„Es fehlt manchmal die Geschwindigkeit“
FCS-Vizepräsident Salvo Pitino über die Pokalsaison des FCS, die Doppelrolle von Rüdiger Ziehl und die Zukunft des Proficampus.
Gut ein Jahr ist Salvo Pitino mittlerweile Vizepräsident des Fußball-Drittligisten 1. FC Saarbrücken. „Kurz vor Valentinstag muss es gewesen sein“, erzählt Pitino bei seinem Besuch in der Sportredaktion der Saarbrücker Zeitung. Der Blick ins Archiv gibt ihm recht – am 9. Februar 2023 wurde der damals 41-Jährige vom Aufsichtsrat des FCS zum Nachfolger von Vereinsikone Dieter Ferner bestellt, der sein Amt Ende Juni 2021 niedergelegt hatte. Selbstredend, dass Pitino auf der Sportcouch der SZ unter einem Bild von Ferner Platz nimmt, das den damaligen Trainer des FCS umringt von glücklichen Fans beim Aufstieg 2010 aus der Regionalliga in die 3. Liga zeigt.
In den gut zwei Stunden seines Besuchs nahm Pitino Stellung zu seinen Eindrücken, die er in seinem ersten Jahr im Verein gewinnen konnte und berichtet von dem Weg der Professionalisierung, den der größte Sportverein des Saarlandes in den nächsten Jahren vor sich hat. Pitino verrät auch die Pläne des Vereins, was die Zukunft des ins Stocken geratenen Proficampus angeht, und erzählt von der bislang „unglaublichen Pokalsaison“, die der FCS hinter sich hat und die gegen Borussia Mönchengladbach am 12. März im Viertelfinale nicht enden soll.
Herr Pitino, Sie sind seit einem Jahr im Amt. Wie haben Sie diese ersten zwölf Monate persönlich erlebt?
SALVO PITINO Ich bin eher ein ungeduldiger Typ und musste lernen, Geduld zu haben. Es wäre vermessen, nach einem Jahr zu sagen: Ich kenne diesen Verein. Ich möchte das Gleichgewicht zwischen Moderne und Tradition wahren. Ich stehe nicht für eine absolute Kommerzialisierung, aber ich stehe dafür, einen traditionellen Verein in die Moderne zu führen. Da ist es wichtig, die Fans mit einzubinden. Ich selbst empfinde meine Arbeit dabei als nicht besonders.
Ihr Vorgänger Dieter Ferner war Spieler, Trainer, Sportdirektor und schließlich Vizepräsident und in all diesen Rollen erfolgreich. Hat Ihnen der große Schatten nicht etwas Angst gemacht?
PITINO Ich habe höchsten Respekt vor Dieter Ferner, der auch mein Trainer war und den ich darum auch menschlich kenne. Er ist eine Legende beim 1. FC Saarbrücken. Er hat konstante und nachhaltige Arbeit geleistet. Für mich kann ich sagen: Du kannst nie erfolgreich sein, wenn du versuchst, jemand anderes zu sein.
Nach der großen Zustimmung bei der Mitgliederversammlung Ende 2022 hatten viele mit Aron Zimmer – dem heutigen Aufsichtsratschef – als neuem Vizepräsidenten gerechnet. Wie kam es dazu, dass Sie ins Amt kamen?
PITINO 2015 hat mich Horst Hinschberger angesprochen, beim FCS noch einmal reinzuschnuppern. Das konnte ich mir damals noch nicht vorstellen. Vor einem Jahr wurden dann Gespräche mit den Präsidiums- und Aufsichtsratsmitgliedern geführt. Ob und was mit anderen Kandidaten besprochen wurde, kann ich nicht beurteilen. Letztlich ergab es sich dann ganz schnell. Das war keine Entwicklung von Monaten, sondern das Ergebnis eines guten Gesprächs mit Präsident Hartmut Ostermann.
Sie sind angetreten, um den Verein zu professionalisieren. Inwieweit
sind Sie da vorangekommen? PITINO Mittlerweile würde ich das Wort Professionalisierung komplett streichen. Ich habe festgestellt: Wir müssen einfach nur reibungslosere Abläufe hinbekommen, dann bist du automatisch professioneller. Das bekommt man hin, indem man sich ständig aktiv austauscht. Wir haben mittlerweile eine Personalstruktur aufgebaut. Ich habe Gespräche mit Bewerbern geführt für Bereiche, die der Verein damals noch gar nicht hatte. Wir haben Menschen gefunden, die sich wirklich reinknien. Es fehlt manchmal noch die Geschwindigkeit. Die Gremien, die tagen müssen, um Entscheidungen zu treffen, können das aus verschiedenen Gründen nicht immer so zeitnah tun, wie es erforderlich wäre.
Geschwindigkeit könnte man durch Hauptamtlichkeit gewinnen. Man kann Leute einstellen, oder man kann die Profi-Abteilung ausgliedern.
PITINO Der Verein gehört den Mitgliedern. Das ist ganz wichtig. Die Mitglieder müssen entscheiden, ob sie das wollen. Wollen wir einen Vorstand Sport, Vorstand Finanzen, Vorstand Kommunikation und so weiter? Will man das? Ich kenne allerdings keinen Verein ab der 2. Liga, der ohne Hauptamtliche überlebt und funktioniert.
