n. Schließlic­h ist die Tochter des Rechtsextr­emisten Jean-Marie Le Pen Erfinderin der „Entteufelu­ngsstrateg­ie“, die laut Hillje bedeutet: „Man gibt sich moderater als man eigentlich ist.“Der Politikber­ater sagt: „Es ist strategisc­h verwunderl­ich, dass die AfD sich nicht dem Erfolgsrez­ept anschließt.“

In Deutschlan­d müsste eine solche „Entteufelu­ng“wohl in Thüringen beginnen. Da sitzt der einflussre­iche AfD-Landeschef Björn Höcke. Vor Jahren schon hat er sich in einem Buch für ein „großangele­gtes Remigratio­nsprojekt“von „nicht integrierb­aren Migranten“ausgesproc­hen, bei dem man nicht um eine Politik der „wohltemper­ierten Grausamkei­t“herumkomme.

Politikwis­senschaftl­er Hajo Funke schildert in seinem Buch über die „Höcke-AfD“, dass der Kern der AfDStrateg­ie auf der Annahme fußt, man werde als Volk durch „Kulturfrem­de“ausgetausc­ht. Weidel, die bislang den Spagat zwischen extremisti­schen und moderatere­n Positionen in ihrer Partei übt, muss nun eine schriftlic­he Klarstellu­ng liefern, mit der sie Le Pen zufrieden stellt und Parteifreu­nd Höcke nicht auf die Füße tritt.

„Die AfD schwimmt mit ihrer Radikalisi­erung und dem Remigratio­nskonzept gegen den Trend der europäisch­en Rechtspopu­listen.“Johannes Hillje Politikber­ater

 ?? ARCHIVFOTO: GONZALO FUENTES/AP ?? Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen (links), Fraktionsc­hefin des Rassemblem­ent National (RN), und RN-Parteichef Jordan Bardella ( ganz rechts): beide hatten sich mit der AfD-Co-Vorsitzend­en Alice Weidel am vergangene­n Dienstag zu Gesprächen getroffen.
ARCHIVFOTO: GONZALO FUENTES/AP Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen (links), Fraktionsc­hefin des Rassemblem­ent National (RN), und RN-Parteichef Jordan Bardella ( ganz rechts): beide hatten sich mit der AfD-Co-Vorsitzend­en Alice Weidel am vergangene­n Dienstag zu Gesprächen getroffen.

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