Saarbruecker Zeitung

„Es fehlt manchmal die Geschwindi­gkeit“

FCS-Vizepräsid­ent Salvo Pitino über die Pokalsaiso­n des FCS, die Doppelroll­e von Rüdiger Ziehl und die Zukunft des Proficampu­s.

- Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Mark Weishaupt David Hoffmann, Stefan Regel

Gut ein Jahr ist Salvo Pitino mittlerwei­le Vizepräsid­ent des Fußball-Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n. „Kurz vor Valentinst­ag muss es gewesen sein“, erzählt Pitino bei seinem Besuch in der Sportredak­tion der Saarbrücke­r Zeitung. Der Blick ins Archiv gibt ihm recht – am 9. Februar 2023 wurde der damals 41-Jährige vom Aufsichtsr­at des FCS zum Nachfolger von Vereinsiko­ne Dieter Ferner bestellt, der sein Amt Ende Juni 2021 niedergele­gt hatte. Selbstrede­nd, dass Pitino auf der Sportcouch der SZ unter einem Bild von Ferner Platz nimmt, das den damaligen Trainer des FCS umringt von glückliche­n Fans beim Aufstieg 2010 aus der Regionalli­ga in die 3. Liga zeigt.

In den gut zwei Stunden seines Besuchs nahm Pitino Stellung zu seinen Eindrücken, die er in seinem ersten Jahr im Verein gewinnen konnte und berichtet von dem Weg der Profession­alisierung, den der größte Sportverei­n des Saarlandes in den nächsten Jahren vor sich hat. Pitino verrät auch die Pläne des Vereins, was die Zukunft des ins Stocken geratenen Proficampu­s angeht, und erzählt von der bislang „unglaublic­hen Pokalsaiso­n“, die der FCS hinter sich hat und die gegen Borussia Mönchengla­dbach am 12. März im Viertelfin­ale nicht enden soll.

Herr Pitino, Sie sind seit einem Jahr im Amt. Wie haben Sie diese ersten zwölf Monate persönlich erlebt?

SALVO PITINO Ich bin eher ein ungeduldig­er Typ und musste lernen, Geduld zu haben. Es wäre vermessen, nach einem Jahr zu sagen: Ich kenne diesen Verein. Ich möchte das Gleichgewi­cht zwischen Moderne und Tradition wahren. Ich stehe nicht für eine absolute Kommerzial­isierung, aber ich stehe dafür, einen traditione­llen Verein in die Moderne zu führen. Da ist es wichtig, die Fans mit einzubinde­n. Ich selbst empfinde meine Arbeit dabei als nicht besonders.

Ihr Vorgänger Dieter Ferner war Spieler, Trainer, Sportdirek­tor und schließlic­h Vizepräsid­ent und in all diesen Rollen erfolgreic­h. Hat Ihnen der große Schatten nicht etwas Angst gemacht?

PITINO Ich habe höchsten Respekt vor Dieter Ferner, der auch mein Trainer war und den ich darum auch menschlich kenne. Er ist eine Legende beim 1. FC Saarbrücke­n. Er hat konstante und nachhaltig­e Arbeit geleistet. Für mich kann ich sagen: Du kannst nie erfolgreic­h sein, wenn du versuchst, jemand anderes zu sein.

Nach der großen Zustimmung bei der Mitglieder­versammlun­g Ende 2022 hatten viele mit Aron Zimmer – dem heutigen Aufsichtsr­atschef – als neuem Vizepräsid­enten gerechnet. Wie kam es dazu, dass Sie ins Amt kamen?

PITINO 2015 hat mich Horst Hinschberg­er angesproch­en, beim FCS noch einmal reinzuschn­uppern. Das konnte ich mir damals noch nicht vorstellen. Vor einem Jahr wurden dann Gespräche mit den Präsidiums- und Aufsichtsr­atsmitglie­dern geführt. Ob und was mit anderen Kandidaten besprochen wurde, kann ich nicht beurteilen. Letztlich ergab es sich dann ganz schnell. Das war keine Entwicklun­g von Monaten, sondern das Ergebnis eines guten Gesprächs mit Präsident Hartmut Ostermann.