Sie hatten angekündigt, sich 40 Stunden pro Woche in den Dienst des Vereins zu stellen. Haben Sie das so durchgezogen?
PITINO Das war notwendig, da
mit ich den Verein vollumfänglich kennenlerne. Ich habe versucht, mit jedem in diesem Verein ein Gespräch zu führen. Ich habe es noch nicht ganz geschafft. Natürlich ist es schwer, diesen Aufwand ehrenamtlich zu leisten. Da gilt mein großer Respekt unserem Schatzmeister Dieter Weller, der das ja seit über zwei Jahrzehnten neben seinem Beruf praktiziert. Wenn wir den Verein nach vorne bringen wollen, muss man das vorleben.
Im früheren Präsidium waren die Rollen klar verteilt. Ostermann war der Chef, Ferner zuständig fürs Sportliche, Weller für die Finanzen. Wie haben Sie das jetzt organisiert? PITINO Wir haben mit Rüdiger Ziehl und Jürgen Luginger mittlerweile zwei Personen, die für den sportlichen Bereich zuständig sind. Die Entscheidungsfindung liegt grundsätzlich beim Manager. Aber natürlich ist das Präsidium mit eingebunden. Meine Rolle, ist zu lernen und zu beobachten.
Rüdiger Ziehl ist derzeit Manager und Trainer. Wie lange soll dieser Zustand noch anhalten? Will man überhaupt wieder beide Posten trennen? Wenn ja, kehrt Ziehl dann auf den Manager-Stuhl zurück?
PITINO Das Amt des Trainers beim 1. FC Saarbrücken ist kein leichtes. Stürmer werden an Toren gemessen, Trainer an Punkten. Da würde ich mir wünschen, dass wir etwas mehr Geduld an den Tag legen könnten. Wenn man sagt, der Trainer kann nicht gleichzeitig auf dem Platz ste
hen und gleichzeitig andere Dinge erledigen – das sehe ich anders. Auf dem Platz steht er zwei Mal am Tag, und so ein Tag hat mehr als vier Arbeitsstunden. Ich glaube schon, dass Rüdiger Ziehl gemeinsam mit Jürgen Luginger genügend Zeit hat, zu wissen, was neben dem Training ablaufen muss und soll. Jeder weiß, dass er keine einfache Position innehat, aber ich glaube, dass er der Aufgabe gewachsen ist.
Ist es ein Modell über den Sommer hinaus?
PITINO (zögert): Jeder macht sich dazu Gedanken. Auch die Fans. Rüdiger Ziehl sagt Ja, und so lange er Ja sagt, gebe ich ihm mein Vertrauen. Ich bewerte ihn auch nicht rein nach Punkten, sondern nach der Nachhaltigkeit seiner Arbeit. Siehe Horst Steffen in Elversberg. Der ist auch nicht im ersten, zweiten oder dritten Jahr aufgestiegen – und das mit einer Mannschaft, die in der Regionalliga schon ihresgleichen gesucht hat. Man kann nur gesund und langsam wachsen. Nimm als Beispiel Magdeburg, Elversberg oder Ulm. Es ist kein Zufall, dass die nach dem Aufstieg eine super Runde spielen. Wenn du zu schnell wächst, geht es auch schnell wieder runter.
Ist die SV Elversberg also ein Vorbild für den FCS?
PITINO Nein. Weil man beide Vereine nicht miteinander vergleichen kannst. Ich würde eher den 1. FC Heidenheim als Vorbild nehmen. Dort gibt es einen Trainer, der nicht ins normale Bild passt. Er hat eine klare Meinung, fällt nicht beim ersten Gegenwind um. Er gibt Antworten, die man nicht erwartet. In Heidenheim setzt man auf junge Spieler, die lange im Verein bleiben. Horst Steffen hat immer auch viel zugekauft.
Aber solche Talente muss man erst einmal finden – auch wenn man ein Nachwuchsleistungszentrum mit zwei Sternen hat.
PITINOWir brauchen Gesichter im Verein. Wir müssen nach Möglichkeit verdiente Spieler einbinden. In ein, zwei Jahren Manuel Zeitz oder Sebastian Jacob. Wir wollen das Scouting im Verein neu aufbauen mit Mike Frantz an der Spitze. Aber es muss ein Konzept dahinter. Man muss alle Nachwuchsleistungszentren abklappern. Aber nicht nur in Deutschland. Auch in Holland, Frankreich oder Italien. Wir müssen große Vereine überzeugen, dass wir für ihre Talente, die den Sprung noch nicht sofort schaffen, eine gute Adresse sind.
Sie sprachen vom nachhaltigen Arbeiten. Gilt das auch für das Trainerteam?
