Saargemünd serviert Kunst auf dem Teller
In einer Ausstellung in Saargemünd lässt sich die Art-Déco-Entwicklung nachverfolgen – anhand zahlreicher Beispiele von Tellern, Tassen und Kannen.
nba) Ihre Vergangenheit als Standort der Keramikindustrie prägt die Stadt Saargemünd bis heute. Seit Freitag wird im Musée de la Faïence in der Saargemünder Innenstadt in einer neuen Ausstellung ein Teil dieser besonderen Geschichte präsentiert. Denn die Ausstellung „L` Art Déco s` invite à table“, zu Deutsch „Die Art Déco lädt zu Tisch“, die gleich hinter dem prachtvollen Wintergarten des Museums aufgebaut ist, nimmt auch Bezug auf den deutschen Einfluss der Keramikherstellung in Saargemünd.
„Von 1871 bis 1918 gehörte Saargemünd zu Deutschland. Und zu dieser Zeit haben die deutschen Keramikfirmen bereits mit Künstlern zusammengearbeitet. So war es auch hier. Daher ist der Stil des Art Déco hier schon früher zu sehen als im übrigen Frankreich“, erklärt Julie Kieffer, studierte Historikerin und Direktorin der beiden Saargemünder Museen. In den präsentierten Tellern, Tassen und Kannen – die Ausstellung reduziert sich ganz auf Tischservice – kann man daher erkennen, dass die genutzten Designs unter deutschem Einfluss grafischer und geometrischer waren, verspielte Blumenmotive findet man kaum. So stammt das berühmte Saargemünder „Fox Trott“-Geschirr aus dem Jahr 1910 mit seinen blockhaften blauen und weißen Streifen von dem deutschen Designer Ludwig Hohlwein, der zur Zeit des Nationalsozialismus die Plakate für die
Olympiade von 1936 entwarf.
Der deutsche Einfluss bei der Saargemünder Keramikherstellung endet nach dem Ersten Weltkrieg, als die Stadt wieder zu Frankreich gehörte. Nach 1918 orientierte man sich daher verstärkt nach Paris, wobei die beiden Weltausstellungen 1925 und 1937 dort die Kunstrichtung des Art Déco nicht nur beflügelten, sondern sie auch begrenzten. In den ausgeliehenen Exponaten aus den Museen von Lalique in Wingen-sur-Moder, aus Saint-Dénis, Le Havre oder dem Musée des Arts décoratifs in Paris erkennt man, wie die Linienführung zu dieser Zeit immer linearer und zierlicher und der Hirsch ein bevorzugtes Motiv wurde, stand er doch für die Geschwindigkeit, die in dieser Kunstrichtung gerne dargestellt wurde. „Diese Dekade war das goldene Zeitalter der Art Déco“, erklärt dann auch Julie Kieffer. Das
Tischgeschirr nach 1937 wird grafischer, kompakter, man könnte fast schon sagen, etwas grober. Einer der Künstler, die zu dieser Zeit arbeitete, war Jean Luce, der auch für Villeroy & Boch Tischgeschirr entwarf. Sein braunes Saargemünder Service von 1936 mit kräftigen, blockhaften, geometrischen Formen und kugeligem Deckelgriff überzeugt bis heute.
Aber die neue Ausstellung im Saargemünder Keramikmuseum präsentiert nicht nur unterschiedliches Tischgeschirr, man erhält auch einen Eindruck, wie die Keramiken hergestellt wurden. Denn sowohl die originalen Schablonen für das Aufbringen des Designs, als auch originale Brennformen werden ebenfalls ausgestellt. Dazu wird auch auf einen ganz neuen Vertriebsweg des Geschirrs aufmerksam gemacht. Denn in der Zeit des Art Déco kamen die großen Warenhäuser auf, die „Grands Magasins“, die nicht nur ihre Waren, wie eben auch Tischgeschirr, ganz neu bewarben, man konnte sogar Einkaufsmarken sammeln, und diese gegen Serviceteile eintauschen. Und mit diesem Tischservice „Auteuil“für jedermann endet die Ausstellung. Gut durchdachte Spiele und Stationen für Kinder versprechen, dass in der Ausstellung „L` Art Déco s` invite à table“alle Familienmitglieder auf ihre Kosten kommen.