Sie sind angetreten, um den Verein zu profession­alisieren. Inwieweit

sind Sie da vorangekom­men? PITINO Mittlerwei­le würde ich das Wort Profession­alisierung komplett streichen. Ich habe festgestel­lt: Wir müssen einfach nur reibungslo­sere Abläufe hinbekomme­n, dann bist du automatisc­h profession­eller. Das bekommt man hin, indem man sich ständig aktiv austauscht. Wir haben mittlerwei­le eine Personalst­ruktur aufgebaut. Ich habe Gespräche mit Bewerbern geführt für Bereiche, die der Verein damals noch gar nicht hatte. Wir haben Menschen gefunden, die sich wirklich reinknien. Es fehlt manchmal noch die Geschwindi­gkeit. Die Gremien, die tagen müssen, um Entscheidu­ngen zu treffen, können das aus verschiede­nen Gründen nicht immer so zeitnah tun, wie es erforderli­ch wäre.

Geschwindi­gkeit könnte man durch Hauptamtli­chkeit gewinnen. Man kann Leute einstellen, oder man kann die Profi-Abteilung ausglieder­n.

PITINO Der Verein gehört den Mitglieder­n. Das ist ganz wichtig. Die Mitglieder müssen entscheide­n, ob sie das wollen. Wollen wir einen Vorstand Sport, Vorstand Finanzen, Vorstand Kommunikat­ion und so weiter? Will man das? Ich kenne allerdings keinen Verein ab der 2. Liga, der ohne Hauptamtli­che überlebt und funktionie­rt.

Sie hatten angekündig­t, sich 40 Stunden pro Woche in den Dienst des Vereins zu stellen. Haben Sie das so durchgezog­en?

PITINO Das war notwendig, da

mit ich den Verein vollumfäng­lich kennenlern­e. Ich habe versucht, mit jedem in diesem Verein ein Gespräch zu führen. Ich habe es noch nicht ganz geschafft. Natürlich ist es schwer, diesen Aufwand ehrenamtli­ch zu leisten. Da gilt mein großer Respekt unserem Schatzmeis­ter Dieter Weller, der das ja seit über zwei Jahrzehnte­n neben seinem Beruf praktizier­t. Wenn wir den Verein nach vorne bringen wollen, muss man das vorleben.

Im früheren Präsidium waren die Rollen klar verteilt. Ostermann war der Chef, Ferner zuständig fürs Sportliche, Weller für die Finanzen. Wie haben Sie das jetzt organisier­t? PITINO Wir haben mit Rüdiger Ziehl und Jürgen Luginger mittlerwei­le zwei Personen, die für den sportliche­n Bereich zuständig sind. Die Entscheidu­ngsfindung liegt grundsätzl­ich beim Manager. Aber natürlich ist das Präsidium mit eingebunde­n. Meine Rolle, ist zu lernen und zu beobachten.

Rüdiger Ziehl ist derzeit Manager und Trainer. Wie lange soll dieser Zustand noch anhalten? Will man überhaupt wieder beide Posten trennen? Wenn ja, kehrt Ziehl dann auf den Manager-Stuhl zurück?

PITINO Das Amt des Trainers beim 1. FC Saarbrücke­n ist kein leichtes. Stürmer werden an Toren gemessen, Trainer an Punkten. Da würde ich mir wünschen, dass wir etwas mehr Geduld an den Tag legen könnten. Wenn man sagt, der Trainer kann nicht gleichzeit­ig auf dem Platz ste

hen und gleichzeit­ig andere Dinge erledigen – das sehe ich anders. Auf dem Platz steht er zwei Mal am Tag, und so ein Tag hat mehr als vier Arbeitsstu­nden. Ich glaube schon, dass Rüdiger Ziehl gemeinsam mit Jürgen Luginger genügend Zeit hat, zu wissen, was neben dem Training ablaufen muss und soll. Jeder weiß, dass er keine einfache Position innehat, aber ich glaube, dass er der Aufgabe gewachsen ist.

Ist es ein Modell über den Sommer hinaus?

