Stadtgalerie: Hier wird mit der Stimme gemalt
Sie stammt aus Saarlouis und lebt in Berlin. In der Stadtgalerie Saarbrücken hat Natalie Brück nun ihre erste große Einzelausstellung. Wer sie besucht, sollte etwas Zeit mitbringen, denn es gibt auch viel zu hören.
Für die neue Ausstellung „Ränder dieser Bilder“von Natalie Brück in der Saarbrücker Stadtgalerie muss man sich etwas Zeit nehmen. Denn wer nur durchschlendert, dem wird ein Großteil der künstlerischen Arbeit entgehen.
Natalie Brück stellt in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung acht Videoarbeiten vor, die wie ein Musikalbum zusammenhängen. Dementsprechend sind diese Videos oder Tracks mit bewegten Bildern, Texten und manche auch mit Musik gestaltet. Damit die Projektionen besser zu sehen sind, wurden die Räume der Stadtgalerie abgedunkelt, und die Präsentationsflächen im Format eines übergroßen Smartphones, auf die die Videos jeweils projiziert werden, hängen vereinzelt im Raum, einige mit Kopfhörern. Allein schon dieser äußerst sparsame, aber ästhetische Aufbau der Ausstellung macht auf die Videos der jungen saarländischen Künstlerin neugierig.
Natalie Brück wurde 1989 in Saarlouis geboren und war schon früh von Kunst fasziniert. 2008 begann sie ihr Studium an der Hochschule der Bildenden Künste, HBK Saar. Und
schon da war ihr schnell klar, dass sie sich am meisten für Performance, Video und Stimmgestaltung interessierte. So war dann auch in ihrer Diplomarbeit im Jahr 2014 ihre Stimme ein wichtiges Gestaltungselement.
Anschließend ging Natalie Brück nach München, absolvierte dort ein vertiefendes Studium an der Akademie der Bildenden Künste. Im Jahr 2016 zog sie nach Berlin, wo sie auch heute lebt. Zuerst assistierte sie der
Künstlerin Alicja Kwade, mittlerweile arbeitet sie freiberuflich als Künstlerin, entwickelt eigene Projekte, engagiert sich aber auch zusätzlich in der Bildungsarbeit.
„Ich arbeite in ganz verschiedenen Projekten mit Kindern und Jugendlichen über Cybermobbing“, erklärt sie. Daneben erhielt sie für ihre künstlerische Arbeit bereits mehrere Förderungen und ein Stipendium, war auch schon für verschiedene
Preise nominiert, wie im Jahr 2021 für den Kunstpreis Robert Schuman der Städte Saarbrücken, Luxemburg, Trier und Metz.
Vorgeschlagen wurde sie da von Katharina Ritter, der Leiterin der Saarbrücker Stadtgalerie. Sie kennt Natalie Brück schon lange, verfolgt deren künstlerischen Werdegang. Daher hat Natalie Brück auch schon mit der Stadtgalerie kooperiert, und im Rahmen der Ausstellung zum
Kunstpreis Robert Schuman das Video „Words“gezeigt.
Und eben dieser Track eröffnet dann auch die aktuelle Ausstellung in der Stadtgalerie. Eine gute Idee, führt dieses Video doch in die Arbeitsweise von Natalie Brück ein, die übrigen Tracks zeigen eine Weiterentwicklung verschiedener Motive dieses Videos. Und in all den Arbeiten von Natalie Brück spielt ihre Stimme eine wichtige Rolle.
„Words“ist ein Videostück, in dem man zu Beginn einzelne Wörter hört, dann aber zunehmend auch stimmliche Geräusche, die entstehen, wenn man beim Reden ins Stocken gerät, Wörter sucht oder findet. Die bewegten Bilder dazu sind von einer einfachen Klarheit. In Nahaufnahmen und Zeitlupe rieseln Rosenblätter, dann sieht man Rauchkringel, die sich verziehen oder einfache Pflanzen, die durch die Farbgebung an blühende Kirschbäume erinnern.
In ihrem zweiten Track, „Stimme“, entwickelt Natalie Brück diese Ideen weiter. Hier legt sie zuerst Musik, Beats des Musikers 7ventus, unter ihre schnell bewegten Bilder, die aus ineinander wabernden Formen in rotrosa und gelber Farbe bestehen. Die Farben und Darstellung erinnern an endoskopische Aufnahmen aus dem Körperinnern, aber sie sind nicht konkret, nicht genau zu erkennen. Jedoch passen die bewegten Bilder zu den schnellen Beats der Musik.
Im Vordergrund steht aber die Stimme der Künstlerin. Einzelne Worte sind zu hören, Satzfragmente, Aufzählungen und Sequenzen reihen sich aneinander, werden miteinander verwoben, wiederholen sich, erzählen aber keine Geschichte. Die
Wörter rufen Assoziationen hervor, die wiederum von den Bildern unterstützt werden. Nichts ist ganz klar, vieles wirkt prozesshaft, das Verhältnis von Stimme, Bildern und Klängen ist vielfältig.
Aber das Besondere an diesen Werken ist, dass man von Klang, Intonation und Betonung der Stimme eingenommen wird, dass Bilder, Beats und Stimme zusammen zu einer Einheit werden. Natalie Brücks Stimme schmeichelt sich ins Ohr. Die einzelnen Tracks unterscheiden sich voneinander, erzeugen andere Stimmungen, mal liegt der Fokus mehr auf dem Text, mal sind einzelne der bewegten Bilder zu erkennen, mal ist ein Video komplett in englischer Sprache. Außerdem werden nicht alle Tracks mit den Beats von 7ventus unterlegt. Jedes Video für sich ruft eine eigene Atmosphäre hervor und Natalie Brücks Stimme spricht dazu, betont Wörter, zählt auf, fragt und erklingt sogar als polyphoner Sprechgesang. In dem letzten Video der Ausstellung singt sie sogar.