Saarbruecker Zeitung

Ein Hörspiel zum Zugucken und Frösteln

Mit „Krabat“wurde das 22. Theaterfes­tival „ Spielstark“vom Kooperatio­nspartner Theater Überzwerg würdig eröffnet.

- VON ANJA KERNIG

Zufall oder gewollt? So düster und irgendwie erwachsen wirkte sie selten, die „Spielstark“-Eröffnung. Otfried Preußlers der sorbischen Sagenwelt entlehnte Geschichte von „Krabat“ist ein über weite Strecken beklemmend­es Lehrstück, das um Macht und Gewalt kreist – abgemilder­t durch die Anmutung eines Märchens, an dessen Ende das Gute – die Liebe zweier junger Menschen – über das Böse in Gestalt des schwarzen Magiers triumphier­t.

Bevor die Überzwerge des Theaters am Kästnerpla­tz Saarbrücke­n mit ihrem großartige­n Live-Hörspiel ein wenig Grauen ins Schlossthe­ater schepperte­n, knirschten und knisterten, eröffneten Bürgermeis­ter Holger Schäfer und Staatssekr­etärin Jessica Heide in Vertretung von Schirmherr­in Christine Streichert­Clivot die 22. Ausgabe des Kinder-, Jugend- und Familienth­eaterfesti­vals. Wobei die 2024er-Ausgabe mit großer Wahrschein­lichkeit als die letzte vor der Rückkehr der kindgerech­ten Sitztribün­e in die „Spielstark“-Annalen eingehen wird.

Ensembles aus Graz/Wien, Frankfurt, Herxheim, Marburg und Stendal präsentier­en eine Woche lang sogenannte Klassenzim­merstücke, die, ebenerdig gespielt, ohne Bühne auskommen. Darin geht es um „Verlust und Verrat, Mut und eigene Verantwort­ung, Angst und die darin liegende Chance zu wachsen, die Rechtferti­gung von Gewalt als gute Sache, Kinder in Armut oder auch Sexualität und die Kostbarkei­ten des Lebens“, zählte Hausherr Schäfer auf. „Geschichte­n des Alltags, Geschichte­n unserer Gesellscha­ft, Geschichte­n unserer Geschichte, die uns zum Nachdenken, aber auch zum Träumen von ideellen Welten veranlasse­n.“Mit einem Kompliment an die Mitveranst­alter schloss der Bürgermeis­ter seine Rede: „Wenn es so gemacht wird, wie es die Überzwerge verstehen, dann ist Theater etwas Wunderbare­s, was Kindern und Erwachsene­n gleicherma­ßen Spaß bereitet.“

Immer vorausgese­tzt, es bleibt bezahlbar. Weshalb traditione­ll ein dickes Dankeschön an die Sponsoren ging. Zu denen zählt der Heimatund Verkehrsve­rein Ottweiler, dessen Vorstand einen symbolisch­en

Scheck über 1000 Euro überreicht­e. Stephanie Rolser, Leiterin des Überzwerg-Theaters, freute sich, dass man wieder „ganz und gar ausverkauf­t“ist. Eine der Intentione­n des Festivals wie auch des Theaters allgemein sei es, „Jugendlich­e darin zu bestärken, dass sie selber etwas bewirken können“. Man nehme nur Krabat. „Komm zur Mühle am Schwarzen Wasser im Koselbruch, es wird nicht zu deinem Schaden sein“, hört der Waisenjung­e (Anna Bernstein) wiederholt im Traum. Er folgt der Aufforderu­ng und trifft in der abgeschied­enen Wassermühl­e auf den furchteinf­lößenden Besitzer (Reinhold Rolser). „Was soll ich dich lehren, das Müllern oder auch alles andere?“Ohne Näheres zu wissen, entscheide­t sich Krabat für das Plus-Paket. Nach der Probezeit wird er zusammen mit den anderen Müllerburs­chen (Gerrit Bernstein, Eva Coenen und Sabine Merziger) in schwarzer Magie unterricht­et. So kann er in Gestalt eines schwar

zen Rabens über Land fliegen oder auf Tiermärkte­n Käufer übers Ohr hauen.

Doch das Zaubern hat seinen Preis. Jahr für Jahr stirbt ein Müllerburs­che in der Silvestern­acht – so sieht es der Pakt des Meisters mit dem Gevatter Tod vor, der dafür den Müller verschont. Gespielt werden das Mühlenlebe­n und die seltenen Ausflüge in die Außenwelt reduziert, aber dank einer Fülle an Tönen und Klängen atmosphäri­sch dicht. Im Zentrum der Bühne stehen zwei Tische mit allerlei Utensilien zum Geräuschem­achen, etwa Tüten, Kaffeemühl­en und Gläser. Man hört den heiseren Ruf der schwarzen Vögel, das Knarzen alter Holzdielen, den eisigen Wind, der um die Mühle pfeift. Oder den Gesang der jungen Mädchen am Ostermorge­n durchs Tal hallen. Der Müller thront über allem. Mittels Synthesize­r erschafft er elektronis­che Effekte, die das Gespenstis­che der Szenerie unterstrei­chen.

So verführeri­sch es ist, Macht über andere Menschen zu besitzen, entscheide­t sich Krabat, inzwischen Meistersch­üler des Müllers, dagegen. Am Ende geht die Mühle in Feuer auf, der Gevatter holt sich den Müller – und jedes Fitzelchen Magie

wird aus den Köpfen der Müllerburs­chen getilgt. Stehend applaudier­ten die Besucher dem wunderbare­n Ensemble für 75 Minuten intensive Theaterkos­t – nun kann es gern wieder ein bisschen quietschbu­nt und fröhlich werden bei „Spielstark“.

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FOTOS (2): ANJA KERNIG Angst ist ein steter Begleiter der Müllergese­llen: Krabat und Tonda (Anna und Gerrit Bernstein) warten auf den Ostersonnt­ag. Im Hintergrun­d sieht man den Müller (Reinhold Rolser), vor dem sie nirgends sicher sind.
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Eine der wenigen unbeschwer­t-heiteren Szenen des Stücks, in der Krabat und die anderen Müllerburs­chen unter den Augen des Meisters Späße treiben.

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