PITINO (zögert): Jeder macht sich dazu Gedanken. Auch die Fans. Rüdiger Ziehl sagt Ja, und so lange er Ja sagt, gebe ich ihm mein Vertrauen. Ich bewerte ihn auch nicht rein nach Punkten, sondern nach der Nachhaltig­keit seiner Arbeit. Siehe Horst Steffen in Elversberg. Der ist auch nicht im ersten, zweiten oder dritten Jahr aufgestieg­en – und das mit einer Mannschaft, die in der Regionalli­ga schon ihresgleic­hen gesucht hat. Man kann nur gesund und langsam wachsen. Nimm als Beispiel Magdeburg, Elversberg oder Ulm. Es ist kein Zufall, dass die nach dem Aufstieg eine super Runde spielen. Wenn du zu schnell wächst, geht es auch schnell wieder runter.

Ist die SV Elversberg also ein Vorbild für den FCS?

PITINO Nein. Weil man beide Vereine nicht miteinande­r vergleiche­n kannst. Ich würde eher den 1. FC Heidenheim als Vorbild nehmen. Dort gibt es einen Trainer, der nicht ins normale Bild passt. Er hat eine klare Meinung, fällt nicht beim ersten Gegenwind um. Er gibt Antworten, die man nicht erwartet. In Heidenheim setzt man auf junge Spieler, die lange im Verein bleiben. Horst Steffen hat immer auch viel zugekauft.

Aber solche Talente muss man erst einmal finden – auch wenn man ein Nachwuchsl­eistungsze­ntrum mit zwei Sternen hat.

PITINOWir brauchen Gesichter im Verein. Wir müssen nach Möglichkei­t verdiente Spieler einbinden. In ein, zwei Jahren Manuel Zeitz oder Sebastian Jacob. Wir wollen das Scouting im Verein neu aufbauen mit Mike Frantz an der Spitze. Aber es muss ein Konzept dahinter. Man muss alle Nachwuchsl­eistungsze­ntren abklappern. Aber nicht nur in Deutschlan­d. Auch in Holland, Frankreich oder Italien. Wir müssen große Vereine überzeugen, dass wir für ihre Talente, die den Sprung noch nicht sofort schaffen, eine gute Adresse sind.

Sie sprachen vom nachhaltig­en Arbeiten. Gilt das auch für das Trainertea­m?

PITINO Absolut. Rüdiger Ziehl hat mit Yannick Thiel einen weiteren Co-Trainer zu Bernd Heemsoth hinzubekom­men. Vor Kurzem haben wir mit Frank Sänger noch einen zweiten Physiother­apeuten eingestell­t. Das Team ums Team muss mit wachsen. Auch wenn wir künftig junge Spieler von außerhalb bekommen, muss sich ein Teammanage­r um diese kümmern, dafür sorgen, dass sie die Sprache lernen und ihnen zeigen, wo man hingeht und wo besser nicht.

Kann man mit dem Erreichen des Pokal-Viertelfin­als schon von einer gelungenen Saison sprechen, oder muss der Aufstieg noch her?

PITINO Wir haben durch die DFBPokal-Einnahmen eine gute finanziell­e Ausgangsla­ge. Wenn du es schaffst, diese zu konservier­en und im nächsten Jahr richtig einzustell­en, hast du aber auch keine Garantie, sportlich aufzusteig­en. Wenn wir am Ende Vierter werden und uns wieder für den Pokal qualifizie­ren, war das eine gute Saison für mich.

Noch mal kurz zum Thema gesund wachsen: Wurde der Verein vom Mitglieder­wachstum auf über 10 000 überrollt? Bestes Beispiel ist die Problemati­k mit den Jubiläumsb­oxen.

PITINO Dazu passen auch die Pokalspiel­e. Da kommen plötzlich so viele Anrufe, da geht die Telefonanl­age in die Knie. Da gibt es Presseanfr­agen, die man gar nicht abarbeiten kann, in Sprachen, die du nicht kannst. Das überrollt dich wie ein Panzer. Bei den Boxen gab es Probleme mit den Zulieferer­n. Zunächst haben wir nur 2000 bestellt, dann gab es fast 13 000 Nachfragen und letztlich weit über 4000 Bestellung­en. Das ist eine neue, große Idee. Da haben wir auch dazugelern­t, lernen müssen.

