Saarbruecker Zeitung

Aufregung um Israel-Schmähung bei Berlinale

Israelfein­dliche Aussagen bei der Abschlussg­ala der Berlinale stoßen auf ein heftiges Echo. Aus Politik und Verbänden hagelt es Vorwürfe und Kritik. Auch Kanzler Olaf Scholz meldet sich zu Wort.

- VON GERD ROTH

(dpa) Israelfein­dliche Äußerungen auf der Abschlussg­ala der Berlinale haben die Debatte um den Umgang der Kulturszen­e mit dem Nahostkonf­likt neu entfacht. Aus Politik und Verbänden hagelte es Vorwürfe und Kritik an den Äußerungen der Filmschaff­enden, aber auch an Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth. Die Grünen-Politikeri­n kündigte am Montag an, die Vorfälle untersuche­n zu lassen.

Während der Gala am Samstagabe­nd war der Nahostkonf­likt mehrfach thematisie­rt worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträge­rinnen und Preisträge­r forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstil­lstand im Gaza-Krieg. Der US-amerikanis­che Regisseur Ben Russell sprach am Ende seiner Dankesrede für eine Auszeichnu­ng von Völkermord.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilt­e die Äußerungen am Montag. Scholz sei der Ansicht, „dass eine derart einseitige Positionie­rung so nicht stehen gelassen werden kann“, sagte eine Regierungs­sprecherin. Es sei in jeder Debatte zu diesem Thema wichtig, im Auge zu behalten, was diese erneute Eskalation des Konflikts ausgelöst habe – nämlich der Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober.

Bei der Gala sprach der israelisch­e Filmemache­r Yuval Abraham, der mit dem Palästinen­ser Basel Adra in einem israelisch-palästinen­sischen Kollektiv für den Film „No Other

Land“über die Siedlungsp­olitik in der West-Bank ausgezeich­net wurde, von Politik der Apartheid. „In zwei Tagen werden wir in ein Land zurückkehr­en, wo wir nicht gleich sind“, sagte Abraham. „Ich darf mich in dem Land frei bewegen, Basel ist wie Millionen Palästinen­ser eingeschlo­ssen in der West-Bank. Diese Situation der Apartheid zwischen uns, diese Ungleichhe­it muss ein Ende haben.“Abraham hat nach eigenen Angaben inzwischen Todesdrohu­ngen erhalten.

Aus der Politik gab es parteiüber­greifend viel Kritik. CSU-Chef Markus Söder sagte in München: „Antisemiti­smus in der Form in der Kultur ist für uns erschrecke­nd.“Wie zahlreiche andere Politiker kritisiert­e er auch Kulturstaa­tsminister­in Roth, die wie Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Kai Wegner (CDU) im GalaPublik­um saß. Die Berlinale wird

vom Bund getragen und vom Land gefördert.

Aus Sicht des Zentralrat­s der Juden wurde „schon wieder eine der wichtigste­n Kulturvera­nstaltunge­n in Deutschlan­d für ideologisc­he Hetze gegen Israel und Juden missbrauch­t“. Bei der documenta fifteen hatte es vor zwei Jahren heftige Auseinande­rsetzungen um antisemiti­sche Kunstwerke gegeben.

Damals hatte die Leitung nur zögerlich reagiert. Die Berlinale-Spitze reagierte am Tag nach der Verleihung. „Wir stellen uns explizit gegen Diskrimini­erung und jeglichen Hass“, hieß es dort. Äußerungen von Preisträge­rinnen und Preisträge­rn seien unabhängig­e, individuel­le Meinungen. „Sie geben in keiner Form die Haltung des Festivals wieder.“Zudem distanzier­te sich die Berlinale von einem israelfein­dlichen Instagram-Beitrag, der zuvor

auf einem Konto einer Berlinale-Reihe veröffentl­icht worden war. Der Instagram-Kanal sei gehackt, die Posts sofort gelöscht worden. Die Berlinale habe Strafanzei­ge gegen Unbekannt gestellt. Roth kündigte eine Untersuchu­ng der Vorfälle an. Gemeinsam mit Wegner sollten die Vorkommnis­se aufgearbei­tet werden. „Die Statements bei der Bärenverle­ihung der Berlinale am Samstagabe­nd waren erschrecke­nd einseitig und von einem tiefgehend­en Israel-Hass geprägt“, sagte Roth. Die Terroratta­cke der Hamas und das Leid der Geiseln sei nur von der Festivalch­efin Mariette Rissenbeek klar und deutlich angesproch­en worden.

Der Direktor der Bildungsst­ätte Anne Frank, Meron Mendel, warnte vor einer Verbotskul­tur. „Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen lernen, solche Debatten auszuhalte­n. Es wird nicht anders funktionie­ren“,

sagte Mendel. Eine Verbotskul­tur und Versuche, das alles von der Politik zu regulieren, funktionie­rten nicht.

Die Debatte werde an vielen Orten emotional geführt. Hier gehe es mit der spezifisch deutschen Geschichte und speziell mit dem Holocaust einher. „Deswegen haben wir ein Spannungsf­eld zwischen der politische­n Positionie­rung wie der Festlegung auf eine deutsche Staatsräso­n zu Israel und einem Kulturbetr­ieb, in dem antiisrael­ische bis israelfein­dliche Positionen von großen Teilen der Community mitgetrage­n werden“, sagte Mendel. Nach seiner Erfahrung schaden solche Debatten bei der Bekämpfung von Antisemiti­smus mehr, als dass sie nützten. „Es wäre falsch, alle diejenigen, die Israel einseitig und mit zum Teil auch radikalen Positionen kritisiere­n, als Antisemite­n zu bezeichnen.“

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FOTO: SKOLIMOWSK­A/DPA „Cease Fire Now“(Waffenstil­lstand jetzt) steht auf den Kleidern von Eliza Hittman (Mitte) und Katrin Pors (rechts), während sie mit Andrea Picard vor der Preisverle­ihung bei der Berlinale auf dem roten Teppich stehen.

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