James Blunt sorgt in der Rockhal für große Emotionen
Vor 5600 Zuschauern singt der britische Schmusesänger über den Tod seiner besten Freundin oder die Fehlgeburt seiner Frau.
Weil er seine Schmusestimme schier unendlich hochschrauben kann, wird James Blunt entweder als Heulsuse verschmäht oder innig geliebt. Die 5600 Zuschauer bei seinem Konzert am Sonntag in der Rockhal gehörten eindeutig zur letztgenannten Kategorie.
50 Jahre alt ist der Brite unter der Woche geworden, knappe zwei Jahre nach seinem letzten Auftritt im kleinen Luxemburger Atelier zieht es ihn nun mit neuem Album auf WeltTournee. Die Rockhal war nach Amsterdam erst die zweite Station. Seine Frau glaube, er sei bloß einen Monat weg – dabei dauere die Konzertreise ein Jahr, witzelte er charmant in seinen Ansagen, in der er das Publikum auch zu „Versuchskaninchen“seiner neuen Lieder erklärte.
Und die hatten es in sich. Groß ist Blunt darin, zauberhafte Songs aus Todtraurigem zu basteln. In „Monsters“vom Vorgängeralbum „Once upon a mind“2019 hatte er etwa die Angst vor dem Tod seines Vaters behandelt, der an Nierenkrebs im Endstadium litt und auf eine Spenderniere wartete. Die erhielt er inzwischen tatsächlich. Doch nicht immer geht es gut aus: So widmet der zweifache Vater auf der aktuellen Scheibe „Who we used to be“seiner 2016 gestorbenen Freundin, der Schauspielerin Carrie Fisher (Prinzessin Leia aus „Star Wars“) die Nummer „Dark thoughts“. Bei Fisher – seiner „besten Freundin jemals“, wie er singt - wohnte Blunt in Los Angeles, als er vor rund 20 Jahren seine ersten Alben aufnahm.
Das Lied ist aber noch nichts gegen „The girl that never was“, in dem er die Fehlgeburt seiner Tochter verarbeitet. Danach muss man erst mal durchatmen. Die Schuldgefühle der Eltern, den Fehler, dem Kind schon einen Namen gegeben zu haben, weil es nun ein Gesicht für sie hat. Und das Gefühl, es nie kennenlernen zu dürfen. Ein wunderschönes, aber zu Tränen rührendes Lied, bei dem Blunt die Gitarre oder Okulele einmal mehr zur Seite legt und am Piano Platz nimmt.
Doch unerträglich schwer ist das Konzert ganz und gar nicht – obwohl Blunt früh „drei Stunden traurige Lieder“ankündigt. Er und seine vier musikalischen Begleiter finden in der knapp 100-minütigen Show eine gute Balance aus ruhigen Klassikern seiner sieben Alben umfassenden Diskografie wie „High“, „Goodbye my lover“oder „Carry you home“und flotten Stücken daraus.
Den Opener bildet das aktuelle „Beside you“, dazu gibt's „Postcards“, „Stay the night“, „OK“, „Bonfire heart“oder zum Abschluss „1973“, bei dem er in gewohnter Weise aufs Klavier steigt und dort wie auf einem Surfbrett wellenreitet.
In Sachen Show wird optisch einiges geboten – Animationen, Videos und Live-Bilder auf drei Leinwänden – eine in voller Bühnenbreite. Das Publikum ist vom ersten Ton an inbrünstig dabei, jubelt, trägt ihn bei „Coz i love you“nach einem Sprung in die Menge auf Händen. „You're beautiful“singt es quasi alleine. Die beliebte Hochzeits-Nummer also, mit der Blunt 2005 den Durchbruch schaffte und die viele für einen Schmachtfetzen halten. Allerdings, so stellte er inzwischen klar, ist das Lied aus der Perspektive eines irren Stalkers geschrieben. Blunt bleibt also auch immer für eine Überraschung gut.
Die größte musikalische ist vielleicht das neue „I won't die with you“, das in seiner sommerlichen Leichtigkeit an Manu Chaos „Bongo Bong“erinnert. Gerne hätte man mehr als 20 Songs, etwa auch noch „The truth“, „Love under pressure“, „Make me better“oder „When i find love again“gehört – doch jedem „Versuchskaninchen“konnte es Blunt nicht recht machen.