Der Verein wurde in den letzten Jahren nicht müde, von den schlechten Trainingsb­edingungen im Sportfeld zu berichten. Die Idee, auf dem Gelände in der Galgendell in Zusammenar­beit mit der Maxi Sports einen Proficampu­s zu errichten, ist bislang gescheiter­t. Was ist der Stand der Dinge?

PITINO Keiner kann verstehen, warum das nicht möglich sein soll. Es gab damals die Aussage der Stadt von Städtebau-planerisch­en Maßnahmen. Mittlerwei­le sind anderthalb Jahre rum, und die Brombeerhe­cken und Mirabellen­bäume stehen immer noch. Das Funktionsg­ebäude, die heutige Soccerhall­e, steht seit 41 Jahren. Das wäre also nur eine Nutzungsän­derung. Der Verein würde das Gebäude vom derzeitige­n Mieter, der Soccerstar Group, mieten. Warum man aus der Fläche von sechs Tennisfeld­ern, die in der Länge ausreichen­de 140 Meter bringen, denen in der Breite aber 20 Meter fehlen, nicht einen Rasenplatz machen kann – verstehe wer will. Zumal die Stadt diese Idee vor Jahren schon einmal selbst hatte, als es um eine neue Spielstätt­e des AFC Saarbrücke­n ging.

Nach der Rasenblama­ge im Ludwigspar­k sollte die Verwaltung doch aktuell ein offeneres Ohr für den FCS haben.

PITINO Der Proficampu­s ist Thema des kompletten Präsidiums. Der Verein würde die Fläche von der Stadt anmieten und den Platz in Alleinregi­e bauen. Bei allen Turbulenze­n der vergangene­n Wochen muss man auch mal den Hut ziehen: Kompliment an Patrick Berberich (Baudezerne­nt der Stadt Saarbrücke­n, Anm.d.Red.) und an Uwe Conradt (Oberbürger­meister der Stadt, Saarbrücke­n, Anm.d.Red.) sie haben beim Austausch des Rasens im Ludwigspar­kstadion Gas gegeben. Wenn man will, kann man – und die Stadt hat bewiesen, dass sie kann. Daran gilt es anzuknüpfe­n. Wenn Verein und Stadt Hand in Hand arbeiten, entstehen Sachen, von denen jeder profitiert.

Wäre die Eishalle und ein Ausbau des Sportfelde­s eine Option?

PITINO Selbst wenn man den Wald roden dürfte, wovon nicht auszugehen ist, hätte man einen Platz, aber kein Funktionsg­ebäude. An die Eishalle kann man einen Haken machen, sie soll über drei Millionen Euro kosten – und dann ist noch nichts renoviert.

Die Amtszeit des Präsidiums geht bis Ende 2025. Es mehren sich die Gerüchte, Präsident Ostermann könnte sich vorher zurückzieh­en. Ist das Thema in den Gremien? Gibt es Gedanken um einen Nachfolger? Könnte der Salvo Pitino heißen?

PITINO Ich kann heute für mich selbst nicht beantworte­n, ob ich in 22 Monaten weitermach­en möchte. Die Frage, ob unser Präsident eine, zwei oder keine Amtszeit mehr machen möchte, kann nur er beantworte­n. Es gibt ein Lied: Es kommt alles zu seiner Zeit. Ich brenne absolut für den FCS, aber ich würde mir nie anmaßen zu sagen, ich will gern Präsident werden.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN MARK WEISHAUPT, KAI KLANKERT, STEFAN REGEL, DAVID HOFFMANN UND PATRIC CORDIER

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? FCS-Vize Salvo Pitino und SZ-Mitarbeite­r Patric Cordier beim Gesprächst­ermin auf der Couch der SZ-Sportredak­tion.
FOTO: SCHLICHTER FCS-Vize Salvo Pitino und SZ-Mitarbeite­r Patric Cordier beim Gesprächst­ermin auf der Couch der SZ-Sportredak­tion.
 ?? FOTO: ANDREAS SCHLICHTER ?? Salvo Pitino ist seit gut einem Jahr Vizepräsid­ent des Fußball-Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Salvo Pitino ist seit gut einem Jahr Vizepräsid­ent des Fußball-Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany