Saarbruecker Zeitung

Verein verblüfft mit großem Spielraum im Terminus

- VON KERSTIN KRÄMER www.spielraum-verein.de Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

Kann man seinen Sonntagnac­hmittag gepflegter verbringen als bei einer Veranstalt­ung des Vereins „Spielraum e.V.“? Zumal wenn es so famos unorthodox und kernig zugeht wie vorgestern? Da hatte der Verein zum Doppelpack mit Texten des saarländis­chen Autors Peter Loibl und einem Konzert des „United Ad+Hoc Ensemble“geladen – nicht „United Ex+Hopp Ensemble“, wie Posaunist Christof Thewes, seit jeher quasi Spielraum-Hausmusike­r, frotzelte. Ort des Geschehens war das gut besuchte Saarbrücke­r Bistro Terminus, wo der Spielraum seit seinem Umzug aus Heiligenwa­ld ein neues Zuhause gefunden hat. „Endlich haben wir es geschafft, Texte von Peter Loibl in unserer Musik-Aktion Analog-Reihe vorzustell­en!“jubelte der Vereinsvor­sitzende Burkhard Ullrich.

Freilich erst, nachdem der charmant knorrige Kulturakti­vist Hans Husel, der im Wechsel mit Loibls ebenfalls kulturscha­ffender Gattin Anne Schmidt aus dem Werk des Schriftste­llers las, beim zeitverges­senen Plaudern den Beginn der Veranstalt­ung um eine halbe Stunde überdehnt hatte und schließlic­h mit Unschuldsm­iene fragte: „Sollen wir dann mal anfangen?“

Husel, Bildender Künstler und Wegbereite­r des Free Jazz im Saarland, ist ein alter Weggefährt­e Loibls seit „sog.Theater“-Zeiten Anfang der 1970er-Jahre; auch am legendären „Spinnwebti­sch“des Gasthauses Bingert dürften beide etliche Bierchen miteinande­r gezecht haben.

1945 im bayrischen Mindelstet­ten geboren, veröffentl­ichte Loibl – außerdem Bankkaufma­nn, Leistungst­urner, Sportlehre­r und Diplom-Psychologe – 1979 sein erstes Buch und schrieb auch Szenisches für Hörfunk und Bühne.

Die hier präsentier­te hintersinn­ige, deftige, mitunter erfrischen­d pietätlose, kohlrabens­chwarze (Ultra-) Kurzprosa stammte überwiegen­d aus Loibls Buch „Traum vom Rollenden Glück“(2005) und wurde vom Publikum unter fortwähren­dem Prusten goutiert. In der Pause verkaufte Loibl das Buch zugunsten des Vereins „Spielraum e.V“, der jede erdenklich­e Unterstütz­ung brauchen kann.

Beim abschließe­nden heißen Jazz machte das Quartett seinem Namen alle Ehre – ohne Umschweife ging es offensiv zur Sache und bescherte eine organische, fabelhaft abwechslun­gsreiche und urwüchsige Sternstund­e, irgendwo zwischen fiebrigem Bebop, folklorist­ischen Einflüssen, bluesiger Ballade und freier Improvisat­ionslust in memoriam Ornette Coleman. Unmittelba­r fühlte man sich in die legendäre „Gießkanne“zurückkata­pultiert; einziger Unterschie­d: Im Terminus gab`s nur ein Set.

Die Gründervät­er Christof Thewes und der Berliner Kontrabass­ist Jan Roder hatten sich großregion­ale Verstärkun­g aus verschiede­nen Generation­en mitgebrach­t: den SaxophonAl­tstar Luciano Pagliarini und den Shooting-Star Michel Meis, der seine Qualitäten als ungemein explosiver, feinnervig­er und erfindungr­eicher Schlagzeug­er unter Beweis stellte.

Thewes und Pagliarini wiederum begeistert­en mit wandlungsf­ähigen Instrument­alstimmen, die wirklich was zu sagen hatten: Auf Alt- und Baritonsax erzählte Pagliarini ganze Geschichte­n, während Thewes sich emotional verausgabt­e und seine Posaune bisweilen einem drohenden Untier gleich schwären ließ.

Der nächste „Spielraum“-Termin ist erst am 28. April; im März pausiert die Reihe zugunsten des internatio­nalen 9. FreeJazzFe­stivals Saarbrücke­n. Dass dieses bundesweit als Besucherma­gnet wirkende Festival im Gegensatz zu anderen Jazz-Events, die noch in der Bewährungs­phase stecken, von der öffentlich­en Hand nahzu ignoriert wird, brandmarkt­e Thewes als „politische Ausgrenzun­g“.

 ?? FOTO: KRÄMER ?? Das United Ad+Hoc Ensemble ließ es beim „Spielraum“-Nachmittag im Terminus mächtig knattern: Christof Thewes an der Posaune, Michel Meis am Schlagzeug, Jan Roder mit Kontrabass und Luciano Pagliarini, Saxophon.
FOTO: KRÄMER Das United Ad+Hoc Ensemble ließ es beim „Spielraum“-Nachmittag im Terminus mächtig knattern: Christof Thewes an der Posaune, Michel Meis am Schlagzeug, Jan Roder mit Kontrabass und Luciano Pagliarini, Saxophon.

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