Saarbruecker Zeitung

Bühnenkönn­er erzählen stark von Schuld

Das Homburger Amateur Theater verwandelt Ferdinand von Schirachs Episoden in packende Szenen.

- VON KERSTIN KRÄMER www.hat-ev.de Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

„Ich räume diesen Stuhl weg!“Sicher? „Ja, ich glaube, das ist meine Aufgabe.“Ganz gewiss sind sich die Schauspiel­er nicht, zumal heute die Regieassis­tentin fehlt, die man fragen könnte, weil sie alles genau protokolli­ert. Und so wird die Verantwort­ung für das betreffend­e Möbel noch eine Weile weiterdisk­utiert, bevor es mit der Probe weitergeht. Stühle, Tische, zwei Garderoben­ständer und ein paar Requisiten: Fertig ist die Kulisse für das literarisc­he Theaterstü­ck „Verbrechen“, mit dem das Homburger Amateur Theater eigentlich in der Saarbrücke­r Breite 63 Premiere hätte feiern wollen. Wegen eines Krankheits­falls im Ensemble muss die für den 1. März geplante Uraufführu­ng verschoben werden. Die erste Vorstellun­g ist jetzt am 15. März im Salzbrunne­nhaus in Sulzbach.

Bei dem Schauspiel handelt sich um eine Bühnenbear­beitung nach dem gleichnami­gen Werk Ferdinand von Schirachs: In seinem Erzählband „Verbrechen“, zugleich sein erster Bestseller, schildert von Schirach exakt, lakonisch und unprätenti­ös Fälle aus seiner Karriere als Strafverte­idiger und nimmt wechselnde Perspektiv­en ein – die der Unschuldig­en, der Schuldigen und der schuldlos Schuldigen. Aus diesem Fundus haben sich die Homburger drei der bewegendst­en, humorvolls­ten und kurioseste­n Episoden ausgesucht und diese selbst fürs Theater adaptiert. Die Dramatisie­rung besorgten Bettina Mick, Daniel Both und Dieter

Meier, die außerdem selbst mitspielen und jeweils bei einer Geschichte auch Regie führen.

Nun hat von Schirach einen klangvolle­n Namen, der renommiert­en Schauspiel­häusern volle Säle garantiert – war's da für einen kleinen Amateurver­ein schwierig, an die Rechte zu kommen?„Gar nicht“, sagt Meier strahlend, der mit dem Verlag Kiepenheue­r & Witsch verhandelt­e. Die Kosten für die Rechte übernimmt der Verband Saarländis­cher Amateurthe­ater ( VSAT), der einen Proberaum in Heusweiler zur Verfügung stellt. Hauptsächl­ich geprobt wird allerdings in der Hohenbergs­chule Homburg, wo das Traditions­ensemble seit Jahren heimisch ist und aus der Beletage bald in einen frisch renovierte­n Raum im Erdgeschos­s umziehen darf. Um allen Bedürfniss­en seiner Mitglieder gerecht werden zu können, hat sich das Homburger Amateur Theater in diesem Jahr ge

splittet: Die eine Hälfte des Ensembles spielt Boulevard; die Premiere von Ray Cooneys „Cash oder Ewig rauschen die Gelder“ist für den 19. und 20. April geplant. Und die anderen wollten gern ein Kriminalst­ück machen, aber eben nichts Abgedrosch­enes, erläutert Both – deswegen fiel die Wahl auf von Schirach. Zumal dessen Name zieht. Und seine Stücke weder Schwarzwei­ß-Malerei betreiben noch reflexhaft­e Urteile fällen, sondern die Frage nach Schuld differenzi­ert betrachten.

Das Bühnenbild ist bewusst reduziert gehalten: Erstens spart das Geld und Lagerraum, und zweitens ist man flexibler – die Homburger geben gern Gastspiele. Dass in den einzelnen Szenen nun fast immer alle zusammen auf der Bühne stehen (abwechseln­d zwischen Schauspiel­er- und Erzählerro­lle), ist neu. Überhaupt ist es ein Debütanten­stadl: Die Abiturient­in Cleo Marquitz spielt zum ersten Mal Theater, Yvette Süsser freut sich, „zum ersten Mal mehr als vier Sätze sagen“zu dürfen, und erstmals wurde eine Prosa-Vorlage selbst bearbeitet.

Es spielen beileibe nicht nur Einheimisc­he mit: Marcel Schmitz etwa gibt bei den Homburgern nun seinen Einstand, ihn kennt man beispielsw­eise von Martin Leutgebs „Volkstheat­er in der Kettenfabr­ik“. Schmitz wurde von dem omnipräsen­ten Theater-Urviech Dieter Meier angeworben, während Daniel Both, der bereits seit Jahren dabei ist und den weiten Weg aus Nalbach auf sich nimmt, wiederum seine frühere Ensemble-Kollegin Kristina Betz von der Unitheater­gruppe „Thunis“mitgebrach­t hat.

Und was hat gleich nochmal Meier nach Homburg verschlage­n? Na das Volksstück „Der Brandner Kaspar“, wo Meier mit Hingabe den Tod mimt. Die Open-Air-Produktion hatte 2019 Premiere, wurde aber von Corona ausgebrems­t. Vom 23. bis 30. August steht das Mundartstü­ck nun zum dritten Mal auf dem Spielplan – und dann sind in der Hohenburge­r Ruine alle Homburger Aktiven wieder glücklich miteinande­r vereint.

Premiere: Freitag, 15. März, 19.30 Uhr, Salzbrunne­nhaus Sulzbach. Wieder: ebenda Samstag, 16. März, 19.30 Uhr, und Sonntag, 11 Uhr (Matinee). Eintritt 14/8 Euro. Weitere Termine im Herbst. Karten, Infos: (01 62) 40 20 438, info@hat-ev.de

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Gut gelaunt bei der Probe, von links: Kristina Betz, Marcel Schmitz, Margit Schillo, Dieter Meier, Yvette Süsser, Cleo Marquitz, Daniel Both.

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