PITINO Absolut. Rüdiger Ziehl hat mit Yannick Thiel einen weiteren Co-Trainer zu Bernd Heemsoth hinzubekommen. Vor Kurzem haben wir mit Frank Sänger noch einen zweiten Physiotherapeuten eingestellt. Das Team ums Team muss mit wachsen. Auch wenn wir künftig junge Spieler von außerhalb bekommen, muss sich ein Teammanager um diese kümmern, dafür sorgen, dass sie die Sprache lernen und ihnen zeigen, wo man hingeht und wo besser nicht.
Kann man mit dem Erreichen des Pokal-Viertelfinals schon von einer gelungenen Saison sprechen, oder muss der Aufstieg noch her?
PITINO Wir haben durch die DFBPokal-Einnahmen eine gute finanzielle Ausgangslage. Wenn du es schaffst, diese zu konservieren und im nächsten Jahr richtig einzustellen, hast du aber auch keine Garantie, sportlich aufzusteigen. Wenn wir am Ende Vierter werden und uns wieder für den Pokal qualifizieren, war das eine gute Saison für mich.
Noch mal kurz zum Thema gesund wachsen: Wurde der Verein vom Mitgliederwachstum auf über 10 000 überrollt? Bestes Beispiel ist die Problematik mit den Jubiläumsboxen.
PITINO Dazu passen auch die Pokalspiele. Da kommen plötzlich so viele Anrufe, da geht die Telefonanlage in die Knie. Da gibt es Presseanfragen, die man gar nicht abarbeiten kann, in Sprachen, die du nicht kannst. Das überrollt dich wie ein Panzer. Bei den Boxen gab es Probleme mit den Zulieferern. Zunächst haben wir nur 2000 bestellt, dann gab es fast 13 000 Nachfragen und letztlich weit über 4000 Bestellungen. Das ist eine neue, große Idee. Da haben wir auch dazugelernt, lernen müssen.
Der Verein wurde in den letzten Jahren nicht müde, von den schlechten Trainingsbedingungen im Sportfeld zu berichten. Die Idee, auf dem Gelände in der Galgendell in Zusammenarbeit mit der Maxi Sports einen Proficampus zu errichten, ist bislang gescheitert. Was ist der Stand der Dinge?
PITINO Keiner kann verstehen, warum das nicht möglich sein soll. Es gab damals die Aussage der Stadt von Städtebau-planerischen Maßnahmen. Mittlerweile sind anderthalb Jahre rum, und die Brombeerhecken und Mirabellenbäume stehen immer noch. Das Funktionsgebäude, die heutige Soccerhalle, steht seit 41 Jahren. Das wäre also nur eine Nutzungsänderung. Der Verein würde das Gebäude vom derzeitigen Mieter, der Soccerstar Group, mieten. Warum man aus der Fläche von sechs Tennisfeldern, die in der Länge ausreichende 140 Meter bringen, denen in der Breite aber 20 Meter fehlen, nicht einen Rasenplatz machen kann – verstehe wer will. Zumal die Stadt diese Idee vor Jahren schon einmal selbst hatte, als es um eine neue Spielstätte des AFC Saarbrücken ging.
Nach der Rasenblamage im Ludwigspark sollte die Verwaltung doch aktuell ein offeneres Ohr für den FCS haben.
PITINO Der Proficampus ist Thema des kompletten Präsidiums. Der Verein würde die Fläche von der Stadt anmieten und den Platz in Alleinregie bauen. Bei allen Turbulenzen der vergangenen Wochen muss man auch mal den Hut ziehen: Kompliment an Patrick Berberich (Baudezernent der Stadt Saarbrücken, Anm.d.Red.) und an Uwe Conradt (Oberbürgermeister der Stadt, Saarbrücken, Anm.d.Red.) sie haben beim Austausch des Rasens im Ludwigsparkstadion Gas gegeben. Wenn man will, kann man – und die Stadt hat bewiesen, dass sie kann. Daran gilt es anzuknüpfen. Wenn Verein und Stadt Hand in Hand arbeiten, entstehen Sachen, von denen jeder profitiert.
Wäre die Eishalle und ein Ausbau des Sportfeldes eine Option?
PITINO Selbst wenn man den Wald roden dürfte, wovon nicht auszugehen ist, hätte man einen Platz, aber kein Funktionsgebäude. An die Eishalle kann man einen Haken machen, sie soll über drei Millionen Euro kosten – und dann ist noch nichts renoviert.
Die Amtszeit des Präsidiums geht bis Ende 2025. Es mehren sich die Gerüchte, Präsident Ostermann könnte sich vorher zurückziehen. Ist das Thema in den Gremien? Gibt es Gedanken um einen Nachfolger? Könnte der Salvo Pitino heißen?
PITINO Ich kann heute für mich selbst nicht beantworten, ob ich in 22 Monaten weitermachen möchte. Die Frage, ob unser Präsident eine, zwei oder keine Amtszeit mehr machen möchte, kann nur er beantworten. Es gibt ein Lied: Es kommt alles zu seiner Zeit. Ich brenne absolut für den FCS, aber ich würde mir nie anmaßen zu sagen, ich will gern Präsident werden.
DAS GESPRÄCH FÜHRTEN MARK WEISHAUPT, KAI KLANKERT, STEFAN REGEL, DAVID HOFFMANN UND PATRIC CORDIER